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Wem nützen flexible Arbeitszeiten?

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Petra Klumb, Sie sind Professorin an der Universität Freiburg. Wie viele Stunden pro Woche arbeiten Sie?

Das ist schwer zu sagen. Es gibt Wochen, da habe ich am Donnerstagmittag bereits mein Soll erreicht. Es gibt aber auch Wochen, in denen ich weniger zu tun habe. Das hängt auch davon ab, ob Semester ist oder vorlesungsfreie Zeit.

Wie es klingt, können Sie die 42-Stunden-Woche im Durchschnitt nicht einhalten?

Im Durchschnitt wahrscheinlich schon, aber nicht in jeder Woche. Ich glaube, das ergeht vielen Uni-Professorinnen und -Professoren gleich. Die Ursache dafür liegt meist in Projekten, die wir selbst aufgegleist haben, niemand verpflichtet uns dazu.

Sie verfügen also über eine hohe Arbeitsautonomie. Was bringt Ihnen mögliche Mehrarbeit persönlich?

Gute Frage. In der Regel Zufriedenheit. Wenn ich sehe, wie eine Studentin, die ich betreue, sich weiterentwickelt, oder einen gut gelungenen Artikel lese, in den ich viel Zeit investiert habe, ist das befriedigend. Und beides, die von Ihnen angesprochene Arbeitsautonomie und die positiven Erfahrungen, kann Arbeitnehmende vor negativen Beanspruchungsfolgen schützen.

Sie arbeiten quasi freiwillig mehr. Gibt es eine gesellschaftliche Erwartung, viel zu arbeiten?

Die Arbeitsdichte hat in den letzten hundert Jahren zugenommen. Für Professoren genauso wie für andere Arbeitnehmende, zum Beispiel im Einzelhandel, sind Aufgaben dazugekommen. Leider können wir dazu keine genauen Aussagen machen, da es keine Zeitverwendungsstudien über diesen Zeitraum gibt.

Der äussere Druck ist das eine, wie steht es um Ihre eigene Arbeitsmoral?

Ich habe in meiner Familie die protestantische Arbeitsethik mit der Milch eingesogen. Das geht vielen so. Dennoch ist Abgrenzung unter uns Wissenschaftlern ein Thema. Kürzlich habe ich einem Kollegen gesagt, dass ich nur im Notfall in der Freizeit wegen Arbeitsfragen angerufen werden möchte. Das Bedürfnis, Arbeit und Freizeit zu trennen, ist aber bei verschiedenen Personen unterschiedlich stark ausgeprägt. Für mich ist die Zeit mit der Familie ein wichtiger Ausgleich. Andere haben kaum etwas dagegen, immer erreichbar zu sein, und lassen sich Anrufe vom Arbeitsplatz aufs private Handy weiterleiten, um Dinge rasch klären und ebenso rasch wieder vergessen zu können.

Nicht alle Menschen schaffen es, Grenzen zu setzen. Eine Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung würde ihnen vielleicht helfen. Ist das Abschaffen des Stempelns, wie im Parlament vorgeschlagen, gut oder schlecht?

Da spielt das Menschenbild eine grosse Rolle. Denkt man, die Menschen sind faul, wird man sie kontrollieren wollen. Wenn man jedoch davon ausgeht, dass Arbeitnehmende ihren Beitrag leisten wollen, wird man ihnen vertrauen und ihnen mehr Handlungsspielraum einräumen. Kon­trollmechanismen treiben oft wilde Blüten. Ich kann ja einstempeln und dann zuerst mal Kaffee trinken und privat im Internet surfen. Es gibt aber auch das Gegenteil: In Deutschland gibt es ein Institut, bei dem Forscherinnen und Forscher stempeln müssen. Sie stempeln zwischendurch extra aus, damit sie länger arbeiten können, als die Uhr erlaubt. Solche Kontrollmechanismen sind darum aus der Mode gekommen. Wichtig ist doch einfach, dass klar ist, welche Arbeit bis wann erledigt werden soll.

Der andere Vorschlag ist, die wöchentliche Höchstarbeitszeit durch eine Jahresarbeitszeit zu ersetzen. Was halten Sie davon?

Da sind wir mitten im Thema der Arbeitszeitflexibilisierung. Es gibt mindestens zwei Perspektiven der Flexibilisierung. Die eine ist die organisationale und die andere die Angestelltenperspektive. Aus Sicht der Organisation wird die Arbeitszeit aufgrund der Erfordernisse seitens von Kundinnen und Produktion den Arbeitenden zugewiesen. Wenn beispielsweise in einer Woche nur für 15 Stunden Arbeit vorhanden ist, warum soll der Arbeitnehmende 45 Stunden anwesend sein? Stattdessen soll die Zeit von Arbeitnehmenden flexibel an betriebliche Erfordernisse angepasst werden. Diese Art von Flexibilität scheint tatsächlich ökonomisch vorteilhaft zu sein – zumindest kurzfristig.

