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Freiburger Untersuchungsrichter wie Napoleon

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Bericht Piquerez/Cornu kritisiert die Freiburger Justiz sehr massiv

Autor: Von ARTHUR ZURKINDEN

«Unter der alten Strafprozessordnung wurde das Untersuchungswesen durch das reine inquisitorische System beherrscht, in dem der Untersuchungsrichter – um eine von Napoleon verwendete Formulierung auf unseren Kanton zu übertragen – der mächtigste Mann im Kanton war. Das Verfahren wurden beinahe wie im 19. Jahrhundert durchgeführt, es war geheim und nicht kontradiktorisch.» Mit dieser für Freiburg nicht gerade rühmlichen Feststellung fassen die beiden Experten Gérard Piquerez, Pruntruter Kantonsrichter, und Pierre Cornu, Neuenburger Staatsanwalt, in ihrem Gutachten das Untersuchungswesen im Kanton Freiburg vor 1988 zusammen. In den folgenden 10 Jahren, als der Untersuchungsrichter nicht mehr zugleich Richter war, hat sich die Situation leicht gebessert. Bedeutende Verbesserungen sind aber erst seit Inkrafttreten der neuen Strafprozessordnung (1. Dezember 1998) eingetreten, doch konnten die beiden Experten immer noch schwerwiegende Mängel in der Führung der Strafuntersuchung ausfindig machen.

Polizei führte Untersuchung durch

Das Gutachten zeigt auf, dass in der Zeit vor dem 1. Dezember 1998 die Richter systematisch Untersuchungshandlungen an die Gerichtspolizei delegiert haben. «Die Untersuchung wurde faktisch durch die Polizei nach deren Gutdünken und mit einigen Ausnahmen ohne wirkliche Kontrolle durch den Richter geführt.»

Die Experten stiessen zudem auf Mängel bei der Festsetzung von Prioritäten. «Manche, eher sensible Fälle wurden vernachlässigt. Die Zeitspanne von 1988 bis 1998 war durch grosse Verzögerungen in der Behandlung zahlreicher Verfahren geprägt, mit den entsprechenden negativen Auswirkungen: vollständige oder teilweise Verjährung mehrerer Verfahren, lange Wartezeiten für die betroffenen Personen, insbesondere für die Kläger oder für die Beschuldigten, die eine längere Untersuchungshaft erdulden mussten.»
Der Bericht zeigt weiter auf, dass das Untersuchungsverfahren noch heute lückenhaft und unbefriedigend ist: «Es kommt vor, dass Aktenstücke, die von Richtern oder von Polizisten als vertraulich klassifiziert werden, dem Dossier nicht beigefügt sind, was dem verfassungsmässigen Verbot von Geheimdossiers widerspricht», schreiben die beiden und bemängeln auch die Protokollführung, die «häufig zu wünschen übrig lässt». «Bei den Anhörungen werden Fragen und Antworten nicht festgehalten, was dem Gesetz widerspricht. Manchmal werden wichtige Fakten, die unbedingt festgehalten werden müssen, nicht protokolliert», weisen die beiden Gutachter auf Mängel hin.
Sie entdeckten ebenfalls, dass vor Ende 1998 manche Richter Untersuchungshaft in missbräuchlicher Weise angeordnet haben, «indem gesetzesfremde Zwecke verfolgt wurden, sei dies durch Inhaftierung aus Gründen, die nicht mit den Anschuldigungen zusammenhingen, oder als Druckmittel zur Erzwingung eines Geständnisses». Sie können aber auch festhalten, dass sich die Lage seit 1998 merklich gebessert hat und die Zahl der Verhaftungen im Jahre 1999 um 50 Prozent zurückgegangen ist.
Bis 1998 wurden oft auch die Verfahrensregeln missachtet. «So wurde der vorgeladenen Person etwa nicht mitgeteilt, in welcher Funktion sie angehört wurde, verdächtigte Personen nicht auf ihr Aussageverweigerungsrecht aufmerksam gemacht oder über die gegen sie erhobenen Vorwürfe nicht klar informiert», stellen die beiden Experten weitere Schwachstellen im Untersuchungswesen fest. Aber es kommt noch happiger: «Die Verfügungen, mit denen Untersuchungshaft angeordnet wird, sind unzureichend begründet, denn die Untersuchungsrichter erläutern nicht konkret, nicht einmal summarisch, inwiefern eine Flucht-, Kollusions- oder Wiederholungsgefahr vorliegen soll. Telefonische Abhörungen wurden auf Grund von vertraulichen Notizen der Polizei angeordnet, welche nicht dem Dossier beigefügt wurden».

Polizeibeamte rechtswidrig
nach Spanien geschickt

Die Gutachter bestätigen auch, dass zwei Untersuchungsrichter in bestimmten Fällen Polizeibeamte ins Ausland geschickt haben, um dort Ermittlungshandlungen vorzunehmen. «Dieses Vorgehen war rechtswidrig, denn die für solche Operationen zwingend notwendige Rechtshilfe wurde nicht angefordert.» Weiter bemängeln sie die Tatsache, dass der Richter in der Strafuntersuchung gegen die Polizisten Paul Grossrieder und Albert Perler dem Polizeikommandant erlaubt hat, den Anhörungen beizuwohnen.

«Scheidung» eingereicht

Die beiden Gutachter Piquerez und Cornu haben auch schwere Missstände in den Beziehungen zwischen den Untersuchungsrichtern und der Polizei aufgedeckt, die besonders seit der Eröffnung verschiedener Verfahren gegen Polizeibeamte entstanden sind.

«Die Äusserungen eines Untersuchungsrichters gegenüber zahlreichen Personen, wonach der Verdacht einer allgemeinen Korruption im Polizeikorps bestehe, hat bestimmt nicht zur Verbesserung der Lage beigetragen, ebenso wenig wie das allgemeine Misstrauen, das dieser Untersuchungsrichter den Polizisten entgegenbringt», schreiben die Gutachter weiter. «Nachteilig ausgewirkt haben sich auch die Meinungsverschiedenheiten im Rahmen grösserer Untersuchungen sowie das absolute Schweigeverbot, das den Polizisten auferlegt wurde», fahren sie fort und stellen fest, dass die Polizisten gar ihre Angehörigen anlügen mussten. «Die Vertrauenskrise zwischen dem Richter… und der Kantonspolizei hat ein Ausmass angenommen, dass der Kommandant von Scheidung gesprochen hat und Polizeibeamte es sich nicht mehr vorstellen können, mit diesem Richter zusammenzuarbeiten», schreiben die Experten weiter und meinen zweifelslos Patrick Lamon, der nun seine Demission eingereicht hat.
Die Gutachter stellen weiter fest, dass in einigen Fällen der Grundsatz der Unschuldsvermutung durch öffentliche Auftritte der Untersuchungsrichter verletzt wurde. «Mehrere Fälle wurden durch gewisse U-Richter in übertriebener Weise mediatisiert. Es wurden Affären auf- gebauscht in dem Sinne, dass die den Medien übermittelten Informationen den Eindruck eines viel schwereren Falles erweckten, als dies tatsächlich zutraf. Auch wurde über das Ausmass gewisser Verfahren ein falsches Bild vermittelt», halten die beiden in ihrem Bericht weiter fest, in welchem sie viele Missstände im Untersuchungswesen vor Ende 1998 aufgedeckt haben.

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