Zwischen Fegefeuer und Leben liegt der Tod. Felicitas hat sich selbst umgebracht. Sie fand keinen Ausweg mehr aus den emotionalen Turbulenzen, die der smarte Domenico in ihr auslöste. Dieser zärtliche, zugleich untreue Verführer hat sie um Herz und Verstand gebracht. Doch dem Tod folgt kein Paradies, sondern bloss eine Arbeitsanstalt.
Auf der Abteilung Supervision F werden unter dem Regime eines Mister John die Frauen beurteilt und aussortiert. Die einen kommen in die Vision, die andern ins Sousterrain. Felicitas fühlt sich wohl auf der Abteilung und geht deren Leiter zur Hand. Das Fegefeuer besetzt die Mitte zwischen Himmel und Hölle. Beides erlebte Felicitas in ihrer Zeit mit Domenico.
Späte Rache
Sandra Hughes schachtelt die beiden Erzählebenen kapitelweise ineinander, bis sie verschmelzen. Dieser Punkt wird erreicht, als Domenico in die Supervision M eingeliefert wird. Felicitas hat daraus längst eine harte Tortur gemacht, der auch Domenico genüsslich unterzogen wird. Doch abermals weiss er sich geschickt rauszuwinden.
«Zimmer 307» ist eine schnell und flüssig erzählte Geschichte, in der die Erzählerin Lust und Schmerz in lakonischer Distanz hält. Aus der Optik nach dem Tod schaut das Vergangene weniger dramatisch aus. Hughes’ Roman spielt mit bekannten Motiven und verfremdet sie durch die Optik von drüben. Das wirkt munter und verspielt, zugleich aber auch vordergründig erzählt. Es kommt, wie es vorherzusehen ist. Das rätselhaft schräge Fegefeuer bleibt dabei wenig beflügelt zwischen Vision und Realität stecken. Die Erzählerin hält sich ans Grobe und Bekannte. Es macht den Anschein, als habe sie davor zurückgeschreckt, in die Tiefe zu bohren. Stattdessen zählt sie auf, wo es amüsanter, aufschlussreicher wäre, wenn sie ungezügelter fantasieren und ausmalen würde. sda
Sandra Hughes: «Zimmer 307». Roman. Dörlemann Verlag, Zürich 2012. 190 S.