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Wie konnte der «Röstigraben» entstehen?

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Wie konnte der «Röstigraben» entstehen?

Zwei neue Bücher zum Verbindenden und Trennenden in der (Sprach-)Geschichte der viersprachigen Schweiz

Mit ganz unterschiedlichem Ansatz gehen zwei Neuerscheinungen der aktuellen Sprachsituation in der Schweiz nach: Die Neuauflage des Buches «Die viersprachige Schweiz» ist eher sprachhistorisch ausgerichtet und beschreibt alle vier Sprachregionen. Die populärwissenschaftliche, feuilletonartig gehaltene Studie zum «Röstigraben» behandelt vorrangig das Verhältnis zwischen Deutschschweiz und Romandie.

Von HANSPETER VON FLÜE

Mit dem von den Basler Sprachwissenschaftlern Robert Schläpfer und Hans Bickel herausgegebenen Sammelband «Die viersprachige Schweiz» und der Monografie «Röstigraben» von Christophe Büchi liegen zwei potenzielle Standardwerke zur Sprachsituation in der Schweiz vor, die wahrscheinlich schon bald ihren festen Platz in der Handbibliothek jedes Sprachinteressierten einnehmen dürften. Beide Werke sind dieses Frühjahr erschienen und im freien Buchhandel erhältlich.

Die viersprachige Schweiz

«Endlich!», ist man versucht auszurufen: Fast zwei Dekaden nach der seit Jahren vergriffenen Erstauflage liegt «Die viersprachige Schweiz» nun in einer neuen, aktualisierten und überarbeiteten Fassung vor. Seit dem Erscheinen der Erstauflage hat sich die Sprachwirklichkeit der Schweiz weiterentwickelt und verändert, so dass ein blosser Nachdruck der heutigen sprachlichen Situation kaum hätte gerecht werden können. Man denke beispielsweise an die Volksabstimmung über den Sprachenartikel in der Bundesverfassung, an die Einführung des Fremdsprachenunterrichts auf der Primarstufe oder an die Schulversuche zur Einführung des Frühenglischen. Auch an die Situation im rätoromanischen Graubünden, wo die neue Standardsprache Rumantsch Grischun allmählich ihren festen Platz neben den Mundarten erhält, ist im Begriff, sich grundlegend zu verändern.

Von der Erstauflage unverändert übernommen wurden die Themenauswahl und der Anspruch des Buches. Ziel ist es, mit der Beschreibung der sprachlichen Situation Grundlagen zu vermitteln, die ein tieferes Verständnis für das Wesen und die Probleme der verschiedenen Sprachregionen erlauben.

Alle vier Sprachregionen werden durch anerkannt kompetente Sprachwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler vorgestellt, die auf Grund ihrer langjährigen Beschäftigung mit sprachhistorischen, dialektologischen und sprachpolitischen Fragen als ausgewiesene Kenner der Materie gelten. Vor dem Hintergrund der Freiburger Situation interessieren in erster Linie vier Kapitel. Im umfangreichen Abschnitt zur Sprachgeschichte der Schweiz legt der an der Universität Freiburg lehrende Linguist Walter Haas die Grundlagen für ein vertieftes Verständnis der aktuellen Sprachsituation in unserem Land. Die Regionenkapitel zur deutschsprachigen (wieder Walter Haas) und zur französischsprachigen Schweiz (vom Neuenburger Dialektforscher Pierre Knecht) beschreiben detailliert, aber immer gut verständlich die regionale Sprachgeschichte praktisch von den Anfängen bis zur Gegenwart. Das letzte Kapitel des Buches behandelt die Beziehungen zwischen den Sprachregionen. Es sollte eigentlich gemeinsam mit den drei vorher angesprochenen zur Pflichtlektüre aller mehr oder minder berufenen Sprachpolitiker und Sprachpolitikerinnen in Freiburg gehören – unsere französischsprachigen Compatriotes mit eingeschlossen: Sehr viel wäre da nämlich zu lernen über die Hintergründe, die Voraussetzungen und die Perspektiven des friedlichen Zusammenlebens unterschiedlicher Sprachgruppen.

