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«Wir können nicht wissen, wie sich das Virus in Zukunft entwickeln wird»

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Der Kantonsarzt Thomas Plattner spricht im FN-Interview über die vergangenen zwei Corona-Jahre. Welche Noten er dem Bundesrat gibt, wie er die aktuelle Situation einschätzt und womit wir in Zukunft noch rechnen müssen.

Thomas Plattner, vor zwei Wochen hat der Bundesrat beschlossen, die meisten Massnahmen aufzuheben. Was halten Sie als Freiburger Kantonsarzt davon?

Das war sicher die richtige Entscheidung.

Ursprünglich wollte der Bundesrat auch für den öffentlichen Verkehr die Maskenpflicht abschaffen. Die Kantone waren dagegen. Was denken Sie?

Ich finde es sehr gut und wichtig, dass im ÖV weiterhin eine Maskenpflicht gilt. Im ÖV kann ein Sicherheitsabstand nicht eingehalten werden, was in den meisten anderen Situationen möglich ist. Die Schutzmassnahmen hatten übrigens noch andere Auswirkungen: Im letzten Jahr hat keine Grippewelle stattgefunden. Praktisch alle über Mund und Atemwege übertragbaren Krankheiten haben massiv abgenommen. So gab es beispielsweise keine Ausbrüche von Noroviren in Altersheimen.

Welche Noten würden Sie dem Bundesrat für sein Krisenmanagement geben?

Darf ich bei dieser Frage den Joker ziehen (lacht)? Es steht mir nicht zu, dem Bundesrat Noten zu verteilen. Ich denke, er hat versucht – wie die Kantone – das Beste zu machen.

Persönlich finde ich, dass der Bundesrat keinen schlechten Job gemacht hat.

Denken wir etwa an den Lockdown, der die erste Welle gebrochen hat. Im Rückblick waren sicherlich die meisten Entscheidungen richtig. Auch die Lockerungsschritte haben bisher nicht zu einer Zunahme der Spitaleinweisungen geführt. Wir müssen uns bewusst sein: Die Schweiz ist noch relativ glimpflich durch die Pandemie gekommen. Dabei will ich natürlich all die Opfer, diejenigen, die einen schweren Verlauf hatten oder gestorben sind, nicht vergessen oder ausser Acht lassen.

Wie erklären Sie sich, dass die Schweiz bis jetzt relativ glimpflich davongekommen ist?

Wir konnten von den Erfahrungen in anderen Ländern profitieren. Ich denke da beispielsweise an Italien, das in der Lombardei schon sehr früh sehr stark unter den Folgen von Corona zu leiden hatte. Wir hatten in der Schweiz also rund drei Wochen Vorlaufzeit und konnten schon erste Lehren ziehen.

Wenn Sie die vergangenen zwei Jahre Revue passieren lassen: Worauf sind Sie besonders stolz?

Ich bin stolz – nicht auf mich selbst, aber auf die gesamte Equipe, die wir in den vergangenen zwei Jahren aufgebaut haben. Die zahlreichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben hervorragende Arbeit geleistet. So hat zum Beispiel laut einer Studie von Avenir Suisse kein Kanton im Jahr 2021 so lange und so anhaltend geimpft wie der Kanton Freiburg.

War die Impfquote in anderen Kantonen nicht teilweise höher als in Freiburg?

Freiburg war am Ende 2021 auf dem neunten Platz der Kantone mit den meisten doppelt geimpften Personen. Beim Boostern sind wir zu Beginn nicht so schnell vorwärtsgekommen wie andere Kantone.

Wir waren diejenigen, die zu Beginn der Impfkampagne am schnellsten die Menschen in den Altersheimen, also die besonders gefährdeten Personen, durchgeimpft hatten.

Wie geht es weiter mit dem Impfen?

Wir betreiben weiterhin die beiden kantonalen Impfzentren in Bulle und Granges-Paccot. Das Impfbedürfnis hat nachgelassen, deshalb haben wir die Kapazitäten reduziert. Ich rechne aber damit, dass vor den Ferien sich wieder mehr Leute impfen lassen.

