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Wenn die Hoffnung begraben werden muss

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Hoffnungsträgerin zu sein ist schön–allerdings nur so lange, bis man die in einem gesetzten Hoffnungen nicht mehr erfüllen kann. Andrea Thürler sah sich in den letzten Wochen wegen ihrer schweren Knieverletzung dazu gezwungen, ihre letzten Hoffnungen auf eine Profikarriere als Skirennfahrerin zu begraben–und damit auch diejenigen ihrer Anhänger, ihrer Gönner, ihrer Familie. «Ich habe kein schlechtes Gewissen, ich habe alles versucht, es hat einfach nicht geklappt. Aber es war nicht einfach, den Leuten in meinem Umfeld mitzuteilen, dass ich zurücktrete. Sie zeigten zwar Verständnis dafür, fanden es aber schade. Viele hatten immer Freude an meinen Erfolgen, standen hinter mir, das habe ich sehr geschätzt. Sie glaubten an mich und wollten, dass ich es weit bringe. Das war ja eigentlich auch mein Ziel …»

«Noch nicht gerade‹Wow!›»

Dieses Ziel war zuletzt jedoch nicht mehr realistisch. «Ich habe lange gebraucht, bis ich mich zu einem definitiven Entscheid durchringen konnte. Aber ich habe gemerkt, dass das Knie nicht mehr gemacht ist für den Spitzensport.» Selbst beim Joggen verspürt Thürler noch Schmerzen. Ein Aufbautraining wäre nicht möglich gewesen. Dass sie diesen Winter auf die Ski steigen kann, ist unwahrscheinlich. Die junge Freiburgerin hätte den Anschluss kaum jemals wiedergefunden. «Deshalb bin ich gezwungen, etwas anderes zu machen. Das ist nach so vielen Jahren Spitzensport nicht leicht, aber ich versuche nun, mit meinem alten Leben abzuschliessen. Mich an die schönen Dinge zu erinnern. Letztlich war es eine Lebensschule für mich.» Wer versucht, mit dem alten Leben abzuschliessen, hat offensichtlich noch nicht damit abgeschlossen.

Grübelt Thürler noch oft über ihre Karriere nach? Über Dinge, die anders hätten laufen können? Die 22-Jährige sitzt zu Hause in Jaun am Küchentisch und überlegt einen Moment lang. «Manchmal denke ich noch zurück, aber nicht mehr so oft wie an den ersten Tagen nach meinem Rücktrittsentscheid. Ich fühle mich immer noch nicht gerade ‹Wow!›, aber mittlerweile ganz okay. Ich habe Leute, mit denen ich reden kann.» Dazu gehört die Familie. «Auch wenn sie mein Karriereende natürlich sehr bedauern. Sie waren diejenigen, die am meisten hinter mir gestanden sind und mich am meisten unterstützt haben.»

Es sei wirklich traurig, dass es nun so enden müsse, sagt Mutter Verena Thürler. Als Andrea 2008 bei den JO-Schweizermeisterschaften gleich vier Goldmedaillen gewann und voll auf Spitzensport zu setzen begann, mussten die Eltern in den ersten beiden Jahren viel Geld investieren. Danach wurden sie durch Gönner und Sponsoren entlastet. Verena Thürler liegt deshalb, genau wie ihrer Tochter, viel daran, diesen Leuten zu danken. «Sie ermöglichen jungen Sportlern eine Karriere.»

WM-Titel und spannende Duelle mit Wendy Holdener

Richtig zufrieden ist Andrea Thürler mit ihrer Karriere nicht. «Ich habe einige ganz gute Resultate aufzuweisen. Aber ich bin ehrgeizig und hätte noch mehr gewollt. Trotzdem: Ich hatte viele schöne Momente in meiner Karriere, die kann mir niemand mehr nehmen.» Gerne erinnert sie sich an die Jahre zurück, in denen sie sich spannende Duelle lieferte mit Wendy Holdener, die heute zur erweiterten Weltspitze gehört. Es war ein Duell auf Augenhöhe; mal gewann Thürler, mal Holdener. 2011 holte die Jaunerin bei der Junioren-WM in Crans-Montana hinter der Schwyzerin Silber in der Super-Kombination. Bei der WM im Jahr zuvor in Megève hatten beide Talente Goldmedaillen geholt, Thürler im Super-G, Holdener in der Abfahrt. «Damals lief alles gut–vor allem hatte ich keine Verletzungen. Auch mein erstes Jahr im B-Kader lief im Winter 2011/12 noch gut. Die Resultate im Europacup stimmten und ich stand an der Schwelle zum Weltcup.»

