Schulmaterial, das für den reibungslosen Ablauf des Unterrichts notwendig ist, sowie obligatorische schulische Aktivitäten wie Ausflüge und Lager dürfen in Zukunft den Eltern nicht mehr in Rechnung gestellt werden. Dieser Entscheid des Bundesgerichts vom Dezember 2017 zwingt den Kanton Freiburg, sein Schulgesetz und dasjenige über die Sonderpädagogik anzupassen (die FN berichteten).
«Das Schulgesetz ist erst seit dem 1. August definitiv in Kraft, aber die Dinge entwickeln sich und verlangen bereits verschiedene Anpassungen», sagte Erziehungsdirektor Jean-Pierre Siggen (CVP) gestern an einer Medienkonferenz.
Ab diesem Schuljahr geplant
Um dem Bundesgerichtsentscheid gerecht zu werden, schickt der Staatsrat nun vier Vorschläge in die Vernehmlassung. Gemäss Siggen habe der Staatsrat sich in Absprache mit dem Verband der Freiburger Gemeinden auf zwei statt wie üblich drei Monate Vernehmlassung geeinigt. So könne die Gesetzesrevision Anfang 2019 vor den Grossen Rat kommen. Die Anpassung würde dann rückwirkend auf den 1. Januar 2019 rechtskräftig, und die Finanzierung könnte für das Schuljahr 2018/2019 geregelt werden.
Es geht insgesamt um einen Betrag von 16,2 Millionen Franken: 9,7 Millionen für schulische Aktivitäten und 6,5 Millionen für Schulmaterial. Von diesen 16,2 Millionen Franken haben bisher die Gemeinden 10,3 Millionen bezahlt, die Eltern 5,9 Millionen.
Wer bezahlt wie viel?
Die erste Variante entspricht dem Vorschlag des Staatsrats. Dabei würde der Kanton in Zukunft die Hälfte der Kosten übernehmen, die bisher den Eltern in Rechnung gestellt wurden (FN vom 2.6.2018). Dies entspricht einem Kantonsbeitrag von rund 3 Millionen Franken, während die Gemeinden über 13 Millionen bezahlen müssten.
Die zweite Variante wird vom Freiburger Gemeindeverband vorgeschlagen. Im Sinne einer weiteren Aufgabenentflechtung zwischen Kanton und Gemeinden soll der Kanton die Kosten für das Schulmaterial, also 6,5 Millionen Franken, und die Gemeinden die 9,7 Millionen Franken für die schulischen Aktivitäten bezahlen.
«Ohne rechtliche Basis kann der Kanton gar keine Subventionen leisten.»
Jean-Pierre Siggen
Erziehungsdirektor
Die dritte Variante ist eine Lösung, wie sie beispielsweise der Kanton Genf gewählt hat. Dabei werden alle schulischen Aktivitäten mit mindestens einer Übernachtung für fakultativ erklärt. Das heisst, dass bei Anlässen von mehr als einem Tag Dauer weiterhin die Eltern bezahlen müssten. Der vom Staatsrat beschlossene Subventionsbeitrag von 3 Millionen Franken würde somit gestrichen.
Die vierte Variante geht schliesslich auf eine Motion von Grossrat Jean-Daniel Chardonnens (SVP, Fétigny) zurück. Er möchte, dass der Staat einen Mindestbeitrag von 150 Franken pro Schüler und Jahr zahlt, wenn auch die Gemeinde gleich viel beiträgt. Der Subventionsvorschlag des Staatsrats entspricht bloss 75 Franken pro Schüler und Jahr.
Die Zeit drängt
Wie Siggen sagte, wolle der Staatsrat mit der Vernehmlassung dem Grossen Rat eine breite Entscheidungsgrundlage für die Wahl einer Variante bieten. Der Staatsrat steht nach wie vor zu seinem Vorschlag, den er den Gemeinden zur Erstellung des Voranschlags 2019 frühzeitig mitgeteilt hatte. Er ist sich aber auch bewusst, dass die Gemeinden im Grossen Rat gut vertreten seien, und somit auch deren Variante bei einer Abstimmung gute Chancen habe.
Ohne Gesetz keine Subvention
Die Regierung lege dem Grossen Rat auch deshalb mehrere Varianten vor, damit dieser am Schluss sich für eine entscheiden kann. «Würden wir nur unseren Vorschlag präsentieren und das Parlament diesen ablehnen, so hätten wir keine rechtliche Basis. Dann könnte der Kanton gar keine Subventionen leisten», so Jean-Pierre Siggen.
