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«Zivilen Ungehorsam zeigen»

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«Zivilen Ungehorsam zeigen»

Autor: Nicole Jegerlehner

Sie hatte damals ihrem Chef angekündigt, dass sie am 14. Juni nicht zur Arbeit erscheinen, sondern streiken werde. Gabriela Progin war 1991 32 Jahre alt und hatte einen fünfjährigen Sohn. Sie arbeitete zu fünfzig Prozent im Sekretariat eines kantonalen Amtes und zu 25 Prozent bei der Gewerkschaft VPOD.

Streit ums Plakat

Der Amtsleiter konnte das Verhalten dieser Sekretärin gar nicht nachvollziehen. Gabriela Progin hängte in ihrem Büro ein Plakat in Weltformatgrösse auf, das die Frauen zum Streik aufrief. Ihr Chef riss es herunter; Progin klebte es wieder an die Wand; der Chef riss es wieder herunter – so ging es hin und her bis zum 14. Juni. Als Progin dann tatsächlich nicht zur Arbeit erschien, sondern mit unzähligen anderen Frauen in violetten T-Shirts auf den Freiburger Georges-Python-Platz zog, schrieb ihr der Chef einen Brief: Sie solle sich lieber um ihre Fruchtbarkeit kümmern, als sich für Frauenrechte einzusetzen.

«Zeigen, dass wir existieren»

Gabriela Progin aber war der Streik wichtig. «Das war die Idee der damaligen Nationalrätin Christiane Brunner: Wir Frauen zeigen, dass wir existieren, und gehen auf die Strasse.» Um acht Uhr morgens besetzten die Frauen den Eingang zur damaligen Epa und Placette; «die Geschäfte konnten erst eine halbe Stunde später als sonst öffnen». In der Post zeigten sich die Gewerkschafterinnen mit Putzwägelchen. «Unsere Aktionen waren frech-fröhlich.»

Rückblickend sagt Gabriela Progin: «Damals gab es noch viel zu tun.» Sie war vor zwanzig Jahren auch dabei, als eine Kindertagesstätte gegründet wurde. Die Freiburger Kindergärtnerinnen beispielsweise erstritten sich im November mehr Lohn. Und der Kanton Freiburg führte unter der SP-Staatsrätin Ruth Lüthi eine Mutterschaftsversicherung ein, bevor eine nationale Lösung gefunden wurde. «Auch das war eine Folge des Frauenstreiktags», sagt Progin.

Was Gabriela Progin vor zwanzig Jahren auch gelernt hat: «Es gibt Frauen, die wollen von Gleichstellung nichts hören.» Für sie sei bis zum Frauenstreiktag klar gewesen, dass alle hinter den Forderungen für Gleichberechtigung stünden. «Doch bei meiner Arbeit für die Gewerkschaft merkte ich, dass nicht alle Frauen diese Anliegen verstehen.» Und sie hat auch gemerkt: «Ohne Männer ist Gleichstellung nicht möglich.» Nur die Zusammenarbeit zwischen den Geschlechtern mache einen Fortschritt möglich.

Jubiläums-Streik

Heuer jährt sich der Frauenstreiktag zum zwanzigsten Mal. Die Gewerkschaft Unia ruft wieder zum Streik- und Aktionstag auf, an dem die Farbe Violett dominieren soll. Der 14. Juni steht dieses Jahr unter dem Motto «Anpfiff für faire Frauenlöhne». Um 14.06 Uhr werden heute überall Pfeifkonzerte ertönen: Unia hat zahllose violette Trillerpfeifen verteilt, damit die Frauen mit schrillen Pfiffen gegen die ungleichen Löhne protestieren können – ob auf der Strasse oder am Arbeitsplatz. «Die Verkäuferinnen ganzer Coop-Filialen erscheinen heute in Violett und mit dem Frauenstreiktag-Pin zur Arbeit», sagt Corinne Schärer von Unia. Wie viele Frauen aber wirklich mitmachen und wie viele gar ihre Arbeit niederlegen, kann sie nicht abschätzen. «Das war schon vor zwanzig Jahren so: Niemand konnte abschätzen, wie viele Frauen wirklich am Frauenstreik teilnehmen würden.» Damals waren es schliesslich eine halbe Million Frauen.

