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Wozu dient ein Galgen, wenn niemand daran hängt?

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Historisch fassbar ist Apollonia mit den Beinamen Souvey (Schuwey) und Sumi in den Ratsmanualen, den Beschlussprotokollen des Freiburger Kleinen und Grossen Rates. Im Ratsmanual von 1641 wird kurz von ihrer Befragung als Hexe berichtet. Trotz Folterung ist Apollonia kein Geständnis zu entlocken. Sie wird freigelassen und kehrt nach Jaun zurück. Nach einer Bewährungsfrist von drei Jahren wird sie 1644 erneut angeklagt, nach Freiburg gebracht und befragt. Geistig und körperlich gebrochen durch tagelange Folterungen, legt sie ein umfassendes Geständnis als Hexe ab. Sie wird am 8. Oktober 1644 dazu verurteilt, am Galgen stranguliert und dann verbrannt zu werden. Das Todesurteil wird in ihrem Heimatort Jaun vollstreckt.

Erzwungenes Geständnis

«Leg ein umfassendes Geständnis ab!» – besser würde es heissen: «Wiederhole, was man dir in den Mund legt!» So soll Apollonia mit dem Teufel im Bund gestanden sein. Sie soll als Hebamme Mütter und Kinder sterben gelassen, den Kranken verhexte Suppe verabreicht, Kühen die Milch versiegt oder einem Hengst die Kraft geraubt haben.

Das Geständnis zeigt, dass Apollonia wohl tatsächlich über gewisse medizinische Kenntnisse verfügte und eine geschickte Hebamme war. Davon geht auch Monique Senn-Buchs in ihrem Roman «Hexenmühle» aus. Sie lässt ihre Romanheldin als lebensfrohe junge Frau aufwachsen. In einer Zeit, in der sich die gesellschaftliche und politische Situation im abgeschlossenen Jauntal als schwierig gestaltet: Eben haben einige Jauner den Aufstand gegen die Obrigkeit in Freiburg gewagt und beharren auf ihren Freiheitsrechten. Die Aufständischen kommen mit harten Geldstrafen, aber immerhin mit dem Leben davon. Als Warnung lässt die städtische Obrigkeit in Jaun einen neuen Galgen errichten. Doch wem dient ein Galgen, wenn niemand daran hängt?

Apollonia ereilt ein vielfaches Schicksal: Trotz Warnung des Pfarrers geht sie auf den Chilbi-Tanz und verliebt sich in einen jungen Burschen aus Saanen, einen Neugläubigen. Als der Vater sie mit einem angesehenen Jauner verheiraten will, schlägt sie diesen Wunsch aus und bekennt, dass sie schwanger sei. Aus dem elterlichen Haus verjagt, flüchtet sie zu ihrem Liebhaber nach Saanen, wo sie von dessen Familie liebevoll aufgenommen wird. In der Aufregung verliert sie ihr Kind, konvertiert zum neuen Glauben, heiratet und wird Mutter. In Saanen bekommt sie Gelegenheit, den Dorfarzt auf Krankenbesuchen zu begleiten. Er führt sie in die medizinische Kunst und die Geheimnisse der Geburtshilfe ein.

Doch ihr Glück ist von kurzer Dauer. Bei einem Unfall verliert sie ihren Mann. Der Bruder holt die junge Witwe samt Kind heim nach Jaun. Obwohl sie zum alten Glauben zurückfindet, einen Witwer mit zwei Kindern heiratet und versucht, ein normales Leben zu führen, begegnet ihr die Bevölkerung mit Misstrauen. Zwar spricht sich bald herum, dass sie eine geschickte Hebamme sei und auch sonst über medizinische Kenntnisse verfüge. Vor allem die Frauen wissen ihre Kunst zu schätzen. Doch man geht ihr aus dem Weg und tuschelt hinter ihrem Rücken.

Sehr oft wird sie nur in Notfällen und erst, wenn Hilfe ohnehin zu spät kommt, gerufen. Es ist ein Einfaches, ihr dann die Schuld für den Tod eines Schwerkranken oder einer Kindbettfrau in die Schuhe zu schieben. So geschehen auch bei Statthalter Cottier: Dessen junge Frau lag mit einem Kind in Steisslage im Kindbett. Als Apollonia eintraf, war die Situation aussichtslos; Mutter und Kind starben. Der Statthalter konnte den Schmerz über den Verlust nicht überwinden und schob die Schuld am Tod seiner Lieben auf die Hebamme. Die Gerüchteküche brodelte, und die Hexenjagd kam in Jaun voll in Fahrt.

Späte Einsicht

Die angebliche Hexe endete schliesslich unter den neugierigen Blicken der Bevölkerung am Galgen. Ratlos stehen die Leute da, als das Urteil vollstreckt ist. Wollte es die Obrigkeit in der Stadt mit ihrem Urteil den Jaunern nochmals zeigen? Diesem Bauernvolk im hintersten Krachen, das gewagt hatte, gegen die hohen Herren zu rebellieren? Der Roman endet mit den Sätzen: «Man geht heim zu, gesenkten Hauptes. Keiner sagt ein Wort. Was gibt’s noch zu sagen? Ist man froh, sie endlich los zu sein? Ihr nicht mehr aus dem Weg gehen zu müssen? Oder spürt man schon den Klotz im Hals, der nie mehr weggehen wird? Das schlechte Gewissen, das sich melden wird, weil man sich nicht getraute zu ihr zu stehen? Weil man selbst Vermutungen äusserte?»

Der Roman «Hexenmühle» ist in einer klaren und verständlichen Sprache geschrieben. Monique Senn-Buchs hat die Zeitumstände des Hexenprozesses von Jaun gründlich recherchiert und die damalige politische, kirchliche und gesellschaftliche Situation glaubhaft dargestellt. Die Einschübe und die verschiedenen Erzähl­ebenen erschweren das Lesen ein wenig. Aber die Gestaltung eines Romans gehört zu den Freiheiten einer Autorin.

Monique Senn-Buchs: Hexenmühle. Apollonia – Hebamme von Jaun; swiboo.ch 2016, 104 Seiten.

Zur Person

Lehrerin und Reiseleiterin

Monique Senn-Buchs wurde 1942 im Schulhaus Fang/Jaun als Tochter des dortigen Lehrers Raymund Buchs geboren. Sie wuchs im Fang auf und war nach ihrer Ausbildung dort auch als Lehrerin tätig. Nach der Heirat zog sie ins aargauische Gansingen. Später war sie als Reiseleiterin und Therapeutin tätig. Sie ist Mutter von drei erwachsenen Kindern und zehnfache Grossmutter.

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