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«Zu 90 Prozent gleicher Meinung»

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Die SVP ist sich Gegenwind gewöhnt. So alleine wie jetzt stand sie aber schon lange nicht mehr da: Alle anderen Parteien sowie zahlreiche Organisationen wehren sich gegen die Durchsetzungsinitiative der Volkspartei.

 

 Christine Bulliard, Sie sind gegen die Durchsetzungsinitiative. Wollen Sie kriminelle Ausländer nicht ausschaffen?

Christine Bulliard-Marbach:Doch, das will ich. Wer kriminell ist, muss dafür bestraft werden. Doch das ist bereits mit der Umsetzung der Ausschaffungsinitiative gewährleistet.Die Durchsetzungsinitiative ist irreführend. Sie behauptet, der Volkswille werde mit dem Gesetz zur Ausschaffungsinitiative nicht umgesetzt; das stimmt aber nicht, das Gesetz erfüllt den Volkswillen. Es sieht zusätzlich eine Härtefallklausel vor. Es ist am Parlament, Gesetze zu erlassen. Und nicht am Volk, in der Verfassung gesetzesähnliche Texte festzuschreiben.

Jean-François Rime:Doch. Das Volk kann in der Verfassung Regelungen einführen und festschreiben, dass diese im Gesetz nicht verändert werden dürfen. So werden Initiativen richtig umgesetzt. Wir wollen einen Automatismus: Wir wollen, dass Ausländer automatisch ausgeschafft werden, wenn sie bestimmte Taten begehen. Die Richter finden sonst immer Entschuldigungen für diese Leute. Wir aber wollen an die Opfer denken, nicht an die Täter.

Bulliard:Ich bin einverstanden: Wir sollten an die Opfer denken. Aber das tun wir ja bereits mit der Umsetzung der Ausschaffungsinitiative, da braucht es die Durchsetzungsinitiative nicht. Die SVP hätte das Referendum ergreifen können gegen das Gesetz, welches das Parlament zur Ausschaffungsinitiative erlassen hat. Aber sie hat eine neue Initiative ergriffen, ohne zu schauen, wie sich die erste auswirkt.

Rime:SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga versucht, die Ausschaffungsinitiative nicht umzusetzen, so wie auch die Richter. Die Richter äussern sich sogar öffentlich gegen die Initiative. So etwas habe ich noch nie erlebt: Alle sind gegen die SVP-Initiative, die Behörden, die Justiz, alle anderen Parteien.

 

 Jean-François Rime, in der Schweiz kann das Volk zwar Ja oder Nein sagen zu einer Initiative. Am Schluss ist es aber am Parlament, einen Kompromiss zu finden und einen Gesetzestext zu entwerfen. Warum stellt die SVP dieses bisherige Vorgehen infrage, gegen den Widerstand aller anderen?

Rime:Das Gesetz zur Ausschaffungsinitiative entspricht nicht dem Volkswillen.

Bulliard:Warum nicht?

Rime:Immer finden alle Entschuldigungen für die Täter. Es gibt jedoch Momente, in denen Leute gehen müssen.

Bulliard:Es wird aber auch Leute geben, die durch alle Instanzen gehen und ihre Ausschaffung anfechten werden. Das bringt hohe Kosten mit sich. Hält die SVP aus Populismus daran fest? Im Katalog der Delikte sind viele leichte Delikte aufgeführt, die es möglich machen, Ausländer der zweiten und dritten Generation wegen leichter Vergehen auszuschaffen–zum Beispiel, wenn sie Bier stehlen.

Rime:Das wird nicht passieren. Wir wollen einen Ausschaffungs-Automatismus; so hätten auch die Richter weniger Arbeit. Ich bin überzeugt, dass eine harte Gesetzgebung einige Leute dazu bringt, sich vorsichtiger zu verhalten und nachzudenken, bevor sie Dummheiten begehen. Schauen Sie den Deliktkatalog doch einmal an: Da sind sexuelle Handlungen mit Kindern, Vergewaltigung und Mord aufgeführt.

Bulliard:Diese Delikte werden auch mit dem Gesetz zur Ausschaffungsinitiative geahndet. Aber wir wollen gleich harte Strafen für alle und nicht spezielle Regeln für Ausländer, auch nicht für Secondos.

