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«Wir müssen auch die positiven Effekte der invasiven Arten berücksichtigen»

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Fremde Tier- und Pflanzenarten gelten gemeinhin als Gefahr für die einheimische Flora und Fauna. Forscher an der Universität Freiburg haben nun ein Klassifizierungsschema entwickelt, das auch die positiven Effekte dieser Arten berücksichtigt.

Gebietsfremde Tiere und Pflanzen, sogenannte invasive Arten, werden in der Regel als Bedrohung für die lokale Tier- und Pflanzenwelt angesehen. Ein Beispiel dafür ist der Kamberkrebs, ein aus Nordamerika stammender Flusskrebs, der inzwischen seinen einheimischen Verwandten, den Edelkrebs, fast vollständig verdrängt hat. In den Schlagzeilen war jüngst auch die Quagga-Dreikantmuschel, die sich rasant in Schweizer Seen ausbreitet und das Seeökosystem beeinflusst. Die Weltnaturschutzorganisation IUCN hat deshalb 2020 ein Klassifizierungssystem für invasive, gebietsfremde Arten eingeführt: EICAT (Environmental Impact Classification of Alien Taxa). Mit dem EICAT-System, an dessen Entwicklung Freiburger Forscher massgeblich beteiligt waren, lassen sich gebietsfremde Arten einfach und objektiv nach der Art und dem Ausmass ihrer Auswirkungen klassifizieren.

Dabei wurden aber bisher nur die negativen Auswirkungen berücksichtigt. Invasive Arten können aber auch positive Effekte auf die heimische Biodiversität haben. Um diese positiven Effekte berücksichtigen zu können, haben jetzt die Biologen der Universität Freiburg ein neues Instrument zur Klassifizierung entwickelt: EICAT+.

Den massgeblichen Anteil an der Arbeit hat Giovanni Vimercati, Postdoc am Departement für Biologie der Universität Freiburg. Der Leiter der Forschungsgruppe, Professor Sven Bacher, erklärt im Interview, was das Revolutionäre am neuen Klassifizierungsschema EICAT + ist und wieso man von einem Paradigmenwechsel sprechen kann.

Sven Bacher, invasive Tiere und Pflanzen haben keinen guten Ruf. Sie gelten als Bedrohung einheimischer Arten. Dabei sind sie nicht einfach nur schädlich. Haben invasive Arten in Wirklichkeit mehr positive Effekte als bisher angenommen? 

Es ist so, dass den positiven Auswirkungen heute mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird. Dies wurde in der Vergangenheit vielleicht etwas vernachlässigt. Denken wir beispielsweise an Gartenpflanzen. Wir können in Schweizer Gartencentern heute 30’000 verschiedene Pflanzenarten kaufen. Die meisten Pflanzen in Schweizer Gärten sind exotische Gewächse. Einige dieser Pflanzen breiten sich auch über den Gartenzaun hinweg in der Natur aus. Manche davon haben sehr attraktive Blüten, und die Bestäuber wie beispielsweise Bienen oder Schmetterlinge profitieren davon. Ob sie jetzt mehr oder weniger als von einheimischen Blüten profitieren, darüber wissen wir noch sehr wenig. Und genau da kann unser Schema helfen, solche Aspekte ins rechte Verhältnis zu rücken.

Sie sprechen die in Ihrer Forschungsgruppe entwickelte Klassifizierungsmethode EICAT+ an.

Seit einigen Jahren gibt es das Klassifizierungssystem EICAT, welches aber nur die negativen Auswirkungen der invasiven Arten berücksichtigt. Wie erwähnt, wurde in den letzten Jahren vermehrt festgestellt, dass einige invasive Arten auch positive Effekte haben können. Darüber gibt es unter Fachleuten auch sehr emotional geführte Debatten. Um diese Diskussionen zu versachlichen, ist ein objektives Schema notwendig, mit dessen Hilfe auch die positiven Effekte der invasiven Arten klassifiziert werden können. So haben wir EICAT+ entwickelt.

EICAT+ beurteilt die Auswirkungen nicht heimischer Arten anhand von fünf Abstufungen. Wieso gerade diese Einteilung?

