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Wenn Missverständnisse den Wortschatz vergolden

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Gastkolumne

Autor: Simone Flüeler

Wenn Missverständnisse den Wortschatz vergolden

Wenn ich Wörter falsch verstehe, kann das zu den seltsamsten Situationen führen. Zum Beispiel habe ich früher immer gedacht, das ß heisse «Schaf-s». Denn für mich sieht dieses ß, wenn man es um 180° dreht, wie ein wolliges kleines Schäfchen aus. Und bis vor kurzem sagte ich der Schrotflinte Schrottflinte. Auch hier schien mir dies absolut einleuchtend. Ich sah vor mir ein sehr altes, rostiges Gewehr, das schon auf den Schrott gehört. Natürlich weiss ich – ich bin nicht die Einzige, die missdeutet und Wörter verdreht. Sprache ist immer in Bewegung, sie ist nicht statisch, nicht immer logisch.

Früher habe ich mich immer fürchterlich geschämt, wenn ich wieder einmal ein Wort missverstanden habe. Doch mittlerweile «sammle» ich diese Irrtümer. Wunderschöne Wörter können so nämlich entstehen. So ist zum Beispiel jemand, der sich «grimmt» «missgrimmig», ich finde diese Wörter sehr «vorschrittlich», ja, wir brauchen solche Wörter. Und es kommt öfter vor, dass solche Irrtümer als Neuschöpfungen den Weg in unsere Sprache finden. Wie zum Beispiel das Känguru. Als nämlich der britische Seefahrer James Cook nach Australien fuhr, hat er die Aborigines gefragt, was dies für Tiere seien. Diese antworteten «gan- go-roo». Was aber in ihrer Sprache nur so viel bedeutet wie: «Ich verstehe nicht!». So bekommen Dinge plötzlich einen Namen. Auch das «Englischhorn» verdankt seinen Namen nur einem Missverständnis. Das Englischhorn kommt nicht etwa aus England, wie der Name fälschlicherweise vermuten liesse, das Englischhorn war mal ein «cor anglé», und daraus wurde ein «cor anglais». Die Legende besagt, dass die «vasistas» auf die Zeit der napoleonischen Besatzung Deutschlands zurückgehen. Beim Einmarsch der Truppen sollen immer wieder Bewohner aus den Dachfenstern gesehen und vor Verwunderung «Was ist das?» ausgerufen haben. Und so sei das Wort für die Dachfenster im Französischen entstanden. Und wenn ihnen in nächster Zeit jemand einen guten Rutsch ins neue Jahr wünscht, will er sie nicht etwa aufs Glatteis führen. «Rutsch» ist eine Verballhornung von «rosch», was auf Hebräisch «Anfang» heisst.

Neuschöpfungen durch Missverständnisse berei- chern unseren Wortschatz, ja, sie vergolden ihn sogar zuweilen. Denn nur durch einen Sprachirrtum wurde aus der einfachen Schottergasse (Goltgasse) in Fribourg eine reiche und schöne Rue d’Or.

Simone Flüeler wohnt in Freiburg und studiert Germanistik und Kunstgeschichte. Sie ist Mitglied einer FN-Autorengruppe, die im Monatsrhythmus frei gewählte Themen zur Zwei- und Mehrsprachigkeit bearbeitet.

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