Der Polizeirichter des Seebezirks hatte im Frühjahr 2016 einen vorbestraften Autofahrer wegen versuchter schwerer Körperverletzung und Drohung verurteilt. Das Strafmass betrug 640 Stunden gemeinnützige Arbeit. Die Staatsanwaltschaft bewertete dieses Urteil offensichtlich als zu schwach. Sie legte Berufung ein und forderte eine Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, davon sechs Monate unbedingt. Deshalb befasste sich nun der Strafappellationshof des Kantonsgerichts mit den Vorfällen vom Juni 2013 in Murten.
Einen Schlagstock eingesetzt
Der Beschuldigte fuhr damals kurz nach 17 Uhr von Murten in Richtung Löwenberg. Er war langsam unterwegs und telefonierte. Der hinter ihm fahrende Mann – das spätere Opfer – wollte ihn überholen und fuhr nahe auf. Mit einer brüsken Bremsung signalisierte der vordere dem hinteren Fahrer, er solle mehr Abstand halten. Daraufhin machte der Ausgebremste ein Handzeichen, welches der Vordere als «Stinkefinger» interpretierte. Beide hielten am Strassenrand an und stiegen aus. Es kam zum Streit.
Der später Verurteilte – der vordere der beiden Autofahrer – klemmte seinen Kontrahenten in der Autotür ein. Nachdem dieser sich befreit hatte, zog er einen teleskopisch ausfahrbaren Schlagstock aus dem Auto hervor. Der später Verurteilte schlug ihm diesen Schlagstock aus der Hand und ging nun in die Offensive über. Er schlug mit den Fäusten gegen den Kopf des Gegners und prügelte weiter auf ihn ein, als der Mann schon am Boden lag. Das Opfer – der Fahrer, der ursprünglich überholen wollte und in der Folge die Prügel einstecken musste –, war nach diesem Kampf mehrere Monate lang arbeitsunfähig.
Übertriebene Notwehr
Das Aus-der-Hand-Schlagen des Schlagstocks sei Notwehr gewesen, so die Kantonsrichter. Die folgenden Faustschläge seien jedoch als extensiver Notwehrexzess zu werten. «Eine Notwehrlage ist kein Freipass, um den Angreifer bis zum K. o. und auch noch darüber hinaus zu schlagen», schreibt das Gericht in seinem Anfang November gefällten Urteil. Das Verhalten des Schlägers erinnere mehr an eine Abreibung.
Kritik üben die Richter am Urteil des Polizeigerichts: Die von der Vorinstanz gewählte Strafe erscheine als zu tief. Es sei zu berücksichtigen, «dass der Beschuldigte ein beachtliches Gewaltpotenzial an den Tag legte». Deshalb sei es notwendig, eine Freiheitsstrafe auszusprechen. Das Freiburger Kantonsgericht verurteilte den Beschuldigten zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sieben Monaten.
Freiburger Kantonsgericht, Entscheid 501 2016 54