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«Wir gingen nicht gern, aber wir mussten»

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

«Beim Abschied habe ich meinen Vater zum ersten Mal mit Tränen in den Augen gesehen.» So beginnt Josef Stulz seine Erzählung über die Erlebnisse an der Grenze während des Zweiten Weltkriegs. 1916 in Alterswil geboren, musste er als 23-Jähriger einrücken. Mit ihm sein sieben Jahre älterer Bruder, der Melker des väterlichen Hofes und zwei Pferde. «Mein Vater blieb zurück mit einem alten Knecht und mit meiner Schwägerin.» Josef Stulz’ Mutter war gestorben, als er drei Jahre alt war. «Auf meinen Vater kam eine harte Zeit zu. Und er hatte Angst um uns.» Auch er selbst und seine Kameraden hätten sich gefürchtet. «Wir gingen nicht gerne, aber wir mussten.»

 Viele Entbehrungen

Die Sätze des 98-Jährigen sind kurz, lange Pausen liegen dazwischen. Gefühle formuliert er kaum–dafür glänzen seine Augen bei gewissen Erinnerungen wässrig, oder sein Blick schweift gedankenverloren ins Leere. Und wenn ihn etwas besonders bewegt, fährt er mit seinem Rollstuhl ein paar Zentimeter vor und zurück, vor und zurück.

Josef Stulz erinnert sich klar an die Ereignisse, obwohl sie über 70 Jahre zurückliegen. Die erste Station des Dragoner-Schwadrons 6 lag im Waadtland. Die Truppe blieb jeweils nur einige Wochen an einem Ort, zog immer weiter, bis nach Schaffhausen. Meist schliefen die Soldaten bei einem Bauern im Stroh. «Wir mussten immer zuerst einen Platz für das Ross finden, dann konnten wir für uns schauen.»

Einmal seien die Soldaten in Tafers stationiert gewesen. «Wir erhielten zu dritt ein Zimmer, Bett gab es aber nur eines. Also habe ich gefragt, ob ich meines zu Hause in Alterswil holen gehen kann.» Er erhielt die Erlaubnis. «Mit Ross und Wagen holte ich mein Bett.»

Die Soldaten führten ein Leben voller Entbehrungen. Sie schliefen im Schnee, sie schwitzten in der Sonne. «Hunger leiden mussten wir eigentlich nicht.» Auch wenn das Essen manchmal knapp gewesen sei und das mit Kartoffeln zubereitete Brot schnell säuerlich, «es ging».

Löcher als Versteck

Jeden Morgen erhielten die Soldaten einen Tagesbefehl. Der Tag begann oft mit ein, zwei Stunden Morgenturnen, weiter ging es mit einigen Stunden Reiten, dann folgten Schiessübungen. «Wir mussten auch oft Löcher graben zum Verstecken. Wir mussten oft in diese Löcher.» Die Soldaten lebten in ständiger Angst. «Wir konnten oft nicht schlafen.» Der Krieg jenseits der Grenze war nicht zu überhören, Schüsse bildeten stetige Hintergrundgeräusche. «In Courgenay dachten wir: Jetzt kommen sie.» Ein alter Mann sei in ihrer Nähe umhergeirrt und habe ständig gemurmelt: «On a la guerre.»

 Zu direkten Kontakten «mit dem Feind» sei es jedoch kaum gekommen. «Mussten Sie auch auf Leute schiessen?»–«Ja», antwortet er, und fügt augenzwinkernd an: «Aber nur mit blinden Patronen.» Dann wird er nachdenklich, schweigt. Sagt dann: «Es wäre uns nichts anderes übriggeblieben.»

Heirat im Krieg

Regelmässig erhielten er und sein Bruder Urlaub von den Einsätzen. Nie gleichzeitig, das war praktisch für die Zurückgebliebenen. «Nach Hause gingen wir nicht, um uns auszuruhen.» Auf dem Hof sei viel Arbeit liegen geblieben. Stulz konnte in den Urlauben auch sein Pferd nach Hause nehmen. «Das musste oft bis in die Nacht hinein arbeiten», erzählt er. Tagsüber auf dem väterlichen Hof, danach bei den Nachbarn.

 Mitten in der Kriegszeit heiratete Josef Stulz die Tochter des Nachbarn; 1943 kam die erste gemeinsame Tochter zur Welt. Das Einrücken sei so noch schwieriger geworden, erzählt er. An der Grenze habe er sich oft Gedanken um die Familie gemacht. 1945 kam die zweite Tochter zur Welt, eine freudige Erinnerung. Das Kriegsende hingegen ist Stulz nicht als besonderes Ereignis im Gedächtnis geblieben. «Es war nicht von einem Tag auf den anderen. Wir mussten einfach immer seltener einrücken. Aber natürlich waren wir froh, als es zu Ende war.»

Die Erlebnisse an der Grenze verfolgten Josef Stulz auch nach 1945 ständig. Seinen sieben Kindern und seiner Frau erzählte er oft davon. Regelmässig traf er sich mit den Kriegskameraden. Früher pilgerten sie jedes Jahr gemeinsam zur Stätte des heiligen Bruder Klaus nach Sachseln, dem sie vertraut hätten. «Aber jetzt lebt kein Kamerad mehr.»

Auch sein Pferd Joggi war ihm an der Grenze wichtig. «Es war ein schwarzes Pferd, mit einer weissen Blesse und weissen Fesseln», erzählt er stolz. Der Abschied vom Pferd sei ihm schwergefallen. «Er wurde 17-jährig, ich wusste, er hatte seinen Dienst getan.» Doch zu Hause sein konnte er nicht, als Joggi eingeschläfert wurde.

Die letzten Zeugen

Heute interessiert er sich immer noch für die Berichte über die beiden Mobilmachungen. Für Dokumentationen im Fernsehen sei sein Gehör zu schlecht. Zeitungsartikel hingegen lese er so viele er könne. Auf den Gedenkanlass in Tafers ist er gespannt. Er will teilnehmen und die Ausstellung besuchen. Und er freut sich, andere Wehrmänner zu treffen. Denn wie er sind sie die letzten Zeugen dieser Zeit.

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