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«Wer von euch wird leben, wer sterben?»

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«Wer von euch wird leben, wer sterben?»

Der Journalist Georges Malbrunot hat in Freiburg von seiner 124-tägigen Geiselhaft im Irak erzählt

Vier Monate hat der französische Journalist Georges Malbrunot, unter anderem Korrespondent der Freiburger Tageszeitung La Liberté, als Geisel im Irak verbracht. Am Dienstagabend stellte er sich in Freiburg zum ersten Mal nach seiner Befreiung dem Publikum.

Von CAROLE SCHNEUWLY

Am 20. August 2004 rutschte Georges Malbrunot in Artikeln über den Irak von der Autorenzeile in die Schlagzeilen. An jenem Vormittag wurde er zusammen mit seinem Freund Christian Chesnot, Reporter bei Radio France internationale, auf der Strasse von Bagdad nach Nadjaf von Angehörigen der «Islamischen Armee Iraks» entführt.

Malbrunot und Chesnot erlebten den ersten von vielen unbequemen Transporten im Kofferraum eines Autos. «Ich habe mich gezwungen, ruhig zu bleiben und mir gesagt, ich befände mich auf einer schwierigen Reise, die vielleicht zwei oder drei Tage dauern würde», sagt Georges Malbrunot über die ersten Momente der Geiselnahme.

Die Hoffnung auf eine baldige Befreiung blieb, doch aus den Tagen wurden Wochen und aus den Wochen Monate. 124 Tage sollten vergehen, bis die beiden Journalisten am 21. Dezember, kurz vor Weihnachten, endlich freigelassen wurden. 124 Tage, von denen Georges Malbrunot am Dienstag anlässlich einer Podiumsveranstaltung in Freiburg den annähernd 600 Zuhörerinnen und Zuhörern erzählte.

«Wir haben viel gebetet»

Vier Monate lang hatte der Journalist keine Möglichkeit, sich von den Ereignissen Notizen zu machen. Dennoch scheint sich in seinem Gedächtnis jede Einzelheit aus der Zeit der Gefangenschaft eingegraben zu haben. Sich alles akribisch zu merken, gewissermassen ein mentales Tagebuch zu führen, war für Malbrunot ein Mittel gegen Verzweiflung und Panik.

Eine andere Hilfe war das Beten: «Ich habe meinen Glauben nie gross praktiziert», so Malbrunot. «Als es während unserer Gefangenschaft aber wirklich schwierig wurde, haben wir viel gebetet, fünf, sechs Mal pro Tag. Das hat uns getröstet und beruhigt, uns vor der Lethargie bewahrt. Heute bete ich immer noch, weniger zwar, aber mein Glaube ist durch das Erlebte stärker geworden.»

«Inshallah – So Gott will»

Anfangs hätten er und Chesnot ruhig Blut bewahrt. Sofort hätten sie, beide der arabischen Sprache mächtig, das Gespräch mit den Entführern gesucht, sich als französische Journalisten zu erkennen gegeben und sich von den USA distanziert. Man werde ihre Angaben überprüfen, habe man ihnen gesagt, und sie dann bald freilassen. Sie sollten sich keine Sorgen machen. «Morgen oder übermorgen», habe es geheissen. «Inshallah – So Gott will.»

Es kam anders. Die Tage vergingen, und nichts geschah. Nach zehn Tagen erhielten Malbrunot und Chesnot Besuch von jenem «Chef des internen Erkundigungsdienstes» der Islamischen Armee Iraks, der bereits ihre Befragung durchgeführt hatte. «Le gros» nannten ihn die beiden Entführten unter sich. Der «Dicke» habe ihnen gegenüber zum ersten Mal von dem Kopftuchverbot gesprochen, das die französische Regierung auf das neue Schuljahr hin an allen öffentlichen Schulen einführen wollte. Er habe gedroht, sie zu töten, wenn in Frankreich das neue Gesetz nicht wieder abgeschafft werde. «Ihr hebt kein Gesetz auf, indem ihr zwei französische Journalisten tötet», habe Malbrunot geantwortet. Darauf der Entführer: «We use you. – Wir benutzen euch.»