Wie viele Personen haben sich im Kanton Freiburg bisher impfen lassen?

70 Prozent der Freiburger Bevölkerung hat mindestens eine Dosis erhalten.

Ist bald ein zusätzlicher Booster ein Thema? So wie in Israel, wo schon zum vierten Mal geimpft wird.

Das wird diskutiert. Im Moment gibt es dazu noch keine Empfehlung. Wir richten uns streng nach den Vorgaben des Bundes und warten ab, was die eidgenössische Kommission für Impffragen dazu sagen wird.

Omikron ist hochansteckend, hat aber meist einen milden Verlauf. Befürchten Sie nicht, dass irgendwann eine Variante auftaucht, die gleichzeitig hochansteckend ist, aber auch einen schweren Verlauf haben wird?

Eine Virusvariante kann besser überleben, wenn sie gut übertragbar ist und ihr Wirt nicht daran stirbt. Ein weniger schwer erkrankter Wirt kann einen Virus viel leichter und länger übertragen als ein schwer erkrankter Patient, der isoliert auf der Intensivstation liegt. Die besten Überträger sind diejenigen, die gar keine Symptome haben und deshalb nicht wissen, dass sie erkrankt sind. Weniger gefährliche Viren können sich somit leichter ausbreiten. Ein Beispiel: Das hochgefährliche Ebolavirus wird sich nie zu einer Pandemie entwickeln können. Die Ebola-Ausbrüche sind stets lokal und zeitlich begrenzt.

Wird das Wissen, wie man mit derartigen Krisen umgehen soll, irgendwie bewahrt? Kann bei einer nächsten Pandemie ein Notfallkonzept aus der Schublade gezogen werden?

Es gibt Pandemiepläne, auch in Freiburg. Wir dürfen nicht vergessen, bereits vor zehn Jahren hatten wir eine Pandemie: das H1N1-Virus, besser bekannt als Schweinegrippe. Diese war glücklicherweise nicht gefährlich. Wir konnten damals schon Lehren aus ihr ziehen. Die Situation ist aber nicht mit der heutigen vergleichbar. Das Virus ist ein anderes, es überträgt sich anders, ist gefährlicher. Bei einer pandemischen Grippe haben wir schneller einen Impfstoff, denn bereits vorhandene Impfstoffe müssen jeweils bloss noch modifiziert werden. Bei Corona hingegen musste ein neuer Impfstoff entwickelt und dieser in Studien auf Wirkung und Sicherheit geprüft werden, was rund ein Jahr dauerte. Man kann nicht einfach einen Pandemieplan aus der Schublade ziehen, sondern muss sich immer an die jeweilige Situation anpassen. Wir dachten ja, nur eine Grippe könne eine Pandemie auslösen, jetzt wissen wir, dass Coronaviren dies auch können.

Wir müssen analysieren, was für Lehren wir aus dieser Pandemie ziehen können.

Klar ist aber auch, dass die nächste Pandemie wieder anders aussehen wird. Sollten wir die Organisation der Taskforce wieder hochfahren müssen, haben wir die Mittel, dies zu tun.

Wie steht es mit Medikamenten, um eine Corona-Erkrankung zu behandeln?

Es gibt vielversprechende Substanzen, die zur Verfügung stehen und angewendet werden. Das Wichtigste ist aber: Die Impfung ist immer noch der beste Schutz vor einem schweren Verlauf.

Stichwort Long Covid, wie viele Menschen sind davon betroffen?

Das ist ein Problem. Einige Spitäler haben schon Long-Covid-Stationen eingerichtet. Schätzungen gehen davon aus, dass zwischen 10 und 15 Prozent aller an Corona Erkrankten von Long Covid betroffen sind. Das hat natürlich auch Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft. Es gibt dazu aber noch zu wenig gesicherte Daten.

Wie kann das Risiko minimiert werden, Long Covid zu bekommen?