Rime:Wenn Sie sich umschauen, sehen Sie, dass in den Städten katastrophale Zustände herrschen, beispielsweise am Samstagabend in Lausanne oder Genf. Die Kriminalitätsrate ist dort sehr hoch. Wir müssen reagieren. Wir wollen nicht Verhältnisse wie in Marseille.

Bulliard:Auch da bin ich mit Ihnen einverstanden. Aber all das erreichen wir bereits mit dem Gesetz zur Umsetzung der Ausschaffungsinitiative. Sagt das Volk am 28. Februar Nein, kann das Gesetz auf 2017 hin in Kraft treten. Stimmt es aber für die Durchsetzungsinitiative, geht der Gesetzgebungsprozess von neuem los, und es gibt Verzögerungen. Dabei hätten wir mit der Ausschaffungsinitiative die richtigen Leitplanken.

Rime:Zu 90 Prozent sind wir gleicher Meinung. Wir wollen aber die automatische Ausschaffung. Sonst machen Richter wieder nur Familie und Gesellschaft für das Verhalten der Täter verantwortlich und weisen die Täter nicht aus. Es geht uns nicht um Schokolade-Diebstähle am Kiosk.

Bulliard:Doch, genau solche Beispiele gibt es. So würde auch eine alleinerziehende Ausländerin, die kaum Geld hat und statt der 300 Franken, die sie monatlich beim Putzen verdient, dem Sozialamt nur 200 Franken angibt, ausgeschafft.

Rime:Das glaube ich nicht. Alle Juristen suchen jetzt nach den unmöglichsten Beispielen, um die Initiative zu bekämpfen.

Bulliard:Es ist problematisch, dass die SVP leichte Delikte aufnimmt, um so Migranten einfacher ausschaffen zu können. Ebenso problematisch ist, dass die SVP kein Vertrauen in Richter, Parlament und Bundesrat hat–sie alle sprechen sich gegen die Durchsetzungsinitiative aus. Auch für die Wirtschaft ist die Initiative schädlich; sie schafft Rechtsunsicherheit. Warum nehmen Sie als Präsident des Gewerbeverbandes nicht Stellung gegen die Initiative?

Rime:Beim Gewerbeverband haben wir ganz andere Sorgen als die Durchsetzungsinitiative; deshalb haben wir keine Parole herausgegeben. Wir äussern uns zu Themen, die das Gewerbe direkt betreffen. Wenn sich nun die Linke im Zusammenhang mit der Durchsetzungsinitiative Sorgen um die Wirtschaft macht, dann muss ich lachen. Gerade die Linke hat Initiativen lanciert, die der Wirtschaft wirklich schaden.

 

 Haben Sie das Gefühl, dass die Initiative am 28. Februar angenommen wird?

Rime:Ich hoffe es. Es würde jedoch auch bedeuten, dass das Volk kein Vertrauen in die politischen Behörden und die Justiz hat.

Bulliard:Vor wenigen Wochen war die Zustimmung zur Initiative noch sehr gross; neuste Umfragen zeigen, dass sich das Blatt langsam wendet. Ich hoffe, dass die Bevölkerung den Richtern, der Regierung und dem Parlament vertraut und Nein sagt.

Die Richter finden immer Entschuldigungen für die Täter.

Jean-François Rime

SVP-Nationalrat

Die Ausschaffungs- initiative ist irreführend.

Christine Bulliard-Marbach

CVP-Nationalrätin

Generalstaatsanwalt: «Initiative ist total unverhältnismässig»

D ie Schweizerische Staatsanwälte-Konferenz stellt sich in einer Medienmitteilung gegen die Durchsetzungsinitiative der SVP. «Die Initiative ist total unverhältnismässig», erklärt Fabien Gasser, Generalstaatsanwalt des Kantons Freiburg. «Mit dem Ziel, richtige Kriminelle auszuweisen, nimmt die Initiative auch Kleindelinquenten ins Visier.» So werde mit Kanonen auf Spatzen geschossen.

Gasser befürchtet, dass die Durchsetzungsinitiative dazu führen würde, dass junge Erwachsene, die in der Schweiz aufgewachsen sind, wegen einiger Jugendsünden des Landes verwiesen würden. «Familien würden auseinanderbrechen, die Jungen müssten in ein Land, zu dem sie kaum einen Bezug haben.»

