Autor: Lukas Schwab
«Ich habe viele schöne Erinnerungen an meine Kindheit», erzählt Andreas Rentsch. Der Fotograf lebt mit seiner Familie seit vielen Jahren in New York und hat seine Bilder schon in Grossstädten auf dem ganzen Globus ausgestellt. Seine Wurzeln liegen aber im freiburgischen Sugiez, wo er als Sohn des Direktors in der Strafanstalt Bellechasse aufwuchs.
«Als Kind habe ich die Strafanstalt nie als ungewöhnlichen Ort zum Aufwachsen empfunden und die Insassen nicht in erster Linie als Gefangene wahrgenommen», erzählt er. Sein Vater habe einen sehr offenen Umgang gepflegt. «Wir hatten viel Kontakt mit den Insassen und haben mit ihnen Fussball gespielt», erinnert er sich. Zum Teil seien enge Freundschaften entstanden, die über die Entlassung aus der Strafanstalt hinaus hielten.
Von Bellechasse geprägt
«Mein Vater war überzeugt, dass jeder Mensch mit Respekt und Würde behandelt werden soll, egal, was er getan hat», erzählt Rentsch. Dies habe er im Umgang mit den Gefangenen vorgelebt und seinen Kindern weitergegeben. «Er hat uns gelehrt, in jedem Menschen das Positive zu sehen.» Diese Lebenshaltung habe sich in seinem späteren Leben immer bewährt und ihn stark geprägt.
Obwohl sein Vater Amateurfotograf war, stamme sein künstlerisches Talent von der Mutter: «Sie war die Künstlerin in der Familie.» Er selber habe schon früh gerne gezeichnet und seine Berufung bereits im Alter von 13 Jahren entdeckt: «Mein Bruder erhielt eine Kamera, und als ich sie zum ersten Mal in der Hand hielt, wusste ich, dass ich Fotograf werden will.» Nach Abschluss des Gymnasiums in Freiburg studierte er an der «Ecole des Arts Appliqués» in Vevey Fotografie und arbeitete danach als Fotograf für die Schweizerische Verkehrszentrale.
Faszination New York
In dieser Zeit machte Rentsch eine Reise durch die USA und lernte seine heutige Wahlheimat New York kennen. «Die Stadt hat mich von Beginn an fasziniert», erzählt er. Ein Jahr nach dem ersten Besuch kehrte er in den Big Apple zurück, um am International Center of Photography zu studieren. Geblieben ist er bis heute.
«New York hat eine unglaubliche Energie, die ansteckend ist», beschreibt er seine Faszination. Die Fülle an Künstlern und Kultur sei enorm inspirierend. «Die Stadt ist ruhelos und treibt mich stets an zu arbeiten», erklärt er. Als er mit 26 Jahren in die USA kam, sei New York zudem das totale Gegenteil der Schweiz gewesen, die ihm damals eng und kleinkariert vorkam. «Ich wollte so weit weg von der Schweiz wie möglich», erinnert er sich.
Dennoch fühlt er sich heute immer noch als Schweizer. «Manchmal muss man die Heimat hinter sich lassen, um sie schätzen zu lernen», sagt Rentsch. Die alljährlichen Ferien in der Schweiz seien für ihn und seine Familie jeweils ein Highlight und seinen Pass würde er nie abgeben.
Ausstellung in Lausanne
Als Fotograf hat sich Rentsch längst einen Namen gemacht und unter anderem zweimal ein angesehenes Kunststipendium der Stadt New York erhalten. Dennoch ist seine derzeitige Ausstellung in Lausanne (siehe Kasten) für ihn etwas ganz Besonderes: «Als ich in Vevey studierte, war es immer ein Traum, einmal im renommierten Musée de l’Elysée ausstellen zu können.» Ein Traum, der nun wahr geworden ist.
Den Anstoss zu seinen in Lausanne ausgestellten Arbeiten gaben die Bilder aus dem Gefängnis Abu Ghraib, die 2005 um die Welt gingen. «Die Amerikaner gingen als Befreier nach Irak und agierten plötzlich auf gleichem Niveau wie Saddam Hussein», sagt Rentsch. Das habe ihn schockiert und den Drang ausgelöst, etwas darüber zu machen. «Ich wollte meine Gefühle ausdrücken und teilen.»
Wurzeln sind wichtig
Mit seiner Arbeit versuche er herauszufinden, was die Soldaten in Abu Ghraib dazu bewegt habe, solche Greueltaten zu verüben und sich dabei noch zu amüsieren und fotografieren zu lassen. Eine wichtige Rolle spielten dabei auch seine Wurzeln. «Meine persönlichen Erfahrungen aus meiner Kindheit in der Strafanstalt fliessen in die Arbeit ein und haben mich für die Thematik der Würde der Gefangenen sensibilisiert.»