Impfen. Man kann nicht voraussehen, wer Long Covid entwickeln wird. Es ist aber erwiesen, dass Long Covid bei Geimpften weniger oft auftritt.

Wegen der Corona-Pandemie mussten bei einigen Patienten andere medizinische Behandlungen verschoben werden. Wie sehen die medizinischen Folgen aus?

Es gab Fälle, in denen schwere Eingriffe, die aber nicht notfallmässig nötig waren, verschoben werden mussten. Natürlich kann dies im Einzelfall zu grösseren Komplikationen führen. Denken wir an eine Krebserkrankung, die sich ohne Operation weiter ausbreiten könnte. Ein anderer Aspekt ist, dass Personen wegen der Pandemie Angst hatten, für Untersuchungen zum Arzt oder ins Spital zu gehen. Darunter kann die Früherkennung und die Behandlung leiden.

Wie sieht die Situation in den Freiburger Spitälern aus?

Das ist für uns der wichtigste Indikator. In den Spitälern haben wir im Moment noch keinen Rückgang der Hospitalisierungen. Wir hatten in den letzten Wochen immer so zwischen 80 bis 90 Fälle. Auf der Intensivstation ist man auch stabil auf tieferem Niveau, es nimmt aber im Moment nicht ab. Im Universitätsspital Lausanne wurde sogar wieder eine Zunahme festgestellt. Wir dürfen uns nicht täuschen lassen: Die Pandemie ist noch nicht vorbei, das Virus wird nicht verschwinden.

Im Moment sind Millionen von Menschen auf der Flucht. Viele Grossanlässe werden wieder durchgeführt werden. Bald kommt die Ferienzeit. Wie sehen Sie die Zukunft?

Der Rückgang hat in den letzten Tagen stagniert. Wir hatten wieder rund 600 Fälle pro Tag. Eine Erklärung ist sicher die Aufhebung der Massnahmen. Man hat aber auch gesehen, dass die Omikronvariante viel weniger gefährlich ist und zu weniger Hospitalisierungen führt. Die Immunität der Bevölkerung ist sehr gut. Deshalb ist nicht anzunehmen, dass es mit den gegenwärtig vorherrschenden Varianten wieder zu einer massiven Welle kommen wird. Es kann aber sein, dass ein Virus entsteht, das dieser Immunität ausweichen kann.

Glauben Sie, dass sich die Situation wie letztes Jahr im Herbst wieder verschärfen könnte?

Wie das Grippevirus, ist auch das Covid-Virus ein saisonales Virus, das in der kalten Jahreszeit zunimmt. Die Leute sitzen mehr drinnen und sind näher zusammen. Deshalb ist im Herbst wieder mit einer Welle zu rechnen. Die kantonale Taskforce ist nach wie vor im Einsatz, wir impfen weiter, und wir sind bereit. Wir können aber nicht wissen, wie sich das Virus in Zukunft entwickeln wird. Mit gewissen Unsicherheiten müssen wir leben.

Zum Schluss, was raten Sie der Bevölkerung?

Personen mit Risikofaktoren sollten sich unbedingt weiterhin schützen. Und die Impfung ist der beste Schutz.

Zur Person

Thomas Plattner

Thomas Plattner ist seit 2020 Freiburger Kantonsarzt. Bevor er zum Kantonsarztamt berufen wurde, war Plattner Vorsteher des Amts für Gesundheit, nachdem er seinen Posten als stellvertretender Kantonsarzt im Jahr 2018 nach zehn Jahren verlassen hatte. Dr. Plattner hat seine Ausbildung 2002 mit dem Facharzttitel für Rechtsmedizin abgeschlossen. Bis 2008 war er während sechs Jahren als Chefarzt am Institut für Rechtsmedizin der Universität Bern tätig. Der 53-Jährige besitzt fundierte Erfahrungen im Krisenmanagement. Er ist auf das Management der öffentlichen Gesundheit spezialisiert und absolvierte unter anderem eine Weiterbildung als Master of Public Health. Plattner hatte bisher keine Covid-Infektion.

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