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Wenn der Stern uns nahe kommt

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Wenn der Stern uns nahe kommt

Was war das für eine Aufregung im Pfarrhaus! Die Sekretärin rotierte am Telefon. Ich verstand nur «Feuerwehr», «Drehleiter» und «Sterne». Nun ist mir zwar klar, dass die Feuerwehr nebst Brandbekämpfung auch für Meteoriteneinschläge zuständig ist, aber was die in einem solchen Fall mit einer Drehleiter wollen, war mir schleierhaft. Diese Dinger landen doch in der Regel auf dem Boden und nicht in irgendwelchen Baumwipfeln.

Von ANNA-MARIA STAMPFLI NIEDERERund FILIPPO NIEDERER-STAMPFLI*

In einer ruhigeren Minute klärte mich die Sekretärin dann auf. Der ominöse Stern steckt in der Turmkreuzkugel. Er ist nicht aus ausserirdischem Gestein, sondern aus sehr weltlichem Metallblech. Zu besseren Zeiten prangte er stolz über dem Turmkreuz der katholischen Kirche in Murten. Dass es ihn überhaupt gab, war mir bis zu diesem Zeitpunkt völlig entgangen.

Nun aber schien sich das Pfarrhausleben um ihn zu drehen. Ein Blick aus dem Fenster klärte mich auf: In der die Erde symbolisierenden Turmkreuzkugel steckte mit einer Zacke der goldschimmernde Stern. Ausgerechnet in der stressigen Weihnachtszeit wird uns eine solch unnötige Aufregung beschert! Dabei müssten doch noch etliche Gottesdienste vorbereitet und die Frühstücke für die Rorategottesdienste eingekauft werden …
Ja, so geht es meist. Kurz vor Weihnachten stören irgendwelche Pannen oder gar Katastrophen den gewöhnlichen Gang der Dinge. Genau dann, wenn wir uns für das grosse Fest vorbereiten möchten, sollten wir uns mit unangenehmen Angelegenheiten beschäftigen, uns gleichsam mit der Welt auseinandersetzen. Dabei erwarten wir doch die Ankunft des göttlichen Kindes. Wir bereiten uns auf das Kommen dessen vor, der uns Engelsgesang auf die Erde bringen soll. Zum Glück gelingt es uns dann meist doch noch eine traute Atmosphäre zu schaffen. Wir holen uns ein wenig von der versprochenen heilen Welt in die gute Stube, ertragen so die widrige Realität ein wenig besser und erhalten die Hoffnung auf eine bessere Wirklichkeit am Leben.

Nun aber steckt dieser Stern hoch oben auf dem Turm in der Erdkugel und bedroht die ahnungslosen und unschuldigen Kirchgänger. Wenn er sich so mir nichts dir nichts aus seiner ordentlichen Verankerung zu lösen vermochte, wie sollte er nicht unversehens von einer Windböe auf die Strasse gefegt werden können?

Die Drehleiter von Murten erwies sich bald als zu kurz für einen solchen Spezialeinsatz. Ein kleiner Stern vermag unseren Pfarrhausalltag so sehr aus dem Trott zu bringen! Er ist eine Gefahr für die Fussgänger und für die geparkten Autos. Ich ertappe mich, wie ich schneller unten am Turm vorüberhusche; wie ich mir überlege, wo die Wahrscheinlichkeit am kleinsten ist, allenfalls von ihm getroffen zu werden. Nein, von diesem Blechstern möchte ich wirklich nicht getroffen werden.

Ich habe nicht grundsätzlich etwas gegen Sterne. An einem dunklen Winternachtshimmel lösen sie eine seltsame Wehmut in mir aus. Sie sind für mich Hinweise auf etwas, was das Alltägliche übersteigt. Ungreifbar sind sie – in einen gewissen Sinne jenseitig. Sterne verleiten mich zum Träumen. Sie verheissen das Vollkommene, eine unbeschwerte Existenz in Schönheit und Harmonie, eine nie gekannte Leichtigkeit und Intensität.

Viele Menschen lassen sich von Sternen inspirieren oder erhoffen sich von ihnen Aufschluss über ihr Leben, ihre Zukunft. In alten Zeiten und bis über das Mittelalter hinaus wurden sie zwischen dem göttlichen Reich und unserer schmutzigen Erde angesiedelt. Erhabener als die irdische Materie galten sie und waren doch noch Geschöpfe. Ihre Bewegung, so glaubte man, erfüllte den Kosmos mit einer himmlischen Musik, einer Sternenharmonie. Ganz praktisch gaben sie in den Weiten der Wüste und auf den Meeren Orientierung und so eine gewisse Sicherheit. Die unerreichbaren und geheimnisvollen Sterne verbanden die Menschen mit dem Göttlichen, berichteten von einer anderen Welt.