Und wie sieht die Arbeitnehmerperspektive aus?

Die Angestellten verstehen unter Flexibilität Wahlmöglichkeiten: Wann kann ich arbeiten, wie lange kann ich arbeiten? Das ist aber nicht dasselbe. Häufig wird die organisationale Flexibilität so gehandelt, als könnten die Angestellten ihre individuellen Bedürfnisse befriedigen und Arbeit und Familie besser unter einen Hut bringen. Das wird mit der organisationalen Flexibilität aber nicht automatisch erreicht. Will man beides erreichen, muss man meines Erachtens Arbeitnehmende und Arbeitgeber an einen Tisch bringen, die verschiedenen Bedürfnisse klar darlegen und die Lösung suchen, die beiden Seiten gerecht wird. Ich denke, das ist möglich, und es gibt Belege dafür, etwa in Studien des Massachusetts Institute of Technology. Aber im Moment ist meist nur von der organisationalen Perspektive die Rede.

Als Arbeitnehmer werde ich auf jeden Fall weder 3 noch 60 Stunden arbeiten wollen.

Ja, normalerweise gibt es einfach einen festen Vertrag, der eine gewisse Anzahl Stunden pro Woche festlegt, egal wie viel Arbeit ansteht. Darin besteht die soziale Sicherung, die die Arbeitsgesetzgebung erreicht hat. Das Unternehmen kümmert sich dann um die Organisation der Arbeit, nicht ich. Die Arbeitgeber fanden aber mit der Zeit, dass dies nicht produktiv genug sei. Daher wurden alternative Entwürfe entwickelt, bei denen den Arbeitnehmenden beispielsweise zusätzliche Aufgaben zugewiesen und ihre Arbeitszeiten flexibilisiert werden, eventuell einhergehend mit Lohneinbussen.

Würden sich die Leute mit weniger Lohn zufriedengeben?

Es gibt bestimmt Menschen, die mit so etwas zufrieden wären, weil ihnen das die Freiheit gibt, noch etwas anderes zu tun. In den USA sind Hochschullehrerinnen und -lehrer während des Sommers nicht bezahlt. Einige sehen ihren Lohn, den sie in den restlichen Monaten verdienen, darum als Jahresgehalt an. Die anderen sagen, nein, ich gehe nach Europa und unterrichte in den unbezahlten Monaten in Sommerschulen, um zusätzlich Geld zu verdienen. Wenn ich aber die Ernährerin von drei Kindern bin, ist eine solche Lösung nur schwer umsetzbar.

Die Einführung einer Jahres- anstelle der Wochenarbeitszeit gemäss den parlamentarischen Initiativen bedeutet aber keine Lohnreduktion.

Nein, aber es könnte bedeuten, dass ich meine Arbeitszeit nicht gut planen kann. Für die meisten Menschen wird es dann schwieriger sein, etwa die Kinderbetreuung zu organisieren. Was soll ich mit den Kindern machen, wenn ich etwa im Weihnachtsgeschäft vier Wochen lang 14  Stunden am Tag im Geschäft stehen muss?

Ist das frauenfeindlich?

In Branchen wie der Wirtschaftsprüfung beispielsweise, in denen der Arbeitsanfall sehr variabel ist, sind in der Tat über die Anfangsstufe hinaus nur sehr wenige Frauen vertreten. Aber das ist nicht frauenfeindlich, sondern familienfeindlich. Denn auch junge Väter wollen nicht mehr erst nach Hause kommen, wenn ihre Kinder schon im Bett sind.

Wenn es nun darum ginge, die Gesetzesänderungen als Gesamtpaket anzunehmen oder abzulehnen – je nachdem, wie die Endfassung aussehen wird, ist ein Referendum sicher –, könnte man diese überhaupt gutheissen? Müsste man die Flexibilisierungsfrage nicht von Branche zu Branche anschauen?

Viele Kollegen aus der Forschung haben darauf hingewiesen, dass das sehr differenziert anzuschauen ist. Es gibt grosse Unterschiede zwischen verschiedenen Branchen, Unternehmen und einzelnen Arbeitsplätzen, auch was die Nebenwirkungen der Flexibilisierung für den Einzelnen und die Gesellschaft angeht.

Was sind denn die Nebenwirkungen?

Mögliche Nebenwirkungen können Rückenschmerzen, Schlafstörungen, Konflikte zwischen Arbeit und Familie sowie geringe Arbeitszufriedenheit sein. Flexible Arbeit erscheint jedoch als zweischneidiges Schwert. In einer Gruppe von Studien werden die genannten Faktoren negativ beeinflusst, während in einer anderen die Wirkungen positiv ausfallen.

Wirkt sich eine undifferenzierte generelle Flexibilisierung eher zugunsten der Arbeitgeber aus, solange die konkrete Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse nicht geklärt ist?

