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Wehklagen auf hohem Niveau

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Gastkolumne

Autor: Boris Boller

Wehklagen auf hohem Niveau

Vor einigen Jahren – Slowenien war noch nicht lange selbstständig – war ich Gast einer Sommeruniversität, in einer der malerischen Adriastädte. Obschon noch früh morgens, waren bereits einige Teilnehmer lebhaft am Diskutieren – offensichtlich über Fragen des Zusammenlebens von Völkern bzw. Sprachgruppen.

Der einzige zu dieser Zeit schon oder noch wache Professor am Tisch stellte mich der Runde wortreich als Bürger eines Landes vor, in dem alle mindestens vier Sprachen perfekt sprechen und eitel Sonnenschein, Harmonie sowie gegenseitige Wertschätzung zwischen allen Bevölkerungsgruppen herrsche. Deshalb ging die Frage nach dem Rezept für diese Idylle an den hierzu sicher kompetenten Schweizer.

Das war aus mehreren Gründen der falsche Zeitpunkt für diese Frage. Erstens hatte ich in diesem Moment noch keinen Tropfen Kaffee getrunken. Zweitens waren damals die Folgen der Ablehnung des Beitritts der Schweiz zum Europäischen Wirtschaftsraum noch deutlich zu spüren. Genau diese Ablehnung, die in den Augen vieler Romands – allerdings auch vieler anderer – «les Neinsager alémaniques» zu verantworten hatten und die zur Folge hatte, dass einige Politiker laut über die Unabhängigkeit oder den Beitritt der Romandie zu Frankreich nachdachten, was wiederum dazu beitrug, dass ein hiesiger Hochschullehrer vor der Belgisierung der Schweiz warnte und damit in Freiburg die Eintracht zwischen den Sprachgruppen nicht wesentlich voranbrachte.

Kurz bevor ich zum grossen Lamento über das Neben- und nicht Miteinander der Sprachgruppen ansetzen und dies mit allerlei ärgerlichen Details aus dem Alltag ausschmücken wollte, nahm ich zur Kenntnis, dass die Tischrunde mehrheitlich aus Vertretern der jugoslawischen Nachfolgestaaten bestand, wo zu dieser Zeit Unterschiede zwischen Gruppen nicht nur durch symbolische Aktionen oder sprachpolitische Skurrilitäten geschaffen und vergrössert wurden.

In dieser Situation schien es angebracht, auf ein Jammern auf vergleichsweise hohem Niveau zu verzichten und das idyllische Bild der Schweiz unpolemisch und wissenschaftlich korrekt etwas zu relativieren – etwa damit, dass das Romantsch der meisten Schweizer doch eher lückenhaft ist und in Freiburg nicht ganz alle Bewohner die jeweilige Partnersprache ganz perfekt beherrschen.

Boris Boller wurde im Thurgau geboren, besuchte die Schulen in Bern und lebt heute in Freiburg. Er studierte und arbeitete an deutsch- und französischsprachigen Abteilungen der Universität und überquert zur Zeit praktisch täglich die Sprachgrenze, um zur Arbeit zu fahren. Boris Boller ist Mitglied einer FN-Autoren-Gruppe, die im Monatsrhythmus frei gewählte Themen zur Zwei- und Mehrsprachigkeit bearbeitet.

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