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«Wenn ich lache, sieht man das nicht»

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«Ich bin eigentlich ein ganz normaler Mensch», sagt Nadja Pürro von sich selber. Von ihrer Umwelt wird sie jedoch nicht immer so wahrgenommen. Denn die 21-Jährige aus Plasselb leidet am sogenannten Möbius-Syndrom, einer sehr seltenen angeborenen Krankheit (siehe auch Kasten). Ein Teil der Nervenstränge im Hirnstamm bildet sich bei der Entwicklung des Fötus im Mutterleib nicht voll aus; in ihrem Fall waren es unter anderem jene Nerven, die für ihr Gesicht, ihre Zunge und ihre linke Hand zuständig sind. 

Deshalb sind viele ihrer Gesichtsmuskeln gelähmt: Nadja Pürro kann nicht lächeln oder die Stirn runzeln und auch nicht gut blinzeln. Ihr Gesichtsfeld ist eingeschränkt und ihr Sehvermögen schlecht. Ihr Gesicht trägt deshalb einen maskenhaften Ausdruck, der es ihr erschwert, Gefühle auszudrücken. Die Plasselberin, die ein fröhlicher und aufgestellter Mensch ist, kann vielleicht ihr Lächeln nicht zeigen, aber lachen kann sie sehr wohl. «Wenn ich lache, sieht man das nicht, aber man hört es auf jeden Fall.»

Eine Kämpferin

Durch ihre Krankheit wurde Nadja Pürro schon früh zur Kämpferin, ihre Kindheit war geprägt von sehr vielen Arztbesuchen und unzähligen Therapien. Als sie klein gewesen sei, habe sie ihren Körper als ganz normal wahrgenommen, erzählt Nadja Pürro. In der Schulzeit habe sich das geändert. Sie habe sich für ihre linke Hand, an der sich lediglich zwei nicht voll entwickelte Fingerchen befinden, geschämt und sie versteckt, vor allem in der Öffentlichkeit. Die Krankheit machte sie zur Aussenseiterin.

Viele Freunde habe sie nicht gehabt, erzählt sie. «Wenige wollten mich als Kollegin. Sie hielten mich wohl für blöd.» In der Primarschule ging es noch einigermassen, die Zeit an der OS Plaffeien hat sie aber nicht in guter Erinnerung. Sie besuchte eine Werkklasse. «Von den Fähigkeiten her hätte ich auch die Real- oder in einigen Fächern sogar eine Sekundarklasse besuchen können. Aber ich hatte Mühe mit dem Tempo.» Nadja Pürro kann zwar alles erlernen, was sie sich vorgenommen hat, «aber es dauert bei mir halt ein wenig länger», erklärt sie.

Schwierige Stellensuche

Schwierig war deshalb auch die Berufswahl. Gerne hätte sie etwas in Richtung Kinderbetreuung gemacht, fand aber keine Lehrstelle. Schliesslich absolvierte sie eine zweijährige Lehre als Hauswirtschaftspraktikerin EBA. «Das sind vier verschiedene Berufe in einer Ausbildung vereint: Küche, Wäscherei, Reinigung und Service», erzählt sie. Die Vielseitigkeit dieser Tätigkeit hat ihr gefallen, ebenso der Kontakt zu den Leuten und das Arbeiten mit den Händen. Weil sie danach einfach keine Stelle fand, aber trotzdem arbeiten wollte, kam sie in die geschützte Werkstätte der Sensler Stiftung für Behinderte, wo sie in der Wäscherei tätig war. Doch richtig wohl fühlte sie sich dort nie, weil sie sich unterfordert fühlte. «Ich wusste, dass ich mehr kann», sagt sie.

Also hat sie weiter gesucht. Im normalen Arbeitsmarkt hatte sie keine Chance. Weitergeholfen hat ihr dann die Stiftung Profil in Bern, die darauf spezialisiert ist, Menschen mit einer Behinderung oder gesundheitlichen Beeinträchtigung in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Seit gut einem halben Jahr arbeitet Nadja Pürro im Campus Schwarzsee in der Küche und im Service und sorgt auch dafür, dass die hungrigen Zivildienstleistenden satt werden.

Ein Arbeitsplatz nach Mass

Speziell für sie hat der Küchenchef einen sogenannten Inklusionsarbeitsplatz geschaffen: eine Stelle, bei der für Menschen wie sie spezielle Rahmenbedingungen geboten werden. «Ich erledige die gleichen Aufgaben wie die anderen», sagt Nadja Pürro. Doch sie arbeite weniger Stunden, weil sie schneller müde werde. Ihr ist bewusst, dass sie Glück hatte, auf einen sozial eingestellten Arbeitgeber gestossen zu sein. «Es ist schade, dass es nicht mehr solcher Arbeitsplätze gibt.»

