Das Orchester bildete mit seiner grossen Blech- und Holzbläserbesetzung den sicheren und lebendigen instrumentalen Untergrund. Viermal hatten die Musiker Gelegenheit, das aufwendige Werk aufzuführen, in Chippis, Evian, Freiburg und Lyon.
Direkte Nähe kennzeichnete das Konzert in der räumlich beschränkten Michaelskirche. Sie verzerrte einmal das überdimensionale Klangvolumen der Fortissimi-Stellen. Sie schuf bei der Begegnung mit den ausserordentlich guten Solisten aber auch packende Nähe. Schelle vermochte die klangliche Balance im Laufe der Zeit auszugleichen.
Das Requiem – ein grandioses Werk
Verdis Requiem, sein Dank an den verstorbenen Dichter Alessandro Manzoni, ist ein grandioses Werk. Er spricht den Zuhörer durch Schreckliches und Tröstliches, Erschütterndes und Hoffnungsvolles an. Menschliches Empfinden spiegelt sich aufs Schönste in innigen Solostellen und melodienreichen Ensembles. Die weise Menschensicht des Komponisten, in der Glut und der Abgeklärtheit der «Aida» gerade unter Beweis gestellt, klingt im Requiem aus jeder Note. Dass er dabei auch mit schaurigen Farben malen kann, schafft spannende Polarität.
Auf Polarität setzte auch Ernst Schelle, der mit leisesten Nuancen die Bitten um ewige Ruhe begann. Die immer wiederkehrenden Schreckensvisionen des «Dies irae» wurden zu einer Klangorgie von wilder Rohheit, die Anrufung des «Rex tremendae majestatis» zu einem bedrohlichen Bild. Schelle hatte den Chor blockweise nach Männer- und Frauenstimmen gruppiert und so einen holzschnittartigen, eindringlichen Klang betont. Zur Doppelfuge des «Sanctus» entflocht er ihn und erreichte eine lichte, wirbelnde Wirkung. Von dramatischer Dichte und überirdischer Transzendenz waren die Schlussbitten des Chores im «Libera me».
Grosse Rollen für die Solisten
Grosse Rollen hat Verdi den Solisten vorbehalten. Hier vollzog sich in der Aufführung Wesentliches. Ursula Füri-Bernhard hatte diesen weit ausschwingenden, lyrisch festen Sopran, der dem Schrecken des Todes widerstand und ihn besänftigte. Liliane Zürcher sang ihre grossangelegte Altpartie mit ausdrucksvoller, warmer Stimme, die in Höhen und Tiefen Substanz hatte. Don Bernadini verkörperte mit gut geführtem, angenehmem Tenor im Belcanto die italienische Seele des Werkes. Michel Brodard, Bass, war ein Gestalter von grosser Sensibilität und Präsenz. Ihm lag beides, dunkle, fahle Gründe und feuriges Aufbegehren. Bewegend, wie diese erfahrenen Sänger miteinander aufs Schönste ihre Stimmen zu natürlichen Strömen menschlicher Empfindungen vereinten.