Schuldenabbau! – so lautete die Devise nach der Finanzkrise 2008. Acht Jahre später lässt sich feststellen, dass das Gegenteil eingetreten ist: Die Schuldenkrise ist nicht gelöst, und die Solvenz der westlichen Demokratien ist infrage gestellt. Das gilt nicht zuletzt für die Staatsverschuldung in praktisch allen Industrieländern. Die Verschuldung der OECD-Staaten hat zwischen 2007 und 2015 stark zugenommen und bleibt seither steigend.
Dabei verdeckt diese Entwicklung noch, dass die strukturellen Ungleichgewichte in den öffentlichen Haushalten bereits in der Hochkonjunktur bis 2007 nie vollständig eliminiert werden konnten. Diese Zahlen unterschätzen zudem die tatsächliche Verschuldung vieler westlicher Demokratien, weil sich aus der Alterung der Gesellschaft und den eingegangenen Verpflichtungen in den Renten-, Gesundheits- und Pflegesystemen auch hohe implizite Schulden ergeben.
Wie viel ist zu viel?
Es fragt sich deshalb, wie viel Verschuldung zu viel ist. Wo auch immer die Grenzen der Staatsverschuldung genau liegen: Die hohen und weiter steigenden Schuldenstände schränken die Handlungsfähigkeit der öffentlichen Hand zusehends ein.
Gleichzeitig wird deutlich, dass die Rentenversprechungen nicht mehr finanzierbar sind. Das gilt selbst für die Schweiz, deren Vorsorgesystem immerhin auf drei unterschiedlich funktionierenden Säulen aufbaut. Vor allem die nach dem Umlageverfahren organisierte AHV steht wegen der demografischen Entwicklung vor gewaltigen Herausforderungen. Die Erhöhung von Rentenalter und/oder Beiträgen ist auch hier unumgänglich.
In der zweiten Säule wird Kapital angespart – hier macht aber das politische Korsett von Umwandlungssatz und einer weltfremden Mindestverzinsung zu schaffen. Immerhin sind flexiblere Formen wie die individuelle Kadervorsorge in der zweiten Säule oder die steuerlich begünstigte dritte Säule nicht von Umverteilungseffekten betroffen – obwohl auch sie im Tiefzinsumfeld zu kämpfen haben.
Der Vorsorgestaat steckt also in der Klemme. Angesichts der hohen Unsicherheit darf der Einzelne nicht alles auf eine Karte setzen. Wie beim Anlegen ist Diversifizieren auch bei der Vorsorge das Gebot der Stunde. Zwar sind die Beiträge für AHV und obligatorische zweite Säule fix vorgegeben, doch besteht bei den Einkäufen in die zweite Säule, bei der überobligatorischen beruflichen Vorsorge (wo vorhanden), bei der steuerprivilegierten dritten Säule sowie schliesslich beim freien Vermögen individueller Handlungsspielraum. Diese Flexibilität gilt es, gezielt zu entwickeln und zu nutzen.
Diversifizieren
Und wer sich gegen das politische Risiko gesetzlicher Rentensysteme schützen möchte, sollte bewusst auf freies Vermögen setzen.
Nicht zuletzt sollten sich Anleger bewusst sein, dass sich die hohe Staatsverschuldung negativ auf ihre Anlagen auswirken kann. Es geht um latent vorhandene Inflationsrisiken und Fieberschübe, die an den Märkten jederzeit möglich sind. Betroffen sind davon in erster Linie festverzinsliche Anlagen. Grundsätzlich ist aber das Risiko bei allen staatsnahen Gegenparteien erhöht. Die gute Nachricht ist immerhin, dass die öffentliche Hand in der Schweiz trotz allem noch solide finanziert ist und im internationalen Vergleich weiterhin gut dasteht.
Der Text entspricht der Synthese zum Notenstein-LaRoche-Gespräch mit Professor Christoph Schaltegger. Michael Zurkinden ist Teil des gesprächsführenden Teams. www.notenstein-laroche.ch
Der Autor
Michael Zurkinden, wohnhaft in Arconciel, hat in Freiburg Volkswirtschaft studiert und promoviert. Er arbeitet in Bern bei der Notenstein La Roche Privatbank in der Anlageberatung und Vermögensverwaltung.