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Wer war Lydia Lee?

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Eine unauffällige amerikanisch-chinesische Familie: Der Vater ist Professor an einer kleinen Universität und doziert als Chinese absurderweise über Cowboys und den Wilden Westen. Mutter Marilyn, eine Amerikanerin, widmet sich nach dem Abbruch des Medizinstudiums der Familie. Lydia, der erklärte Liebling ihrer Eltern, soll in die Fussstapfen der Mutter treten und sich auf ein Medizinstudium vorbereiten. Keines der drei Kinder–Nath, Lydia und das Nesthäkchen Hannah–geben Anlass zur Sorge, und allfällige Probleme werden dem Frieden zuliebe gar nicht erst thematisiert. Auch darüber, dass jeder insgeheim an der Fremdenfeindlichkeit leidet, die ihnen überall entgegenschlägt, herrscht Stillschweigen.

Nichts ist, wie es war

Die ganze Familie steht dem Bescheid der Polizei, dass es sich beim Tod von Lydia um Selbstmord handle, fassungslos gegenüber. Nach und nach kommen aus dem Leben des Mädchens jedoch Unstimmigkeiten zum Vorschein. Diese reissen tiefe Risse ins Familienleben und legen offen, dass sie alle ein Musterleben führen, um einander Harmonie und Glück vorzugaukeln.

Der Vater weiss, dass er als Chinese an der Universität nur geduldet ist, von seinen Kollegen wie auch von den Studenten–er würde sich und der Familie dies jedoch nie eingestehen. Marilyn ist diese Ehe aus Trotz eingegangen, aus Trotz gegen ihre angepasste Mutter und gegen die Gesellschaftsregeln, die Mischehen konsequent ablehnen. Allen wollte sie zeigen, was in ihr steckt, als Frau und Ärztin. Als sie jedoch kläglich scheitert, überträgt sie ihre Wünsche und Erwartungen auf Lydia, die das scheinbar klaglos akzeptiert.

Ihr Bruder Nath widmet sich jede freie Minute seinem einzigen Interessengebiet, der Erforschung des Alls. Sein Ziel ist es, sich einen Studienplatz in Harvard zu ergattern, um der Enge seines Zuhauses zu entfliehen. Die Zusage der berühmten Universität wird schlussendlich für Lydia zur Tragödie. Einzig Nath versteht sie und weiss, unter welchem enormen Druck sie leidet. Niemals will sie ohne ihn zurückbleiben und weiterhin die liebe, angepasste Tochter spielen, um das brüchige Familienglück zu retten. Als stille Beobachterin sieht die kleine Hannah die dunkeln Wolken aufziehen, doch sie kann das Drama, das sich anbahnt, nicht aufhalten.

Eine Sozialstudie

Was sich streckenweise wie ein Kriminalroman liest, entpuppt sich als vielschichtiges Familiendrama in kleinbürgerlichen amerikanischen Verhältnissen während der 1970er-Jahre. Eine Geschichte, die aufrüttelt und offenlegt, wie stark das Privatleben aller von familiären und gesellschaftlichen Zwängen geprägt ist. Mit grossem Einfühlungsvermögen erweckt die Autorin die verschiedenen Charaktere zum Leben, mit all ihren Höhen und Tiefen, und sie entlockt ihnen Geheimnisse, welche zum tragischen Ende führen. Virtuos erschafft sie eine packende Szenerie, durch die das Thema «Andersartigkeit» als roter Faden führt. Die Aussage kommt deutlich rüber: Niemand hat Normalität gepachtet, normal kann auch anders sein.

Celeste Ng, die selber als Chinesin in den USA aufwuchs, weiss, wovon sie in ihrem mehrfach prämierten–und bereits in 20 Sprachen übersetzten–Erstlingsroman schreibt.

Celeste Ng: «Was ich euch nicht erzählte»; Roman, aus dem Amerikanischen übersetzt von Brigitte Jakobeit. München, 2016; im Deutschen Taschenbuchverlag.

Giovanna Riolo ist ehemalige Leiterin der Deutschen Bibliothek Freiburg.

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