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Wenn Moskau vor «Leningrad» zittert

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Russische Rockmusik ist in der Schweiz noch nahezu unbekannt

Autor: Von URS HAENNI

«Die Band hat Stress an der Grenze», erklärt das Management agents-4-music aus Berlin am Telefon. Ob es mit dem Interview mit Sänger Shnur doch noch klappt? Man solle es vor Ort probieren.Stress an der Grenze? Ob da der Ruf der Band Leningrad bis zur Schweizer Grenzpolizei durchgedrungen ist? Die Schlagzeilen aus deutschen Medien lassen Schlimmes befürchten: «Der Sauf-Auflauf» schreibt Focus, «Verbrechen und andere Alltäglichkeiten» sowie «Schimpfworttiraden aus Leningrad» die taz, oder fast schon apokalyptisch die Saarbrücker Zeitung: «Die Russen kommen». So übel ist der Ruf von Leningrad, dass Moskaus Bürgermeister Lushkov Auftritte der Band in Russlands Hauptstadt verboten hat. Eine Anordnung, die neben Leningrad nur noch für die deutsche Band Rammstein gilt.

CDs für ein Visum

Im Backstage-Bereich des x-tra in Zürich ist es dann doch soweit: Der Manager bittet zur Audienz mit Sergej Shnurov, kurz Shnur, der im fast fertigen «Leningrad – der Film» als Mann mit «Charisma, rasierter Platte, rausgewachsenem Dreitagebart» beschrieben wird, der «mit seiner Sauferei kokettiert».Hätte man nun eine Bier-Orgie mit einer Horde Matrosen, Raufbolden oder üblen Pennern erwartet, man wäre enttäuscht worden. Stattdessen Abschalten nach dem Konzert. Shnur streckt die Hand zur Begrüssung entgegen, entschuldigt sich, dass er kein Englisch spricht, und bittet fast scheu in einen Nebenraum aufs Sofa.Wie war das denn nun mit dem Stress an der Grenze? «Wir haben nicht gewusst, dass wir ein Visum für die Schweiz brauchen. Doch es hat sich schnell geregelt: Wir haben den Zöllnern CDs geschenkt und signiert und dann hiess es: ?Welcome?.» Und das Auftrittsverbot in Moskau? «Man hat uns nie genau gesagt, warum. Aber mittlerweile dürfen wir dort wieder spielen.»

Vom Ska zur Polka

Das also soll der Mann sein, vor dem Moskaus Bürgermeister zittert, der Putin an den Karren fährt, und das grösste Schimpfwörter-Repertoire in ganz Russland besitzen soll? Schnell wird klar: Der Erfolg der Band Leningrad in ihrer Heimat ist auch das Resultat cleveren Marketings und eines feinen Gefühls für musikalische Strömungen.Leningrad bauen ihre Musik auf Ska auf, jener Musik, die in den Sechzigerjahren in Jamaika dem Reggae den Weg ebnete und die in den vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren in ganz Russland von Tausenden Bands aufgenommen wurde. Doch Leningrad spielen nicht einfach Ska, sonden mischen mit ihren 15 Musikern a) Ska, b) Punk, c) Hip-Hop, d) Polka und e) Gipsy. Es ist eine Mischung, die a) in die Beine geht, b) sich gegen das Establishment auflehnt, c) mit der Sprache jongliert, d) russische Tradition einbindet und e) multikulturell daherkommt.Ob Leningrad nun in Zürich oder in St. Petersburg aufspielen, das Repertoire sei genau dasselbe. Wohlwissend, dass selbst in Zürich die russische Fankolonie in der Überzahl ist. Warum denn wohl in der Schweiz russische Rockmusik noch weitgehend unbekannt ist? «Keine Ahnung», sagt Shnur. «Wir wissen auch wenig über Schweizer Musik. Obwohl: Eine meiner absoluten Lieblingsbands ist Yello.»Während in Russland Leningrad längst vom St. Petersburger Untergrund zum Mainstream aufgestiegen sind (Shnur: «Bald sind wir das Gazprom der Popmusik»), so führt der Erfolg im Westen über Berlin.

Kaminer und die Russendisko

In Berlin steigt zum Beispiel jeden zweiten Samstag im Kaffee Burger «Russendisko». Autor, Radiomacher und DJ Vladimir Kaminer beschreibt im Buch «Karaoke» den Beginn der Veranstaltung 1999 wie folgt: «Einhundert Russen trafen auf ungefähr einhundert Deutsche. Dazu mischten sich auch einige Japaner und Gäste aus Afrika unters Publikum. Der Chor der russischen Armee sang die berühmten Melodien. Die Freude an der russischen Musik und am wilden Tanzen schien grenzenlos. Es flossen der Wodka und andere starke Nationalgetränke in grossen Mengen. Die ersten Tische flogen durch den Raum. Ein Gast aus Afrika wollte vom russischen DJ wissen, ob der Chor der russischen Armee auch Reggae könne. Sofort wurde sein Wunsch erfüllt.»Mittlerweile touren Kaminer und DJ Gurzhi mit «Russendisko» erfolgreich durch ganz Europa. Kaminer spielt nicht nur mit dem Klischee der Westler gegenüber den Russen, er hat auch das Verdienst, durch die «Russendisko» russische Musik in westliche Ohren zu tragen.

Ost-Musik für den Westen

In Berlin ist auch das Label Eastblok beheimatet. Der Deutsche Armin Siebert und der Russe Alexander Kasparov sollten einst für EMI westliche Musik in den Osten importieren. 2004 machten sie sich aber selbständig und bringen nun mit Eastblok Musik aus dem Osten in den Westen.Eastblok hat gemäss Website Vertriebe in ganz Westeuropa, so zum Beispiel das RecRec-Plattengeschäft in Zürich. Dort ist der Ladenbetreiber überrascht: «Russische Musik? Das wird bei uns sehr selten verlangt.»Er geht durch die Regale, zieht eine CD von Ne Zhdali heraus, legt Leonid Soybelman auf, das Fach von Vladimir Vissoky ist leer, dann präsentiert er Messer Chups, die kürzlich zu Godzilla-Bildern in der Dampfzentrale Bern auftraten. Und dann hat RecRec natürlich noch Leningrad. Ein Blick in den Computer: 2007 verkaufte der Laden gerade mal sieben Leningrad-Scheiben.

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