Offener Zugang gewünscht

Nadja Pürro spricht heute offen über ihre Erkrankung. «Wer mich ansieht, merkt ja sofort, dass ich anders aussehe. Jeder fragt sich, was ich wohl habe. Aber nur wenige fragen mich direkt.» Sie versteht, dass eine gewisse Hemmschwelle besteht. Doch es stört sie mehr, einfach als «behindert» abgestempelt zu werden, ohne die Chance zu haben, zu erklären, was ihr wirklich fehlt. «Heute bin ich so weit, dass es mir egal ist, was die Leute über mich denken», sagt sie selbstbewusst. Sie hadert nicht mit ihrem Schicksal. Jammern nütze ja nichts, sagt sie.

Sie wünscht sich aber, dass die Leute offener auf sie zugehen. «Früher war das Downsyndrom eher unbekannt, und die Betroffenen wurden schräg angeschaut. Heute weiss praktisch jeder, was das für eine Erkrankung ist. Ich möchte, dass es mit dem Möbius-Syndrom ähnlich geht. Ich wünsche mir, dass wir so normal behandelt werden wie alle anderen Menschen auch.»

Möbius-Syndrom

Der Auslöser ist immer noch ungeklärt

Das Möbius-Syndrom ist nach dem deutschen Arzt Paul Möbius (1853–1907) benannt. Er hat als Neurologe in Leipzig praktiziert und 1888 erstmals einen Fall eines Patienten beschrieben, der an einer angeborenen doppelseitigen Lähmung der Gesichtsmimik und des Augenmuskels litt. Bis heute ist nicht klar, was genau diese Erkrankung auslöst. Eine Behandlung gibt es nicht. Menschen, die nicht lächeln können und nicht durch ihre Gesichtsmimik interagieren können, sind in der Gesellschaft zwangsläufig isoliert. Verstärkt wird dies bei Mö­bius-Betroffenen durch die Seltenheit ihrer Krankheit.

Verschiedene Verläufe

Es wird geschätzt, dass es nur gerade einen Fall auf eine halbe Million Leute gibt. Die Familie Pürro hat sich deshalb einer Betroffenen-Vereinigung in Deutschland angeschlossen. Für Nadja war das erste Treffen wie eine Offenbarung. «Zuerst war es seltsam. Dann habe ich gemerkt, dass sie genau das Gleiche durchleben wie ich. Ich konnte es gar nicht glauben, dass sie mir aus der Seele reden.» Bei den Treffen hat die Familie auch gesehen, dass kein Fall dem anderen gleicht und dass die Krankheit bei jedem anders verläuft.

8000 seltene Krankheiten

In der Schweiz gibt es rund 350 000 Kinder und Jugendliche, die von einer seltenen Krankheit betroffen sind. Per Definition gilt eine Krankheit als selten, wenn eine von 2000 Personen betroffen ist. Gemäss Randy Scheibli vom Förderverein für Kinder mit seltenen Krankheiten gibt es weltweit etwa 8000 solcher Krankheiten. «Bei vielen sucht man noch nach den Ursachen. Bei anderen weiss man zum Beispiel, dass sie auf einen Gendefekt zurückgehen, der aber noch nicht benannt ist.»

Die Familien von betroffenen Kindern teilen ein ähnliches Schicksal: «Sie wissen, dass mit ihrem Kind etwas nicht stimmt. Haben sie eine Diagnose, dann leben sie in der Ungewissheit, wie es weitergeht», erklärt Scheibli. Denn oft seien die Krankheiten und ihr Verlauf wenig erforscht. «Das macht Angst und ist eine Belastung für die Familie.» Der Förderverein hilft diesen Familien, indem er Plattformen zur Verfügung stellt, damit sie einander kennenlernen, sich vernetzen und Erfahrungen austauschen können. In Härtefällen leistet der gemeinnützige Verein auch finanzielle Direkthilfe. «Wir wollen allen seltenen Krankheiten ein Gesicht geben», sagt Randy Scheibli. Ein weiteres Ziel des Vereins sei deshalb auch, die Öffentlichkeit zu informieren und zu sensibilisieren.

Der Verein wird vom Freiburger Arzt Thierry Carrel präsidiert, der ihn 2014 mitgegründet hat.

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Weitere Infos: www.kmsk.ch

«Wer mich ansieht, merkt ja sofort, dass ich anders aussehe. Jeder fragt sich, was ich wohl habe. Aber nur wenige fragen mich direkt.»

«Heute bin ich so weit, dass es mir egal ist, was die Leute über mich denken.»

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