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Wunschzettel fürs neue Jahr

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Gastkolumne

Autor: Martin Schick

Wunschzettel fürs neue Jahr

Wenn ich mir fürs neue Jahr etwas wünschen dürfte, dann wäre es mehr Zeit. Mein Tag würde idealerweise nämlich so aussehen: ausschlafen, gesund frühstücken, eine anständige Zeitung lesen (nacheinander, versteht sich), dann ein paar Körperübungen oder sogar Yoga, Meditation wär auch nicht schlecht. Danach mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Stadt zur Arbeit fahren (denn wohnen tät ich natürlich auf dem Land), die «20 Minuten» links liegen lassen und statt dessen aus dem Fenster schauen oder gleich alle Exemplare einsammeln und zur Papiersammlung bringen.

Die Altglasflaschen von Zuhause nähm ich gleich mit und würde sogar das Papier wegkratzen und die Deckel sorgfältig entfernen. Ich würde mich auf jedes Gespräch einlassen, das sich ergibt, und überhaupt ganz spontan agieren, vielleicht mal aussteigen und einen Spaziergang machen bei interessantem Wetter, würde stehen bleiben beim SMS-Schreiben, nein: gleich eine Postkarte kaufen und verschicken, würde mich hinsetzen für die Zigarette und hätte genügend Zeit, um das Kleingeld aus der Hosentasche zu kratzen für den Geiger an der Ecke, würde die Musik geniessen und jedem Sympath, der eine Unterschrift will, aufmerksam zuhören, um dann gewissenhaft Ja oder Nein zu sagen.

Dabei sind die Gesichtsmuskeln immer noch entspannt und die Frisur sitzt (ansonsten ginge ich zum Friseur, kein Problem!). Erst 10 Uhr laut Wunschzettel. Das reicht noch, um vors Bundeshaus zu stehen und für mehr Schulhäuser oder sowas zu schreien oder überhaupt einfach mal eine Abstimmungsbroschüre ganz durchzulesen im Versuch, die Politik zu verstehen und zu wissen, was ich eigentlich genau in die Urne werfe. Ich hätte Zeit, mir eine ganz eigene Meinung zu bilden. Nun aber an die Arbeit: Acht Stunden mindestens, sonst kommt man zu nichts, am liebsten etwas Ideologisches, Journalismus, Kindergärtner oder Kunst oder so.

Danach müsst ich dann noch ein paar Stunden etwas machen, womit man auch Geld verdienen kann, aber da Zeit Geld ist, hätt ich ja folglich auch mehr Geld. Und mit dem Geld würd ich mir dann wiederum Zeit kaufen und die Zeit würde sogar ausreichen, ganz irrationale, tolle Dinge zu tun: Sport, Fernsehen, jeden Samstag Rasenmähen, Spritztouren im Auto, nur wegen dem billigen Hotdog zu Ikea fahren, sonntags zur Kirche gehen, nur um gesehen zu werden und so weiter – was wär ich glücklich!

Ach ja, und ich hätte endlich Zeit, all die Prospekte im Briefkasten zu studieren und die verschiedensten Angebote der Supermärkte zu vergleichen, könnte also Geld und logisch Zeit sparen. Zum Einkaufen würd ich dann allerdings die Haushaltshilfe schicken, überhaupt würde ich Putzen, Kochen, Wohnungseinrichtung und diese lästigen Dinge in Auftrag geben und hätte endlich Zeit für Langeweile, Zweifel, Drogenexperimente oder eine Sitzung beim Psychiater; Zeit für Kopfschmerzen, eine Luxusdepression, Zeit für die Börse und ein Abendessen mit dem Steuerberater. Und ich könnte mich endlich stressfrei aufregen über das falsch geparkte Auto vor der Tür, den Namen zur Nummer rausfinden und ihn anzeigen; und dabei würd ich alles, was ich tue, auf Facebook «posten», damit ich auch viele Freunde hätte – und die würden wiederum meinen Erfolg garantieren, damit jemand auch meine Kunst kauft, so hätt ich noch mehr Geld und könnte die FN (oder die BAZ) aufkaufen und meine fundierte eigene Meinung verbreiten.

Ganz vergessen: Eine Beziehung mit Zeit für lange Gespräche und viel Sex hätt ich auch noch, und Kinder (wo sollen die noch rein im Morgenprogramm?) und ausreichend Aufmerksamkeit, Liebe und lange Gutenachtgeschichten – und vor dem eigenen Schlafengehen bliebe noch Zeit für Zehennägel und Zahnseide.

Obwohl: Das könnten dann auch Angestellte machen, dann würds nämlich noch knapp reichen, um eine bessere Kolumne zu schreiben oder sie wenigstens mehrmals durchzulesen vor dem Druck. Was doch nichts verbessern würde. Vielleicht wünsch ich mir für 2011 doch besser ganz einfach den Weltfrieden.

Martin Schick ist Theater- und Filmschauspieler. Er wuchs in Tafers auf und lebt derzeit hauptsächlich in Berlin. Als Kulturschaffender ist er in einem FN-Kolumnistenkollektiv tätig, das in regelmässigem Rhythmus frei gewählte Themen bearbeitet.

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