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«Wir ordnen’s. Es zerfällt.»

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Gastkolumne

«Wir ordnen’s. Es zerfällt.»

Autor: Hubert Schaller

Es ist schön, wenn alle Dinge immer an ihrem Platz sind. Ich meine nicht bloss die materiellen Dinge, sondern auch die geistigen. Ordnung schafft Vertrauen. Vertrauen beruhigt. Ruhe stärkt den Seelenfrieden. Ordnung, Vertrauen, Ruhe, Frieden: eine Kausalkette, die nicht schwer zu begreifen ist, oder? Ja, wenn es mit dem Begreifen getan wäre! Schön wär’s, wenn die Dinge schön an ihrem Platz blieben und unsere mühsam geordnete Welt Bestand hätte. Weit gefehlt! Ständig funkt uns jemand dazwischen.

Wenn du den Schraubenzieher brauchst, hängt er bestimmt nicht am Brett. Zack – Unordnung! Wenn du dir endlich eine abschliessende Meinung über die demokratische Revolution in Nordafrika oder den gesundheitsfördernden Genuss von Rotwein gemacht hast, rennen dir aktuelle Meldungen oder neue Statistiken alle Überzeugungen nullkommaplötzlich über den Haufen. Zack – Unordnung! Hat dich die Atomlobby endlich von der absoluten Gefahrlosigkeit der Kernenergie überzeugt, zack – Fukushima! Kaum haben dir die Sonntagszeitungen ein klares Bild vom niederträchtigen Dominique Strauss-Kahn und einem armen, missbrauchten Zimmermädchen vermittelt, stellen die Montagszeitungen alles wieder auf den Kopf: «Der arme, missbrauchte Dominique Strauss-Kahn in den Fängen eines niederträchtigen Zimmermädchens». Zack – Unordnung! Hast du im Staatskundeunterricht gelernt, dass zwischen einem CVP-Mitglied und einem SVP-Mitglied absolut keine Verwechslungsmöglichkeit besteht, zack – Parteiwechsel! Und da soll es einer schaffen, Ordnung in diese chaotische Welt zu bringen.

Es ist, als ob es jemand Tag und Nacht darauf abgesehen hätte, die Dinge von ihrem angestammten Platz wegzurücken, nur um uns zu ärgern. Als ob ein ganzes Heer von Maulwürfen an der Arbeit wäre, um unsere Weltordnung zu untergraben und sie immer wieder gefährlich ins Wanken zu bringen. Wer glaubt, die Welt zu kennen, hat sie schon gründlich verkannt. Ständig sind wir damit beschäftigt, aus dem Scherbenhaufen unserer zertrümmerten Ordnungen neue Ordnungen zu errichten. Was heute gilt, wird morgen widerrufen, und was morgen widerrufen wird, wird übermorgen vielleicht schon wieder gelten. Wir kennen das vom Minirock, von der antiautoritären Erziehung, den Religionskriegen, dem (Geld-)Adel, der sexuellen Revolution. Nichts bleibt, wie es ist, und doch hat das Neue die fatale Tendenz, immer wieder in die alten Bahnen zurückzukehren: der gewählte Nationalrat Christoph Blocher ist der abgewählte Bundesrat Christoph Blocher ist der neu gewählte Nationalrat Christoph Blocher ist der abgewählte …usw. usf. Und plötzlich weiss ich nicht mehr, was mich mehr beunruhigt: das neue Alte oder das alte Neue oder beides. Jedenfalls habe ich mich mittlerweile daran gewöhnt, dass die Dinge ständig ein wenig ver-rückt sind und darauf warten, in eine wie auch immer geartete Ordnung zurechtgerückt zu werden. Eine Sisyphus-Arbeit, die Rainer Maria Rilke einmal so auf den Punkt gebracht hat: «Wir ordnen’s. Es zerfällt. Wir ordnen’s wieder und zerfallen selbst.»

 

Hubert Schaller unterrichtet Deutsch und Philosophie am Kollegium St. Michael. Er ist unter anderem Autor der Gedichtbände «Trommelfellschläge» (1986) und «Drùm» (2005). Als Kulturschaffender ist er in einem FN-Kolumnistenkollektiv tätig, das in regelmässigem Rhythmus frei gewählte Themen bearbeitet.

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