Keine Provokation mehr

Heuer jedoch scheint die Mobilisierung kleiner zu sein: Im Vorfeld berichteten die Medien kaum über den Frauenstreiktag. «Vor zwanzig Jahren war die Idee, dass die Frauen streiken könnten, eine Provokation», sagt Corinne Schärer. Das sei heute nicht mehr so.

Sie geht davon aus, dass diesmal viele Frauen an ihrem Arbeitsplatz ein Zeichen setzen werden – entweder durch eine kleine Arbeitspause oder mit der Trillerpfeife. «Wenn sich Frauen direkt am Arbeitsplatz so für gleiche Löhne einsetzen, bewegt das etwas – die Chefs kommen unter Druck», sagt Schärer. Die Gewerkschafterin hofft, dass die Betriebe die Lohngleichheit untersuchen werden – mit dem Softwareprogramm Logib. «Dieses zeigt auf, wo konkret Lohnungleichheiten bestehen.» In der nächsten Lohnrunde könne der Betrieb dann die ungleichen Löhne anpassen.

«Frisch, frech, fröhlich»

In den letzten zwanzig Jahren habe sich einiges verändert, sagt Gabriela Progin. «So gibts heute viel mehr Männer, die mit dem Kinderwagen unterwegs sind.» Doch sei es immer noch meist an den Frauen, sich nebst dem Beruf um Haushalt und Kinder zu kümmern. Da müssten sich aber die Frauen manchmal selber bei der Nase nehmen: «Sie müssen lernen zu delegieren – und es zu akzeptieren, wenn das Haus anders geputzt ist, als wenn sie selber geputzt hätten.»

Gabriela Progin streikt heute nicht: «Ich habe am Dienstag sowieso immer frei.» Sie wird, genau wie vor zwanzig Jahren, wieder auf dem Georges-Python-Platz anzutreffen sein. «Ich finde, dass man ab und zu mit gutem Beispiel vorangehen und frisch, frech und fröhlich zivilen Ungehorsam zeigen sollte», sagt sie. «So kann eine Wirkung erzielt werden.»

Dieses Bild des FN-Fotografen Charles Ellena vom Frauenstreiktag 1991 in Bösingen wurde damals mit dem Preis für besondere Leistungen im Bildjournalismus ausgezeichnet.

Die Forderungen: Gleiche Rechte in der Realität

Zu Beginn ein kleines Rätsel: Ein Mann holt seinen Sohn mit dem Auto vom Fussballtraining ab. Auf der Rückfahrt verunfallen sie. Der Mann stirbt sofort, der Knabe wird verletzt ins Spital gebracht. Der diensthabende Chirurg wird zur Operation gerufen – doch er sagt: «Ich kann nicht operieren, das ist mein Sohn.» Wer ist der Chirurg?

Nicht nur auf dem Papier

1971 wurde das Frauenstimmrecht eingeführt, zehn Jahre später der Gleichstellungsartikel in der Verfassung verankert. Trotzdem verdienten Frauen 1991 immer noch weniger als Männer und erhielten oft auch für die gleiche Arbeit weniger Lohn. Erwerbstätige Eltern hatten es schwer, da es kaum Kindertagesstätten gab. Väter arbeiteten selten Teilzeit; und die es taten, wurden als «Softies» belächelt. Darum gingen am 14. Juni eine halbe Million Frauen auf die Strasse. Sie forderten gleiche Rechte – nicht nur auf dem Papier. Sie wollten gleichen Lohn für gleiche Arbeit, gleiche Karrierechancen, neue Rollenbilder, eine neue Arbeitsverteilung in der Familie. Vieles hat sich seither bewegt; seit 1996 gilt das Bundesgesetz zur Gleichstellung, der Mutterschaftsurlaub wurde eingeführt. Doch noch immer gibt es Lohnunterschiede, arbeiten mehr Frauen als Männer Teilzeit, kümmern sich mehr Frauen als Männer um die Kinder, sitzen mehr Männer als Frauen in Chefetagen. Und darum rufen die Gewerkschaften heute wieder zum Frauenstreik auf.

