Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

Zustände wie in der Dritten Welt

Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Zustände wie in der Dritten Welt

Über die Kindersterblichkeit und das Hebammenwesen im Kanton Freiburg

Im Vergleich zu anderen Kantonen war die Kindersterblichkeit in Freiburg bis um 1950 die höchste. Mangelnde Hygiene war ein Grund. Über Kindersterblichkeit und Hebammen sprachen am Dienstag die Historikerin Catherine Bosshart-Pfluger und der Historiker Alain Bosson.

Von IRMGARD LEHMANN

«Wir verdanken unser Leben der Hygiene und den sorgenden Händen einer Hebamme»: Mit diesen Worten begrüsste am Dienstagabend François Guex, Präsident des Geschichtsvereins, die rund 60 Anwesenden zum zweisprachigen Anlass im Centre Le Phénix. Dass es tatsächlich so war, wurde bald einmal klar.

Denn bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts lag die Kindersterblichkeit im Kanton Freiburg deutlich über dem schweizerischen Mittel. Um die Jahrhundertwende sind von 100 Kindern (Tod im ersten Lebensjahr) über 17 gestorben. Das schweizerische Mittel lag allerdings bei rund 12. Die Sterblichkeit nahm fortlaufend ab, war aber in Freiburg immer noch höher als anderswo: 1940 starben 7,3 Kinder (schweizerisches Mittel: 6).

Und wo liegt die Erklärung hiefür? «Freiburg war bäuerlich geprägt und die Bevölkerung war vorwiegend katholisch», räumt der Historiker Alain Bosson ein. Zürich als Industriekanton habe beispielsweise in den 30er- Jahren eine Kindersterblichkeit von «nur» 4 Prozent gekannt. Dazu ein pikantes Detail: «Im Seebezirk war die Kindersterblichkeit immer tiefer als etwa im Sensebezirk», fügt Bosson bei.

Die hohe Kindersterblichkeit bis etwa 1920 lag vorab an der fehlenden Hygiene. Dem Stillen mass man wenig Bedeutung zu. «Die Frauen mussten zur Arbeit gehen und so fehlte ihnen vielfach die Zeit.» Der Säugling wurde mit Kuhmilch ernährt. Das Sterilisieren von Saugflaschen und Nuggis kannte man nicht.

Der Staat hat wohl entsprechende Massnahmen ergriffen. Doch mit wenig Erfolg. Um das Jahr 1890 verteilten die Zivilstandsbeamten im Kanton eine erste Broschüre. «Doch das Informationsblatt zuhanden der Mütter wurde kaum gelesen», bemerkt der Historiker. Um 1920 wurde die Aktion eingestellt.

Eine Wende brachte allerdings die Eröffnung des Kantonsspitals im Jahre 1920 mit der ersten Geburten-und Säuglingsabteilung. 1903 wurde in Freiburg ebenfalls die erste Haushaltungsschule eröffnet mit einem Lehrgang in Kinderpflege. «Man hat eingesehen», so Bosson, «dass künftige Mütter geschult werden müssen.»

60 Prozent der jungen Männer
waren krank oder schwach

«Hier im Kanton hatten wir ähnliche Zustände wie in der Dritten Welt», stellt Bosson fest. Und das inmitten einer blühenden Schweiz, wo Universitäten entstanden und die Industrialisierung zügig voranging. Im sozialen Bereich lag allerdings vieles brach. Dass es auch mit der Gesundheit der Jugendlichen nicht zum Besten stand, zeigte die Rekrutierung im Jahre 1892. Von den aufgebotenen 19 000 Jünglingen wurden nur gerade 7600 rekrutiert. «Rund 60 Prozent mussten ausgemustert werden», erzählt Bosson, «weil sie ein Leiden hatten, krank oder schwach waren».

Kein regelmässiger Schulbesuch

Auch mit dem Schulbesuch nahm man es nicht so ernst. «Bis in die 50er-Jahre war der regelmässige Schulbesuch keineswegs die Norm», bemerkt Alain Bosson.

Die Kinder mussten zuhause helfen und das Fernbleiben wurde allgemein akzeptiert.
Hebammen nur von Frauen gewählt

Der Beruf der Hebamme ist seit der Antike bekannt. Und bis ins 20. Jahrhundert hatten die Frauen und nicht die Obrigkeit das Sagen: In der Schweiz wurde die Hebamme von den Frauen gewählt.

Strenge Sitten herrschten in alten Zeiten. Vorab, was die Mutterschaft betraf. So musste die werdende Mutter der Hebamme die Schwangerschaft zwei Monate vor dem Geburtstermin mitteilen. Auch der Name des Vaters musste bei einer ausserehelichen Geburt offen gelegt werden. Widersetzte sich eine Gebärende diesen Vorschriften, so hatte sie mit Sanktionen zu rechnen, sagt die Historikerin Catherine Bosshart-Pfluger. «Keine Hebamme stand dann bei der Geburt zur Seite.» Entsprechende Zeugnisse aus dem Jahre 1799 belegen jedenfalls solche Machenschaften.

Bis ins 20. Jahrhundert führte die Hebamme auch eine Kontrollfunktion aus. Sie zeigte die Geburt unehelicher Kinder an, Abtreibung und Kindstötung. Catherine Bosshart: «Die Hebamme führte ebenfalls gynäkologische Untersuchungen durch.

Preisgeld in der Höhe
eines Jahreslohns

In ihrem Vortrag zeigte die Historikerin ebenfalls auf, wie sich der Beruf vom Mittelalter bis in die heutige Zeit entwickelt hat. Die Geschichte um die «beste Leistung» hörte sich dabei besonders spannend an. Im Jahre 1916 (!) wurde auf Vorschlag des Grossen Rates für jene Hebamme, die es schaffte, am meisten Mütter zum Stillen zu bewegen, ein Preisgeld von 500 Franken festgelegt. «Ein schöner Zustupf für die Hebamme, die beispielsweise in den 30er Jahren in Jaun ein Jahresfixum von 500 Franken bezog», meint die Historikerin. (Zum fixen Jahreslohn kamen noch die Bezüge für jede einzelne Geburt hinzu.)

Professionalisierung

Mit der Eröffnung von Hebammenschulen Ende des 18. Jahrhunderts setzte allmählich eine Professionierung ein. Doch bis zur Gründung der ersten schweizerischen Hebammenvereinigung (1894) vergingen nochmals fast 100 Jahre.

Ab 1920 rückte die Hausgeburt in den Hintergrund. Die Frauen zogen Spitalgeburten zunehmend vor.

Kindersterblichkeit und Hebammenwesen – zwei Themen, die zusammengehören. Und das haben vier Frauen am Schluss des Abends mit einem kleinen Theaterstück auf vortreffliche Weise dargestellt.

Organisiert wurde der zweisprachige Anlass vom Geschichtsverein, von der Société d’histoire und vom Verein Frauen in Freiburg. il

Meistgelesen

Mehr zum Thema