Wir mussten einen Kompromiss finden zwischen Präzision und Machbarkeit. Das führte wohl auch dazu, dass unser Klassifizierungsschema zum globalen Standard wurde.

Um die Naturschutzziele zu erreichen, gilt momentan die Devise: Invasive Arten müssen entfernt werden. In der Schweiz legt man den Fokus auf die gebietsfremden Pflanzen, die sogenannten Neophyten…

Ja, das hat sich historisch so entwickelt. Man weiss, was man machen kann, nämlich, sie rausreissen. Deshalb fliessen dort viele Naturschutzgelder rein. Wir müssen uns aber die Dimensionen vor Augen führen. Wir haben in der Schweiz mehr als 1000 gebietsfremde Arten in der freien Wildnis, also nicht in Gärten, dort haben wir wie erwähnt noch einiges mehr. Wir können nicht 1000 Arten managen. Wir müssen uns auf diejenigen konzentrieren, die wirklich grossen Schaden anrichten. Dank des neuen Schemas können wir die negativen wie auch die positiven Effekte in Zukunft besser einschätzen lernen und entsprechende Entscheidungen treffen. 

Haben Sie konkrete Beispiele für die Schweiz?

Die Goldrute ist so ein Beispiel. Weil sie einheimische Pflanzen verdrängt, wird sie in der Schweiz häufig bekämpft. Auf der anderen Seite ist sie sehr attraktiv für Bestäuber. Sie blüht zu einer Zeit, in der das nicht viele einheimische Arten tun.

Und bei Tieren?

In Seen und Flüssen der Schweiz gibt es invasive Muscheln wie etwa Flohkrebse, die Zebramuschel oder die Körbchenmuschel. Diese filtrieren Wasser und bieten einheimischen Fischen ein erhöhtes Nahrungsangebot. Hier stellt sich wieder die Frage: Überwiegen die positiven oder die negativen Einflüsse? Die «New York Times» brachte in dieser Woche zwei Berichte, in denen invasive Arten einheimische, vom Aussterben bedrohte Arten gerettet haben. Im einem Beispiel konnten Salzwasserkrokodile in Australien ihre Nahrung umstellen auf wilde Schweine. Im anderen Beispiel bieten in Florida wilde Esel eine Nahrungsgrundlage für den Floridapanther, von dem es nur noch 150 Exemplare gibt. Das sind jetzt zwei spektakuläre Beispiele. Wir müssen uns aber generell die Frage stellen, in welchem Masse wir gebietsfremde Arten zulassen wollen. Die momentane Meinung hier ist: Wir sollten möglichst alles verhindern, weil wir die negativen Folgen nicht abschätzen können. Langsam gibt es jetzt einen Paradigmenwechsel: Wir müssen auch die positiven Auswirkungen berücksichtigen, damit wir differenzierte Entscheidungen treffen können. EICAT+ kann von Fachleuten sogar genutzt werden, um zu beurteilen, inwiefern pflanzliche und tierische Arten aus anderen Gebieten helfen können, die gesteckten Umweltschutzziele zu erreichen. 

Die Untersuchung mithilfe des neuen Schemas ist ja erst am Anfang. Haben Sie schon erste Erkenntnisse darüber, bei wie vielen invasiven Arten der negative Aspekt überwiegt?

Ich kann noch keine Zahlen nennen. Nach unserem jetzigen Wissensstand hat aber nur ein kleiner Bruchteil der angesprochenen 1000 gebietsfremden Arten nachgewiesen negative Effekte auf die Umwelt und den Menschen. Was wir noch nicht verstehen, ist, welcher Teil das ist. Verallgemeinerungen sind schwierig: Ich kann nicht sagen, generell sind Käfer kein Problem, oder Muscheln stellen häufiger ein Problem dar als Säugetiere. Wir verstehen noch zu wenig, welche Arten unter welchen Umständen die grossen Probleme verursachen. Unser Schema ermöglicht es aber jetzt, dass wir in Zukunft diese Dinge besser untersuchen können.

Zur Person

Sven Bacher

Sven Bacher ist seit 2007 Professor im Departement für Biologie der Universität Freiburg.

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