Der Freiburger Generalstaatsanwalt geht davon aus, dass die Durchsetzungsinitiative der Justiz deutlich mehr Arbeit bringen würde. Geht es um Diebstahl oder Schlägereien, wird dies heute meist mit Strafbefehlen geregelt. «Wenn jedoch eine Ausschaffung droht, wird der Verurteilte alle Rechtsmittel ergreifen, die er hat – und bis vor Bundesgericht gehen», sagt Gasser. Anstatt also nur die Staatsanwaltschaft zu beschäftigen, ginge ein Fall von der Staatsanwaltschaft über Bezirks-, Kantons- und Bundesgericht. «Und meist mit Pflichtverteidigern, die der Staat bezahlen muss.»

Gassers Beispiele

Um die Unverhältnismässigkeit der Durchsetzungsinitiative zu illustrieren, gibt der Generalstaatsanwalt folgende Beispiele: Zwei Gruppen von Jugendlichen verhauen sich gegenseitig – «was regelmässig vorkommt», wie Gasser sagt. Die Schweizer erwartet eine kleine Strafe, die Ausländer werden ausgeschafft. «Dabei stellt eine Schlägerei doch kein grosses Vergehen dar», so Gasser. Auch Profisportler könnten betroffen sein: Ein Ausländer des Eishockeyklubs Gottéron enteist an einem Wintermorgen seine Frontschreibe nicht richtig – er wird zu einer Busse verurteilt. «Wird er später wegen eines brutalen Fouls zu einer Strafe wegen Körperverletzung verurteilt, muss er ausgeschafft werden.»

Die Ausschaffungsinitiative von 2010 sei nicht so weit gegangen wie nun die Durchsetzungsinitiative, sagt Gasser. Das Parlament habe aufgrund der Ausschaffungsinitiative ein Gesetz ausgearbeitet, das dafür sorge, dass kriminelle Ausländer ausgeschafft würden – aber nicht Kleindelinquenten. «Dieses Gesetz liegt bereit – wer am 28. Februar Nein stimmt, sagt Ja zu diesem Gesetz.» njb

Zur Vorlage

Die SVP steht alleine da–und ist gespalten

Die Durchsetzungsinitiative der SVP entstand, weil die Partei nicht zufrieden war mit dem vom Parlament verabschiedeten Gesetz zurAusschaffungsinitiative, die im November 2010 angenommen worden war. Die SVP stört, dass das Gesetz den Richtern einen gewissen Spielraum lässt: In Härtefällen – etwa wenn der Betroffene in der Schweiz geboren wurde und hier eine Familie hat – können die Richter von einer Ausschaffung absehen. Eine solche Härtefallklausel war 2010 vom Stimmvolk abgelehnt worden; das Parlament wollte jedoch das in der Bundesverfassung verankerte Prinzip der Verhältnismässigkeit wahren und Völkerrecht wie die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), den UNO-Pakt II oder das Schengenabkommen einhalten. DieDurchsetzungsinitiativesieht nun vor, dass bestimmte Straftaten automatisch zu einer Ausweisung führen. Wer eine Vorstrafe hat, muss die Schweiz bereits bei leichteren Delikten verlassen–auch, wenn nur eine Busse ausgesprochen wird. Ausser der SVP sprechen sich alle Parteien gegen die Durchsetzungsinitiative aus. Und auch innerhalb der Partei ist der Rückhalt nicht mehr vollständig: So hatte der Zürcher SVP-Nationalrat Hans-Ueli Vogt angeregt, dass kriminelle Ausländer, die in der Schweiz geboren und aufgewachsen sind–die Secondos–, nicht ausgeschafft werden. Auch der Berner Regierungsrat Christoph Neuhaus und sein Schaffhauser Kollege Ernst Landolt stellten sich öffentlich gegen die Initiative. Die Initianten wollten «ein schädliches Zweiklassensystem einführen», sagte Neuhaus; er hingegen wolle ein Strafrecht, das alle Menschen gleich hart bestrafe, unabhängig ihrer Staatsangehörigkeit.njb

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