Ich bin ein vorbildlicher Vater, scheint mir. Es heisst in der postmodernen Erziehungsliteratur, man soll sein Kind ernst nehmen und ihm Vernunft bescheinigen. Das tue ich, es bleibt mir ja nichts anderes übrig. Meine Tochter schlägt mich mit der unwiderlegbaren Kraft des Faktischen. Beispiele erwünscht? Ich versuche meiner bald vierjährigen Vorlauten zu drohen: «Wenn du weiter schreist, rufen wir den Onkel Martin, der ist bei der Polizei.» Sie: «Nein, der ist in Amerika in den Ferien.» Super. Sie durfte weiter schreien. Anderes Beispiel: «Kind, komm her und räume deine Tasche weg.» Sie: «Nein, das dauert mir zu lang.» Ich habe die Tasche weggeräumt, da meine Tochter leider gerade keine Zeit dafür hatte. Ich hoffe, das ist nachvollziehbar. Episode drei, ich: «Kind, zieh dein Pyjama an!» Sie läuft gerade mit einem alten Teenager-BH herum und bekundet: «Ich muss zuerst Lea stillen.» Sorry, wusste ich nicht. Lea ist eines ihrer vielen Puppen-Kinder. Was soll ich sagen? Gegen so gutes Argumentieren ist kein Kraut gewachsen. Da sitzt man als Elternteil am kürzeren Hebel. Und es gibt nur einen Weg aus dem Dilemma: Man nimmt sein Kind ernst und tut, was es sagt. Und liest zur Beruhigung seiner Seele Ratgeberliteratur.
- Freiburg/Strassburg
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