Nun, ich lebe im 21. Jahrhundert und glaube ein Kind der Aufklärung zu sein. Der einfache, ungebrochene Glaube an die Sterne geht mir ab. Horoskope sind für mich Spielerei, Ersatz für die verlorene Sicherheit eines in sich geschlossenen Weltbildes. An die Stelle der Sternenharmonie ist für mich das Donnern einer Supernova getreten, statt Gottähnlichkeit bedeuten sie mir Lebensfeindlichkeit. Und doch lässt mich der Blick durch ein Fernrohr an den klaren Himmel erschaudern ob der Schönheit und der Grösse des Kosmos. So bleiben die Sterne trotz aller Kosmologie Symbole für die unerreichte Vollkommenheit, für meine Ideale und mein Sehnen. Darin hat nicht nur mein kleines Glück Platz, nein, sie umfassen die Anliegen der Gesellschaft, ja der Welt. Dabei geht es nicht nur um mich persönlich, nein, auch um die Gesellschaft, ja, die Welt. Gross und glänzend stehen sie über uns, Werte wie Gerechtigkeit, Freiheit, Menschenwürde, Glück …

Ich werfe einen scheuen Blick aus meinem Büro zur Turmspitze. Dort steckt der einst stolz über dem Kreuz prangende Stern in der Erdkugel. Die Aufregung und Betriebsamkeit, die dieser kleine Blechstern in unserem Pfarrhaus ausgelöst hat, ist verständlich – und mir ebenfalls ein Symbol. Mit den Idealen ist es doch wie mit kleinen Kindern. Sie sind «herzig», solange man nicht Stunde für Stunde mit ihnen konfrontiert ist, ihre Tobsuchtsanfälle aushalten muss. Ja, so ist es auch mit den Idealen. Sie sind hübsch, solange wir von ihnen träumen. Werden sie jedoch Wirklichkeit, dann bringt dies grosse Veränderungen mit sich. Ein verwirklichtes Ideal geht nicht spurlos am eigenen Leben vorüber. Möchte ich das? Weiche ich vor meinen «Sternen» nicht immer wieder zurück, auf dass sie mein Leben nicht berühren, nicht darin einschlagen und es durcheinander bringen?

So geht es nicht nur mir. Ein Blick in die Geschichte zeigt uns diesen Reflex in tausendfältigen Variationen. Immer wieder wurden Menschen zurückgebunden, welche ein Ideal rückhaltlos zu leben versuchten. Man denke etwa an einen Franziskus, dem man die Verantwortung über seine Bewegung nahm, um sie zu zivilisieren. Einer Elisabeth von Thüringen wurde die Macht genommen, weil sie diese anders einsetzte als es die Mächtigen sonst tun. Ja, Sterne, die auf die Erde kommen verursachen immer einige Unruhe und Turbulenzen. Das ist seit jeher so. Fast scheint es, als würden wir die Unvollkommenheiten der Welt mehr schätzen als die verwirklichten Ideale.

Was würde z. B. eine gerechte Welt doch alles für unangenehme Massnahmen notwendig machen. Und selbst, wenn sich der beschwerliche Weg dahin umgehen liesse, müssten wir vielen unserer wenig schmeichelhaften Neigungen und Gefühlen entsagen. Es wäre kein Platz mehr für Neid und eitlen Stolz über das bessere Auto oder schönere Haus. Die Karriere würde mit einem Mal bedeutungslos. Der Voyeurismus anlässlich von Unglücksfällen und Katastrophen wäre plötzlich verpönt. Der Klatsch über den unmöglichen Nachbarn würde nur noch peinlich wirken. Wir müssten nach neuen Massstäben leben, uns gründlich umorientieren. Andere Dinge hätten unserem Leben Sinn zu verleihen. Ein grosser Umbau in der persönlichen und gesellschaftlichen Welt würde nötig. Nein, das Ideal, unsere Ideale bleiben besser am Himmel, zwischen Gott und der Erde.

Zum Glück liegt es nicht in unserer Macht zu

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