Autor: Imelda Ruffieux
Auch im Staatswald im Höll-bachgebiet hat Lothar vor zehn Jahren gewütet. Auf der hinteren linken Seite des Tales hat er auf einer Fläche von etwa 24 Hektaren praktisch sämtliche der vor rund 80 bis 90 Jahren aufgeforsteten Rottannen umgemäht. Das war für die Verantwortlichen des Staatswaldes die Gelegenheit, die bereits vorher diskutierten Pläne für ein Naturreservat umzusetzen, wie Anton Thalmann, Forstingenieur des zweiten Forstkreises, ausführt.
Zu käferfreundlich
Im Nordosten wurde eine Fläche von zehn Hektaren Wald nach dem Sturm geräumt. «Durch die Lage ist das Klima dort recht feucht und darum sehr anfällig für den Befall durch den Borkenkäfer», erklärt Anton Thalmann. «Die Wurzeln der umgefallenen Bäume befanden sich teils noch im Boden, hatten also noch Saft, so dass sich in ihnen der Käfer massiv hätte vermehren können.»
Um zu verhindern, dass der Borkenkäfer sich von dort auf die ganze Waldfläche ausbreitet, wurden in diesem Abschnitt 3800 Kubikmeter Holz geräumt.
Nach wenigen Jahren ist dort bereits ein Fortschritt zu sehen: Viele Vogelbeerbäume sind von selber gewachsen. Ihr Laub zersetzt sich gut und trägt zur Bodenverbesserung bei. Zusätzlich sind für die Gewährung der Artenvielfalt Weisstannen und Ahorne gepflanzt worden.
Mehr Sonne: weniger Käfer
Anders präsentierte sich die Situation gleich anschliessend in einem in Südost-Lage befindlichen Waldstück von 14 Hektaren. Dort war es trockener, da die Sonne besser dazu kam, so dass die Bäume weniger lang im Saft liegen blieben und dadurch weniger käfergefährdet waren. Für diese Fläche wurde entschieden, das Fallholz liegen zu lassen.
Anton Thalmann schätzt, dass man etwa 4000 Kubikmeter Holz liegen gelassen hat. Einzig der bestehende Maschinenweg wurde freigelegt, und Bäume, die ihn langfristig zu versperren drohten, gefällt.
Artenvielfalt fördern
Dieses «Lothar-Gebiet» ist heute Teil eines Waldreservats von 160 Hektaren, das im Höllbach im Gebiet Grande Paine-Auta Chia aus dem Gebiet der Gemeinde ausgeschieden wurde. Für 59 Hektaren gilt, dass in den nächsten 50 Jahren keine Eingriffe unternommen werden dürfen. 101 Hektaren wurden als sogenanntes Sonderwaldreservat ausgeschieden.
Dort versucht man, mit gezielten Massnahmen den dichten Baumbestand zu lichten, um so die fehlende Artenvielfalt zu begünstigen. «Ziel ist ein artenreicher Bergwald», erklärt Anton Thalmann. «Je mehr verschiedene Pflanzen, desto besser die Bodenvegetation: Stauden, Hochstauden, Gebüsch usw. Das fördert die Ansiedlung von Kleinstlebewesen, die ihrerseits Insekten anziehen. Danach folgen die Vögel, die Raubvögel sowie das jagdbare Wild. So schliesst sich der Kreislauf», führt der Forstingenieur aus.
Vegetation braucht Zeit
Wie er ausführt, waren recht massive Eingriffe nötig, um diese Verjüngung zu erzielen. Für die Holzschläge wurden in den letzten Jahren Seilbahnen eingerichtet. Es wurden Schneisen geschlagen, die mehr Licht und Wärme auf den Boden bringen. «Es dauert eine Weile, bis sich die Vegetation an die neuen Verhältnisse angepasst hat.»
Gemäss Anton Thalmann hat der Sturm Lothar die Einrichtung des Waldreservats etwa um zwei bis drei Jahre beschleunigt. Der Bund machte damals viel Geld locker, um die Räumungsarbeiten in den Wäldern zu unterstützen. Es wurde damit auch eine Forderung von Naturschützern erfüllt, die verlangten, dass zehn Prozent der Waldfläche der Natur überlassen werden soll. Als Ausgleich sollten die Waldbesitzer entschädigt werden. Mittels Staatsratsbeschluss im November 2003 ist das Waldreservat auf dem Gebiet der Gemeinde Cerniat rechtskräftig geworden.
Borkenkäfer-Schäden
Nicht nur beim Entscheid, ob die vom Sturm betroffene Fläche geräumt werden soll oder nicht, war der Borkenkäfer ein Hauptthema. Wie Anton Thalmann ausführt, sei ein Waldgebiet gleich anschliessend an die sturmgeschädigten Flächen zwei, drei Jahre nach Lothar stark vom Käfer befallen gewesen. «Diese Bäume waren wohl durch den Sturm schon etwas geschwächt. Der Sturm hat sie gehörig geschüttelt, aber nicht umgeworfen», führt er aus. Durch den Hebeleffekt seien die Wurzeln gelockert gewesen – ein gefundenes Fressen für den Borkenkäfer. «Wir mussten befürchten, dass der Käfer sich auf das ganze Höllbachgebiet ausdehnt, also auch ausserhalb des Reservates.» Das hätte für die Schutzfunktion des Waldes verheerende Auswirkungen gehabt. «Deshalb waren sehr grosse Eingriffe nötig.» Auf einer Fläche von neun Hektaren wurden 5800 Kubikmeter vom Käfer befallenes Holz gefällt.
Die Bilanz am Ende ist ernüchternd: Von den rund 100 Hektaren Flächenschäden entfielen 53 Hektaren direkt auf den Sturm selbst und weitere 47 Hektaren auf Käferschäden.