«Wie auf dem Bin-Laden-Planeten»

Einige Tage später wurden Malbrunot und Chesnot in eine andere Unterkunft gebracht. Dort blieben sie 18 Tage. Dann der nächste Umzug, diesmal in eine acht Quadratmeter grosse, fensterlose Zelle. Er habe sich immer mehr gefühlt «wie auf dem Bin-Laden-Planeten», sagt Malbrunot. Bin Laden sei allgegenwärtig bei der «Islamischen Armee des Iraks», einer dem Salafismus und dem Djihad verpflichteten Bewegung mit 15 000 bis 17 000 Mitgliedern.

Von ihren Entführern seien sie die ganze Zeit gut behandelt worden, ihre Wächter hätten sie immer wieder nach ihrem Befinden und ihren Wünschen gefragt. Man werde ihnen nichts tun, habe man ihnen gesagt, weil sie durch ihre Bekanntheit in Frankreich zur «politischen Spielkarte» geworden seien.

«Da wusste ich: Wir sind frei»

Mitte Oktober wurden die beiden Franzosen in eine bereits früher benutzte, geräumigere Unterkunft in Bagdad zurückgebracht. Anfang
November verschärfte sich die Situation: «Man sagte uns, wir könnten täglich getötet werden», so Mal-
brunot. Besonders schlimm sei eine Bemerkung gewesen, die ein Wächter am 11. November gemacht habe. «Who is alive, who is dead?», habe
er gefragt. «Wer von euch wird le-ben, wer sterben?» Von da an hät-
ten sie damit rechnen müssen, dass einer von ihnen getötet werden würde, erzählt Malbrunot. «Wir sind nur noch vom Schlimmsten ausgegangen, haben jeden Tag, den wir überlebten, als gewonnenen Tag betrachtet.»

Dann die Wende in der ersten Dezemberhälfte: «Man liess uns die Haare waschen und uns kämmen, damit wir gut aussähen, wenn wir freigelassen würden.» Die Hoffnung sei aufgekommen, an Weihnachten wieder zu Hause zu sein. Und tatsächlich: Am 21. Dezember wurden Malbrunot und Chesnot zum letzten
Mal in einen Kofferraum gepackt und weggefahren. Mitten auf einer Strasse habe man sie einem Vertreter der französischen Botschaft übergeben. Die Situation sei heikel gewesen, erinnert sich Malbrunot, und er habe bis zum letzten Moment einen weiteren Zwischenfall befürchtet. Dann aber seien sie an einen sicheren Ort gebracht und vom Botschafter mit einer Flasche Champagner begrüsst worden. «Da wusste ich: Wir sind frei.»

«Man vertraut auf seinen Schutzengel»

Die Besucher der von der «Liberté» organisierten Podiumsveranstaltung nutzten die Gelegenheit, Georges Malbrunot
ihre Fragen zu stellen. Eine Auswahl.

Wie haben Sie in den vier Monaten Ihrer Gefangenschaft Ihre Tage verbracht?

Wir sind spät aufgestanden, haben gefrühstückt und uns bis gegen Mittag wieder hingelegt. Nachmittags haben wir wenn möglich eine Stunde Gymnastik gemacht und dann bis zum Abendessen miteinander geredet. Man denkt an viele Sachen, sieht den Film seines Lebens vor dem inneren Auge. Seltsam ist, dass die Zeit zugleich schnell und langsam vergeht. Man gewöhnt sich an die Situation, wird fatalistisch und vertraut auf seinen Schutzengel. Schwierig auszuhalten wird es erst, wenn man bedroht wird.

Haben Sie jemals an Flucht gedacht?

Nein. Dazu hätte es schlicht keine Gelegenheit gegeben. Und wenn, dann müsste man sehr vorsichtig sein, um sich nicht im Moment zu irren. Sonst . . .

Wurde für Ihre Befreiung ein Lösegeld bezahlt?

Darüber weiss ich nichts. Wirklich nicht. Die Entführer haben uns gesagt, ihnen gehe es nicht um Geld. Und wäre es nur um ein Lösegeld gegangen, hätte man wohl kaum vier Monate lang verhandeln müssen.

Wenn es kein Geld war, was kann Frankreich den Entführern dann versprochen haben?

Eine gute Frage. Ich weiss es nicht. Bei den Verhandlungen kann es
um so unterschiedliche Themen
gegangen sein wie das Kopftuch
verbo

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