Autor: Hubert Reidy
Durch ihr spontan wirkendes, ausdrucksstarkes, die Möglichkeiten des modernen Flügels auslotendes Spiel vermochte Angela Hewitt die Zuhörerinnen im Schloss Autigny zu packen und zu bewegen.
Bachs Klavierwerke erlebten in den letzten Jahren durch zahlreiche Einspielungen und Aufführungen eine echte Renaissance. So hat auch Angela Hewitt den Grossteil der Klavierliteratur Bachs auf CD eingespielt und wird heute als eine der bedeutendsten Bachinterpretinnen wahrgenommen.
Die Interpretation Angela Hewitts
Was ist das Besondere an den Interpretationen Angela Hewitts, so wie sich die Pianistin in Autigny präsentierte? Einige Stichworte: Spontanität, weite dynamische Differenzierung, nuancenreicher Anschlag, klare Artikulation, geschmacksvolle Phrasierungen, eine ausgeprägte Agogik, sparsamer, meist kaum wahrnehmbarer Pedalgebrauch, Transparenz der vielschichtigen Strukturen.
Einige Beispiele: Das eröffnende C-Dur-Präludium wird wie eine Fantasie sehr frei, im Forte eingeführt. In der c-Moll-Fuge wird die Intimität des Beginns zu einem berauschenden Fortissimo fortgesponnen. Ungemein frei, dynamisch variierend, mit bewegendem Schlusspianissimo wird die dis-Moll-Fuge entwickelt.
Äusserst feinfühlig, in zartem Piano, trägt die Pianistin – hier mit hörbarem Pedaleinsatz – das F-Dur-Präludium vor, gefolgt von einem Forte in in der F-Dur-Fuge, das einen harten Gegensatz zum verspielten Präludium bildet.
Gediegene Schlossatmosphäre
Einzelne Zuhörer mögen manche agogische Freiheiten, die zeitweise fast zum «Stillstand» führen können, übertrieben finden: Insgesamt verblüfft die Pianistin aber durch einen Interpretationswillen und ein musikalisches und technisches Können, das die Zuhörerinnen und Zuhörer bewegt und herausfordert.
Ein faszinierend reicher musikalischer Kosmos in der einladenden, warmen Atmosphäre des Schlosses Autigny.