Kosten
Kanton will Schulkreiswechsel nicht mitfinanzieren
Wenn eine Schülerin oder ein Schüler aus sprachlichen Gründen den Schulkreis wechselt, so werden deswegen keine neuen Klassen eröffnet. Diese Feststellung hat die Erziehungsdirektion gemacht. «Pro Jahr sind nur rund 40 Schüler von solchen Schulkreiswechseln betroffen, und es geht um lediglich fünf Schulen», erklärte Andreas Maag, Vorsteher für den deutschsprachigen Unterricht, an der gestrigen Medienkonferenz. Für solche Wechsel und die damit verbundenen zusätzlichen Kosten seien gemäss einer Verordnung bisher 1000 Franken in Rechnung gestellt worden.
Eine Motion der Grossrätinnen Antoinette de Weck (FDP, Freiburg) und Rose-Marie Rodriguez (SP, Estavayer-le-Lac) hatte verlangt, dass der Staat für solche Schulkreiswechsel und jene im Zusammenhang mit dem Förderprogramm «Sport-Kunst-Ausbildung» jeweils einen Betrag von 4000 Franken übernehmen soll. Gemäss Erziehungsdirektor Jean-Pierre Siggen (CVP) stellt der Staatsrat der Motion nun ein Gegenprojekt gegenüber. So will er an der Begleichung der Kosten für einen Wechsel aus sprachlichen Gründen nichts ändern, hingegen pro Schüler im Förderprogramm die 4000 Franken übernehmen.
In einer Vernehmlassung können die betroffenen Kreise nun mitteilen, welche Variante sie bevorzugen.
Eine weitere Motion der Grossräte Nicolas Kolly (SVP, Essert) und Benjamin Gasser (SP, Villars-sur-Glâne) möchte die Beteiligung der Eltern bei einem Wechsel zur Freien öffentlichen Schule Freiburg auf 1000 Franken beschränken, und jene der Gemeinden auf 3500 Franken. Dies allerdings unabhängig davon, ob es eine Konventionsgemeinde ist oder nicht. Der Staatsrat lehnt dies ab, weil für ihn die Konvention bindend ist.
Unterricht
Zeit für eine Relais-Klasse auf Primarstufe
Schülerinnen und Schüler mit schweren Verhaltensauffälligkeiten, die den Unterricht und das Schulklima erheblich stören, können im Kanton Freiburg für eine gewisse Zeit in einer Relais-Klasse unterrichtet werden. Bisher gibt es zwei solche Klassen in Freiburg und eine in Bulle, allerdings nur auf Orientierungsstufe. «Seit drei bis vier Jahren treten solche Probleme vermehrt auch auf Primarschulstufe auf, und zwar schon ab der Klasse 1H», so Hugo Stern, Verantwortlicher für den französischsprachigen Unterricht. Er erwähnt Schüler, die Scheren nach ihren Mitschülern werfen. Die Schaffung einer Relais-Klasse auf Primarschulstufe sei deshalb grundsätzlich bereits beschlossen. Geklärt werden muss aber noch deren Finanzierung. Der Staatsrat schlägt deshalb vor, dass der Staat und die Gemeinden diese Kosten hälftig teilen.
Schulgesetz
Kein Verbot, aber ein Verzicht auf Süssigkeiten
Schokoladenriegel und Süssgetränke sollen künftig aus den Verkaufsautomaten und Restaurants der Orientierungsstufe verbannt werden. Der Grosse Rat hatte im Frühjahr eine entsprechende Mo-tion der SP-Grossräte Nicolas Repond (Bulle) und Nicole Lehner-Gigon (Massonnens) gutgeheissen. Nun schlägt der Staatsrat die Änderung eines Artikels aus dem Schulgesetz vor. Neu heisst es: «Gemeinden und die Schulleitungen sorgen dafür, dass den Schülerinnen und Schülern an den Schulen eine gesunde Ernährung angeboten wird, indem sie insbesondere darauf verzichten, stark gezuckerte Getränke und Lebensmittel zur Verfügung zu stellen.» Hugo Stern, Verantwortlicher für den französischsprachigen Unterricht, präzisierte: «Es gibt also kein formelles Verbot für die Produkte.» Auch die Verpflichtung, aktiv etwas zu unternehmen, entspreche dem Vorstoss.
Eine weitere Motion der Grossräte Yvan Hunziker (FDP, Semsales) und Ruedi Schläfli (SVP, Posieux) fordert den Staatsrat auf, die Unterrichtszeiten der Orientierungsschulen zu ändern und einen freien Mittwochnachmittag einzuführen. Der Staatsrat möchte nun die Vernehmlassung über Kosten zu Schulmaterial und -anlässen nutzen, auch diese Frage zu prüfen. Laut Stern hätte diese Änderung grosse strukturelle, organisatorische und soziale Auswirkungen.
Häufig um die Ferien herum
Weiter schlägt der Staatsrat vor, Unterricht zu Hause nur noch jahres- oder semesterweise zu bewilligen. Zudem müssen die gesetzliche Bestimmungen eingehalten werden. Die Erziehungsdirektion hat nämlich die Erfahrung gemacht, dass Eltern Gesuche um wochenweises privates Unterrichten häufig für die Zeit vor oder nach Schulferien stellen.