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Vom Lumpensammler zur Papierkunst

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Ein alter Lumpensammler sitzt an der Sonne, neben sich seine gesammelte Ware, hinter sich an einer Mauer zerschlissene Überreste von Plakaten: Das Foto aus dem Jahr 1945 stammt vom Berner Fotografen Paul Senn und zeigt einen Lumpensammler in Paris. Und es ist das Leitmotiv der diesjährigen Sommerausstellung im Tapetenmuseum Mézières, in der sich alles um das Papier dreht. «Bis ins 19. Jahrhundert wurde Papier aus Lumpen und alten Seilen hergestellt», erklärt Kuratorin Esther Maria Jungo, «so auch die Papiertapeten im Schloss Mézières.» Die Lumpen wurden zu einem Brei verarbeitet, aus dem die Papiermacher die einzelnen Papierbögen von Hand schöpften. Papier war wertvoll, und die Lumpen wurden zum begehrten Rohstoff. «Die Lumpensammler aber standen auf der untersten Stufe in der Hierarchie der Papierherstellung», so Esther Maria Jungo. Das spiegle sich bis heute in Schimpfwörtern wie «Haderlump», «Lumpensack» oder «Lump».

 Vom Wert der Dinge

Solche Zusammenhänge interessieren die Kunsthistorikerin. «Ich denke gerne im breiten Kontext», sagt sie. Das hat sie auch für die Ausstellung in Mézières getan. Die Schau führt von den Lumpensammlern früherer Zeiten zum Lumpensammeln als Performancekunst, vom Scherenschnitt zum Origami und von papierähnlichen Wespennestern zur zeitgenössischen Papierkunst.

Ein Grundgedanke der Ausstellung ist die Beschäftigung mit dem Wert eines Materials, das wir heute achtlos nutzen und wegwerfen–oder gar ganz mit digitalen Hilfsmitteln ersetzen. «Die Unterscheidung zwischen Wertvollem und Wertlosem kennzeichnet jede Kultur dieser Welt», sagt Esther Maria Jungo. «Was heute wertlos scheint, kann morgen schon wertvoll sein–und umgekehrt.» Das heutige Zeitalter des Rezyklierens sei eine Erneuerungskultur, die der des Lumpensammlers nicht unähnlich sei.

Die Freiburger Performancekünstlerin Marinka Limat zelebriert diese Sammelwut im Keller des Museums. Sie zeigt hier das Resultat eines Projektes, das sie im Frühling in Mézières durchgeführt hat. Während einer Woche sammelte sie in der Gemeinde Papier, alte Kleider und andere unnütz und wertlos gewordene Objekte. Sie kleidete sich selbst mit den gespendeten Kleidern ein und arrangierte den Rest zu einer Installation im Kellerraum. Die sorgsam verarbeiteten und geordneten Textilien, Papiere, Tapeten, Puppen und anderen Objekte laden das Publikum ein zu einer Reflexion über Wert und Wertlosigkeit, Besitz und Besitzlosigkeit, Reinheit und Schmutz. Besonders aussagekräftig wird in diesem Zusammenhang der Flickenteppich «Chiffons de Mézières», den Limat aus den gesammelten Lumpen geschaffen hat. Unscheinbar liegt er in einem Gang des Museums; die Besucher dürfen und sollen achtlos darüberlaufen. Kuratorin Esther Maria Jungo macht beim Rundgang allerdings einen Bogen um den Teppich: «Weiss man erst einmal um die Hintergründe, kann man ihn nicht mehr so einfach mit Füssen treten», sagt sie.

 Ausgehend vom Keller entdecken die Besucher in sämtlichen Räumen des Schlosses die Vielseitigkeit des Werkstoffs Papier: Da finden sich grosse und kleine Skulpturen aus Papier oder Karton, zarte Scherenschnitte und filigrane Faltkunst, Installationen und Collagen. Die heimlichen Lieblinge von Esther Maria Jungo sind jedoch nicht von Menschenhand geschaffen: Es sind verlassene Wespennester, die gar nicht so einfach zu finden gewesen seien. «Die meisten Menschen zerstören sie und werfen sie weg.» Dabei seien Wespen- und Hornissennester kleine Wunder der Natur: «Als Baumaterial dient trockenes Holz, das die Wespen mit ihrem Speichel zu einem Papierfaserbrei vermischen.» Ein Wespennest könne einen Durchmesser von bis zu 40 Zentimetern erreichen und bis zu 7000 Tiere beherbergen. «Es ist ein wahnsinniges Werk der Natur, das Respekt und Bewunderung verdient.»

Vielfältige Papierwelten

Auf dem weiteren Rundgang trifft man auf Papierkunst von 25 Künstlerinnen und Künstlern aus der Schweiz und aus dem Ausland, die Esther Maria Jungo für die Ausstellung zusammengetragen und teilweise auch eigens in Auftrag gegeben hat. So sind Scherenschnitte vom frühen 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart zu sehen, zarte Papier-Schneeflocken des Deutschen Jens Nedowlatschil oder die Arbeit «Waschsalon» des Schweizer Performancekünstlers Christoph Rütimann, die er 2002 für das Kunsthaus Aarau realisierte: Er hat dafür Bücher über die Malerei in einer Waschmaschine gewaschen und die Überreste als «kompakte Geschichte der Malerei» zwischen zwei Glasscheiben zu einem neuen Kunstwerk arrangiert. An mehreren Orten in der Ausstellung finden sich kleine, in minutiöser Origamitechnik gefaltete Fliegen: Der Japaner Tatsuto Suzuki schafft sie seit sechs Jahren mit Lupe und Pinzette und präsentiert sie, säuberlich datiert, in Insektenkästen. In eine ganz andere Welt entführt der Amerikaner Matt Mullican das Publikum: mit Zeichnungen, die er in den Siebziger- und Neunzigerjahren unter Hypnose schuf.

Andere Werke sind eigens für die Ausstellung in Mézières entstanden: So sind schon im Treppenhaus Arbeiten der Belgierin Charlotte Bricault und der Zürcherin Andrea Wolfensberger zu sehen. Im Schlafzimmer der Hausherrin hat die Zürcherin Sandra Kühne direkt über dem Bett einen papierenen «Albtraum» angebracht: einen filigranen dreidimensionalen Scherenschnitt aus verschlungenen Körperteilen und Nachtschattengewächsen. Und die in Berlin wohnhafte Baslerin Franziska Furter bespielt den Brasilien- und den Eldorado-Salon mit installativen Arbeiten aus Origamipapier; die Inspiration dafür brachte sie aus Tokio mit, wo sie kürzlich mehrere Monate verbracht hat.

So endet die Spur des alten französischen Lumpensammlers bei einer zeitgenössischen Annäherung an die traditionelle japanische Origamikunst–und bei der Erkenntnis, dass Papier auch im digitalen Zeitalter nichts von seiner Faszination eingebüsst hat.

Sandra Kühne: ein dreidimensionaler Albtraum aus Papier.Franziska Furter: traditionelle Origamikunst neu interpretiert.Marinka Limat: moderne Lumpensammlerin im Keller.Papierkunst aus der Natur: verlassene Wespennester.Esther Maria Jungo hat die Ausstellung kuratiert.

Programm

Papierherstellung und Origamikunst

Die Ausstellung dauert bis zum 11. September. Am So., 3.Juli, können Interessierte mit Marinka Limat Papier herstellen. Am So., 24.Juli, gibt Catherine Mondoux eine Einführung ins Origami.Und am So., 21.August, kannman sich von Ueli Hauswirth die eigene Silhouette aus Papier schneiden lassen.cs

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