Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

Wenn die Justiz mit ungleichen Ellen misst

Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Am 18. März 1801 wurde Ignace B. in einen Mord verwickelt. Auf einem Jagdausflug entfernte sich B. von seinen Gefährten, um dem Wild an einem Wegrand aufzulauern. Dort traf er auf den Bauern Jacques G. Dieser wurde von Ignace B. gebeten, den Weg zu verlassen, weil er das Wild vertreiben würde. Jacques G. weigerte sich, dies zu tun, es kam zum Streit, der bald eskalierte. B. schoss dem Bauern zwei Mal in die Brust.

 Manche sind gleicher …

 Der Mord wurde in einer monatelangen Strafuntersuchung aufgearbeitet. Ignace B. wurde schliesslich vom Richter zu zehn Jahren Haft verurteilt, die aber aufgrund mildernder Umstände auf acht reduziert wurden. Zur gleichen Zeit wurde ein gewisser Antoni U. ebenfalls des Mordes angeklagt. Im Gegensatz zu B. wurde dieser jedoch für sein Verbrechen zum Tode verurteilt (vgl. FN vom 17. August).

 Im Europa des Ancien Régime war Gerechtigkeit eine Frage der Gesellschaftsschicht. Dem sollte die Helvetische Republik nun ein Ende setzen. Alle Menschen sollten von den Richtern gleichbehandelt werden. Die Mentalitäten änderten sich jedoch nur langsam. Ignace B. und Antoni U. waren beide des Mordes angeklagt. Sie erhielten jedoch ganz unterschiedliche Strafen.

 Wenn man die sozialen Unterschiede zwischen B. und U. betrachtet, darf vermutet werden, dass B. milder bestraft wurde, weil er der sozialen Oberschicht angehörte. Ignace B. hatte im Ancien Régime dem Patriziat angehört und war damit Mitglied einer der mächtigsten Familien von Freiburg. Seine Kooperationsbereitschaft während der Untersuchung allein kann die mildernden Umstände nicht erklären, zumal das Gericht im Urteil bestätigte, dass B. den Tod von Jacques G. hätte vermeiden können. Im Fall U. wurde die Strafe hingegen nicht gemildert. U. war ein Bauergehilfe und gehörte der Unterschicht an.

Unvollständige Revolution

Der Vergleich der Fälle zeigt, dass sich drei Jahre nach dem Umsturz des Ancien Régime im Gerichtswesen nicht alle neuen Grundsätze bedingungslos durchgesetzt hatten. Die grossen Unterschiede in den zwei Verurteilungen sind ein Zeichen dafür, dass die Helvetische Republik es nicht geschafft hat, die alten Unterschiede vor Gericht völlig aufzuheben. Der Fall B. ist mehr als nur ein Mordfall. Er ist ein Beispiel für die Schwierigkeit, die Gleichheit aller Bürger im Gerichtswesen durchzusetzen.

Alexandre Loretan und Lucas Jörg studieren Geschichte an der Universität Freiburg.

Sommerserie

Straffälle zwischen Ancien Régime und Moderne

Basierend auf rund zweihundert Jahre alten Gerichtsakten haben Studierende der Universität Freiburg unter der Leitung von Andreas Behr und Nadja Sutter lokale Strafprozesse rekonstruiert und aufgearbeitet. Daraus sind acht Artikel entstanden, welche die Freiburger Strafpraxis zwischen 1798 und 1803 beleuchten. Die untersuchte Zeitspanne ist deshalb von Interesse, weil das Ancien Régime 1798 gestürzt wurde und ein demokratischer Einheitsstaat nach französischem Vorbild errichtet werden sollte, die sogenannte Helvetische Republik. Viele der angestrebten Neuerungen konnten nicht sofort eingeführt werden und so existierten alte und neue Strukturen eine Zeit lang nebeneinander. Dies galt auch für die Justiz, wie in den behandelten Fällen sichtbar wird.abe/nas

Meistgelesen

Mehr zum Thema