Verletzungen und Degradierungen

Danach aber geriet die Karriere ins Stocken. Im Sommer 2012 brach sich Thürler beim Konditionstraining auf dem Trampolin die Bänder am rechten Fuss und verpasste die Vorbereitung. Kam hinzu, dass die Skier weiterentwickelt wurden, sie wurden länger, was beim Fahren zu grösseren Radien führte und den Fahrerinnen mehr Kraft abverlangte. «Ich hatte Mühe mit der Umstellung.» Es folgten durchzogene Leistungen, neuerliche Verletzungen–und Degradierungen. Zuerst wurde Thürler ins C-Kader zurückgestuft, dann verlor sie den Kaderstatus sogar ganz.

Die Freiburgerin versuchte noch einmal, etwas zu ändern, brach die Schule im Nationalen Leistungszentrum von Swiss Ski in Brig ab, absolvierte die Spitzensportler-RS und konzentrierte sich noch mehr auf das Skifahren. «Ich hatte das Gefühl, es geht wieder vorwärts. Doch dann kam der verheerende Unfall.» Es war ein Trainingsunfall im vergangenen September, der letztlich das Karriereende besiegelte. Ein Sturz, der Thürler immer noch von Zeit zu Zeit durch den Kopf geht. «Es war recht steil, ich geriet in Rücklage. Das Problem war, dass sich der rechte Ski nicht öffnete, deshalb hat es das Knie verdreht.» So heftig, dass sich Thürler Innen- und Aussenband, Kreuzband, Meniskus und Patellasehne riss. Eine Diagnose wie aus einem Albtraum.

«Es hat viel mit Glück zu tun»

Es folgten schwierige Monate, in denen Thürler zwar noch hoffte, sich aber immer mehr eingestehen musste, dass es das war mit ihrer Karriere. Sie mochte sich nicht einmal mehr Skirennen im TV anschauen, zu gerne wäre sie selbst auf der Piste gestanden. Was geht Thürler durch den Kopf, wenn sie sieht, wie ihre einstige Konkurrentin Holdener nun im Weltcup regelmässig in die Top-15 fährt? «Es fühlt sich schon ein bisschen merkwürdig an, weil genauso gut ich dort stehen könnte. Aber ich mag es ihr gönnen. Sie ist immer drangeblieben und hat es sich verdient. Letztlich hat es viel mit Glück zu tun, ob man es schafft oder nicht. Wendy war nie richtig verletzt, konnte immer weitertrainieren und sich ständig verbessern.»

Knapp am Weltcup vorbei

Während Holdener mittlerweile bereits Weltcup-Podestplätze vorzuweisen hat, schaffte es Thürler nie an ein Weltcup-Rennen. «Das ärgert mich schon ein wenig. Ich war nah dran.» Insbesondere in der Saison 2011/12. «Es war meine beste Saison, und alle waren der Meinung, ich hätte einen Weltcup-Einsatz verdient.» Doch weil eine von Thürlers Konkurrentinnen zu alt war für die Junioren-WM in Roccaraso, durfte diese im Weltcup starten, während Thürler zeitgleich für die WM aufgeboten wurde. Hätte ein Weltcup-Auftritt etwas an ihrer Karriere ändern können? «Vielleicht. Vielleicht wäre mir ein guter Auftritt gelungen und ich hätte für einen Wow-Effekt sorgen können. Vielleicht aber auch nicht, ich werde es nie wissen.»

Was sie anders machen würde, könnte sie das Rad der Zeit zurückdrehen, weiss Thürler allerdings. «Ich würde nicht mehr so früh vom Slalom weggehen. Da habe ich mich zu sehr von den Trainern beeinflussen lassen.» Diese wollten, dass Thürler vor allem auf die Speed-Disziplinen setzt. «Sie wollten, dass ich möglichst schnell viele Punkte hole, damit ich den Startplatz verbessere. Sie dachten eher an den kurzfristigen Erfolg, als an das Wohl der Athletin.»

 KV-Lehre bei einer Garage

Das alles gehört jedoch zum alten Leben Thürlers, sie wird es möglichst bald ausblenden. Im Herbst beginnt ihr neues Berufsleben. In einer Autogarage in Le Mouret beginnt die 22-Jährige mit einer kaufmännischen Ausbildung. Darauf will sie sich nun erst einmal voll konzentrieren. In welcher Form sie dem Skisport erhalten bleibt, will sie erst danach entscheiden, bis dahin sollte auch ihr Knie wieder gesund sein. «Ich habe die Ausbildung zur Skilehrerin eins gemacht und könnte bereits in der Skischule unterrichten. Vielleicht werde ich das später einmal. Aber nun freue ich mich erst einmal darauf, mein Leben ein bisschen ruhiger anzugehen …»

 

«Sie glaubten an mich und wollten, dass ich es weit bringe. Das war ja eigentlich auch mein Ziel …»

 Andrea Thürler

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