Kurzfristig könnte ein Nutzen für den Arbeitgeber eingefahren werden, langfristig ist das fraglich. Der Nutzen für die Arbeitnehmenden hängt von der genauen Ausgestaltung, den konkreten Bedingungen ab und ist deshalb nicht pauschal beurteilbar.

Wo wäre der Nutzen für den Arbeitnehmer im Verkauf bei Öffnungszeiten samstags bis um 17 Uhr?

Anforderungen und sogar Stress sind nicht an sich schädlich, solange man Körper und Geist immer wieder in einen Erholungszustand «herunterfahren» kann. Wenn die Erholungszeiten verkürzt werden, ist das allerdings schwieriger. Es gibt viele Studien, zum Beispiel der Universität Marburg, aber auch aus unserem Departement, die belegen, dass kürzere Ruhephasen sich körperlich bemerkbar machen. So erreicht der Blutdruck beispielsweise nicht den gleichen Tiefpunkt im Schlaf und das Stresshormon Kortisol wird nicht gleich schnell abgebaut. Dadurch kann die Wiederherstellung der Kräfte leiden, und man ist am nächsten Morgen nicht so leistungsfähig wie sonst. Es gilt aber auch den sozialen Aspekt zu beachten. Wenn Familie und Freunde samstags frei haben, ist es schwierig, mit ihnen etwas abzumachen. Gemeinsame Unternehmungen mit anderen sind jedoch ein wichtiger Faktor für das Wohlbefinden einer Person. Sie spielen auch für die Erholung eine positive Rolle.

Bei Home-Office dürfte das Problem des Abschaltens noch grösser sein.

Ja, weil wir die Arbeit vor der Nase behalten und häufig auch den Arbeitstag später beenden. Solange ich mich mit der Arbeit beschäftige, selbst wenn es nur im Kopf ist, setzt die Erholung nicht ein.

Sind aus der Angestelltenperspektive flexible Arbeitszeiten dann kein Problem, wenn die betroffene Person gut abschalten und selber Grenzen setzen kann? Oder: Für wen braucht es den Schutz, wie ihn das Arbeitsgesetz noch vorsieht?

Es braucht Arbeitsgesetze, weil sich eine Einzelperson nicht so gut ihrer Rechte versichern kann wie ein kollektiver Vertrag. Und letztlich schützt ein solches Vertragswerk das schwächste Glied und ist nicht in erster Linie für jene gedacht, die über viele Ressourcen verfügen und gut mit Anforderungen umgehen können. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass es zwei Arten von Interessen gibt. Die einen wollen, dass der Laden rund um die Uhr brummt, und die anderen wollen das Einkommen und die regelmässigen Erholungszeiten sichern. Hinsichtlich der Änderung des Arbeitsgesetzes besteht die Herausforderung aus meiner Sicht da­rin, beide Seiten zu berücksichtigen, da jede Seite für die Verwirklichung ihrer Interessen auf die andere angewiesen ist. Das wird sich trotz Digitalisierung in absehbarer Zeit nicht ändern.

Die Digitalisierung wird der Flexibilisierung aber Vorschub leisten.

Sie wird mehr Möglichkeiten der Flexibilisierung bringen, zum Beispiel Crowdworking, also eine über elektronische Marktplätze vermittelte Rekrutierung von Personal aus einem grossen Pool von «Springerinnen und Springern», die keine Organisationsmitglieder mit festen Arbeitsverträgen sind und nur für ihre jeweiligen Einsätze bezahlt werden.

Zahlen und Fakten

Autonomie versus Ausbeutung

In zwei Wochen diskutiert die Wirtschaftskommission des Ständerats über eine Änderung des Arbeitsgesetzes. Kurz gesagt, soll für qualifizierte Fachkräfte, die über eine hohe Autonomie verfügen, Folgendes gelten: Auf die Arbeitszeiterfassung kann verzichtet werden, wenn dies der Arbeitgeber wünscht; die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 45 Stunden soll zugunsten einer Jahresarbeitszeit fallen; die maximale tägliche Arbeitszeit von 12,5 auf 13,5 Stunden steigen, Sonntagsarbeit ohne Bewilligung möglich sein, die tägliche Ruhezeit mehrmals pro Woche von elf auf neun Stunden herabgesetzt werden dürfen. Die Bürgerlichen argumentieren, dass die Flexibilisierung den Arbeitnehmern Freiräume eröffne. Die Gewerkschaften warnen vor Selbstausbeutung, Stress und Burn-outs. Etwas anders gelagert ist das Bestreben im Kanton Freiburg, die Ladenöffnungszeiten an Samstagen um eine Stunde zu verlängern. Die Gewerkschaft führt aber auch hier Stress und Familienfeindlichkeit an. Die Befürworter machen die Stunde zur Existenzfrage für den Einzelhandel (siehe auch Seite 3 zum Referendum gegen die Revision des Handelsge­setzes).

rsa

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