Die Lösung

Des Rätsels Lösung: Der Chirurg ist die Mutter des Knaben. Wer das nicht erraten hat, muss zugestehen, dass die deutsche Sprache männlich geprägt ist – und dass sie unser Bewusstsein prägt. Werden weibliche Formen nicht benutzt, denkt auch niemand an Frauen. Diese Sprachenfrage war in den 1990er-Jahren virulent; heute wird belächelt, wer konsequent weibliche Formen benutzt. Und doch werden die wenigsten an eine Chirurgin gedacht haben, als sie das Rätsel gelesen haben. njb

Primarschülerin: Französisch nur für die Buben

Vor zwanzig Jahren besuchte ich die sechste Klasse in Nuglar (SO). Zweimal in der Woche hatten wir in einem anderen Zimmer Französischunterricht. Da ging es immer etwas lockerer zu und her als in den normalen Schulstunden. Insbesondere in diesem Frühsommer, denn wir standen vor dem Übertritt in die Bezirksschule und hatten schon ein wenig mit der Primarschule abgeschlossen. Wir Mädchen hatten uns für diesen Tag Grosses vorgenommen: unseren ersten Streik. Einen Mädchenstreik für die Französischstunde am Frauenstreiktag. Natürlich stand ich unter dem Einfluss meiner grossen Schwester, sie ist sechs Jahre älter, als ich die Mitschülerinnen dazu überredete mitzumachen. Etwas nervös und vom eigenen Mut überrascht, erklärte ich als zwölfjähriges Mädchen dem Französischlehrer: «Wir Mädchen streiken heute, weil Frauenstreiktag ist.» Seine Reaktion war rückblickend fantastisch. Er legte so viel Coolness an den Tag, wie dies ein Primarschullehrer nur kann: Die Buben mussten seine Fragen beantworten, uns Mädchen aber liess er streiken..hpa

Maturandin: Das Recht auf Streik

Damals, mit knapp zwanzig Jahren, der Kopf voller Ideen und Ideale, organisierten wir am Gymnasium Neufeld in Bern den Frauenstreiktag: Die Eingangshalle war um sieben Uhr voller Stellwände mit Informationen zu Fragen wie der Stellung der Frau in der Gesellschaft, zur männlich geprägten Sprache, zu Geschlechterstereotypen. Die Ausstellung wurde rege besucht – wir organisierenden Schülerinnen waren stolz. Und dabei hatte der Rektor des Wirtschaftsgymnasiums unsere Aktionen noch fast verhindert: Vor dem Streiktag kam bei der Lehrerschaft die Frage auf, wie die Streik-Absenzen zu behandeln seien. Unentschuldigte Absenzen sehen im Maturazeugnis schlecht aus, fand der Rektor – und wollte darum grosszügig allen frei geben. Doch wir forderten unser Recht auf Streik. Und vor allem wollten wir im Gymnasium unsere Meinung kundtun – was wir dann auch konnten, da der Rektor nach unserer vehementen Intervention doch keinen Freitag gab. Und so zogen wir gegen zehn Uhr streikend in die Stadt, ins bunte Getümmel, und feierten den Frauenstreiktag.njb

Journalistin:Frauenpower auf dem Python-Platz

Eigentlich hätte ich vor 20 Jahren auch streiken sollen. Und mich auf dem Freiburger Python-Platz mit den Frauen solidarisch zeigen, die violette T-Shirts trugen, und das Transparent mit der Aufschrift «Wenn Frau will, steht alles still» hochheben sollen. Nun aber war ich damals mit dem Mikrofon unterwegs. Habe für Radio Freiburg Stimmen und Meinungen eingefangen. Schliesslich mussten die Freiburger wissen, dass sich auch hierzulande was tut.

Auf dem Georges-Python-Platz wimmelte es von Frauen – Junge, Ältere, Mütter, Politikerinnen, Rädelsführerinnen waren da. So glaube ich mich auch an die Gewerkschafterin und Rednerin Christiane Brunner zu erinnern.

Wortgewandt zeigten sich die CVP-Frauen Freiburgs: Eine Vereinigung die in den 1990er-Jahren aktiv war, Frauen mobilisierte und auf die Strasse lockte. Leider ist es um sie still geworden. Das Gremium sei eingeschlafen, sagte mir eine ehemalige CVP-Frau kürzlich. Zurecht oder nicht? Vieles ist erreicht. Und: «Am Ende wird nichts vollkommen gewesen sein», wie es in einem alten Film heisst. im

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