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Von der Verbannung ins Gefängnis

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Am 17. November 1797 trat Christu S. im Gefängnisturm des ehemaligen Lausannetors erstmals vor die freiburgische Justiz. Die Anklage: Mord. Das Opfer war ein dorfbekannter Ehebrecher, den S. auf frischer Tat ertappt und verprügelt haben soll. Er war seinen Verletzungen erlegen, nachdem er bei der nächtlichen Schlägerei von einer Laube gestürzt war. S. wurde beschuldigt, ihn zuerst verprügelt und anschliessend von der Laube gestossen zu haben.

Ein Ehebruch mit Folgen

S. selbst gab zu Protokoll, in einem Heuhaus ausserhalb von Tafers auf das Liebespaar getroffen zu sein. Mit Fusstritten und Faustschlägen habe er die aussereheliche Liaison beendet. Für den Tod des Ehebrechers wollte er sich bis zum Schluss aber nicht verantworten. Dieser sei ohne Fremdeinwirkung von der Laube gefallen. Solche Ausflüchte hielten das Gericht jedoch nicht davon ab, gegen ihn eine Verbannungsstrafe auszusprechen.

Nur wenige Monate später, am 8. Mai 1798, stand S. erneut vor Gericht. Gegen die Auflagen seiner Verbannung verstossend war er nach Freiburg zurückgekehrt und wurde festgenommen. Die neuen Richter der Helvetischen Republik revidierten das Urteil. Die Verbannungsstrafe wurde als entwürdigend verworfen. Die Hoffnungslosigkeit des Verurteilten im aufgezwungenen Exil würde die Kriminalität zusätzlich fördern. Eine Wegweisung führe nur zu einer Verschiebung des Problems. Das Ziel staatlichen Strafens, so die Urteilsbegründung, sei eine kriminalitätsfreie Gesellschaft – die Verbannung aber diene diesem Ziel nicht.

Die soziale Ausgliederung als Strafe für delinquente Mitbürger kannte schon die Antike. Im Mittelalter schätzte man die Verbannung als kostengünstige und mit geringem Aufwand verbundene Massnahme, um eine Gesellschaft nachhaltig von unliebsamen Bürgern zu befreien. Im Zuge der Aufklärung setzte eine humanistisch geprägte Diskussion über Sinn und Zweck des staatlichen Strafens ein. Eine Strafe sollte nach wie vor abschrecken. Sie sollte aber auch auf die soziale Besserung des Verurteilten und dessen Wiedereingliederung in die Gesellschaft abzielen. Damit trat der Freiheitsentzug vermehrt an die Stelle von drakonischen Strafen wie der Todesstrafe und der lebenslänglichen Verbannung. Mit der Übernahme des französischen Rechtes während der Helvetischen Republik fand diese Diskussion den Weg in die Freiburger Rechtsprechung und damit in den Fall S. Seine Verbannung wurde am 8. Mai 1798 in eine zwanzigjährige Haftstrafe umgewandelt. Das Urteil zeigt die Absicht, Abschreckung, Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Menschenwürde zu harmonisieren.

Feuer im Gefängnis

Ein Tag nach dem Urteilsspruch bedrohte ein Feuer den Gefängnissturm, in dem S. inhaftiert war. In einem Akt der Menschlichkeit öffnete der Gefängniswärter die Zelltüren. Die Inhaftierten nutzten die Gunst der Stunde und ergriffen die Flucht. Christu S. verschwand damit aus den Quellen und vermutlich auch für immer aus der Stadt Freiburg.

Louis Riedo und Tobias Wanzenried studieren Geschichte an der Uni Freiburg.

Sommerserie

Straffälle zwischen Ancien Régime und Moderne

Basierend auf rund zweihundert Jahre alten Gerichtsakten haben Studierende der Universität Freiburg unter der Leitung von Andreas Behr und Nadja Sutter lokale Strafprozesse rekonstruiert und aufgearbeitet. Daraus sind acht Artikel entstanden, welche die Freiburger Strafpraxis zwischen 1798 und 1803 beleuchten. Die untersuchte Zeitspanne ist deshalb von Interesse, weil das Ancien Régime 1798 gestürzt wurde und ein demokratischer Einheitsstaat nach französischem Vorbild errichtet werden sollte, die sogenannte Helvetische Republik. Viele der angestrebten Neuerungen konnten nicht sofort eingeführt werden und so existierten alte und neue Strukturen eine Zeit lang nebeneinander. Dies galt auch für die Justiz, wie in den behandelten Fällen sichtbar wird.abe/nas

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