Autor: Pascale Hofmeier
Freiburg «Binge» heisst so viel wie Gelage und beschreibt einen Essanfall. Denn genau das passiert Menschen regelmässig, die unter der Binge-Eating-Störung leiden: Sie haben wiederkehrende Essanfälle. Während diesen verschlingen sie so grosse Mengen, bis sie nicht mehr können. «Mit den Essanfällen geht ein Kontrollverlust einher», sagt Anne Brauhardt, Psychologin an der Universität Freiburg. Im Rahmen des internationalen Projektes Interbed, das unter der Leitung von Professorin Anja Hilbert am Institut für Psychologie durchgeführt wird, ist sie an der Erforschung dieser Krankheit und der Behandlung der Binge-Eating-Störung beteiligt (vgl. Kasten). «Menschen mit der Binge-Eating-Störung leiden stark unter den Essanfällen und schämen sich dafür», sagt Brauhardt.
Gefühle weg-essen
Zur Binge-Eating-Störung gehören nicht nur wiederkehrende Essattacken. Diese Essanfälle tragen dazu bei, dass die Betroffenen übergewichtig oder sogar adipös werden. Viele haben schon mehrmals Diäten angefangen und wieder abgebrochen. «Oft versuchen Betroffene, strikt Diät zu halten», sagt Brauhardt. Tagsüber verzichteten sie auf das Essen, abends folge der Fressanfall. «Am nächsten Tag versuchen sie, das wieder gutzumachen und essen wieder nichts.» Dies ende häufig in einem Teufelskreis, der die Situation verschlimmere.
Warum es überhaupt zu diesen Essanfällen kommt, ist noch nicht definitiv geklärt, sagt Brauhardt. Das Essen diene vielen Betroffenen als Spannungsreduktion. «Wenn sie traurig, wütend oder vielleicht sehr gut gelaunt sind, beginnt die Fressattacke.» Von der Störung betroffen seien Männer und Frauen etwa gleichermassen. Eine Möglichkeit zur Therapie liege darum darin, die eigenen Gefühle kontrollieren zu lernen. Häufig hänge die Krankheit auch mit weiteren psychischen Problemen zusammen, zum Beispiel mit Depressionen.
Brauhardt betont, Essstörungen seien ein grosses Feld. Allerdings seien bisher nur Anorexie und Bulimie anerkannte Diagnosen. «Häufig folgt die Diagnose Binge-Eating-Störung, nachdem sich Betroffene zum Beispiel bei der Beratung für Adipositas gemeldet haben.» Die Diagnose werde häufiger, damit steige auch die Chance, dass die Behandlungskosten irgendwann durch die Krankenkassen getragen würden: «Bisher konnte eine erfolgreiche Wirkung von Behandlungsangeboten immer wieder nachgewiesen werden.»