Insgesamt ist festzuhalten, dass es den Autoren und Autorinnen aller Beiträge in diesem Band vorzüglich gelungen ist, hohen wissenschaftlichen Ansprüchen zu genügen und gleichzeitig die Thematik in einer Weise darzustellen, dass sie auch für ein nicht sprachwissenschaftlich geschultes interessiertes Publikum zugänglich wird.

Wird in der viersprachigen Schweiz die Sprachsituation in der Schweiz sauber getrennt nach Sprachregionen und doch friedlich in einem Sammelband vereint dargestellt, geht es in der Röstigraben-Monografie um die Ursprünge und die aktuellen Gründe einer allfälligen Malaise im Verhältnis zwischen Deutschschweiz und Romandie. Der Akzent liegt – vereinfacht ausgedrückt – eher auf dem potenziell Trennenden als auf dem Verbindenden.

Wie konnte so etwas wie der «Röstigraben» entstehen, dieser tiefe Riss zwischen Deutschschweiz und Romandie, der es ermöglicht, dass diese beiden Landesteile der Schweiz, grossen Eisschollen gleich, langsam auseinander zu driften drohen? Christophe Büchi, gebürtiger Freiburger und Westschweizer Korrespondent verschiedener Deutschschweizer Medien, widmet dieser Frage ein lesenswertes Buch, das, an eine Textstelle bei Gonzague de Reynold anknüpfend, die Lesenden an der Geschichte der Ehe von «Herrn Deutschschweizer und Madame Romandie» teilhaben lässt.

Vom Rütlischwur zum Bundesstaat

Der Rütlischwur von 1291 bildet den Ausgangspunkt (auch dieser) Schweizergeschichte. Ausgehend vom heroischen Kampf der «standesbewussten Bauern in den Waldstätten» gegen die aargauischen Habsburger wird die Westerweiterung der Eidgenossenschaft in erster Linie als «Resultat von Kalkül, Zufall, Macht und Gewalt» dargestellt. Die heutige Romandie war laut Büchi schon immer Teil eines Übergangslandes, das «zeitweise ein politisches Eigenleben führte, zeitweise zwischen Deutschland und Frankreich zerrieben wurde». Gerade dieses «Eigenleben» hätte aber eine nähere Beschreibung verdient.

Zwischen 1291 und 1481 entwickelte sich die Schweiz von einem deutschsprachigen zu einem ansatzweise mehrsprachigen Land (Beitritt Freiburgs zum Bund, französischsprachige Untertanengebiete). In der Zeit von 1481 bis 1798 gewann das französische Element zunehmend an Gewicht. Die politische Bedeutung der Romandie stand in dieser Phase der Geschichte in krassem Gegensatz zur intellektuellen und wirtschaftlichen Vitalität dieses Landesteils. «Die reformierten Städte Genf, Lausanne und Neuenburg wurden im 17. und 18. Jahrhundert zu intellektuellen Zentren, die europaweit Prestige genossen» – politisch standen sie mit dem zugehörigen Umland unter der Fuchtel des deutschsprachigen Ortes Bern (Waadt), des preussischen Königs und Berns (Neuenburg) oder noch ganz ausserhalb der Eidgenossenschaft (Genf).

Die Entwicklungen rund um die Schaffung der Helvetischen Republik (1798-1815) und die spätere Gründung des Bundesstaates (1848) machten die Eidgenossenschaft vom losen Staatenbund zum viersprachigen Bundesstaat. Durch den Zusammenschluss der vier Sprachen und Kulturen unter dem gemeinsamen Dach des Bundesstaates wurde laut Büchi weniger die Willensnation Schweiz begründet, als vielmehr durch die Kultur des Föderalismus die Separation der Sprach- und Kulturgruppen begünstigt und damit ein bröckliges Fundament gelegt, in dem sich schon bald Risse zeigen sollten, die als Ursprung des so genannten «Röstigrabens» betrachtet werden dürfen.

Der «Röstigraben» entsteht

Von 1848 an wurde der relative Friede innerhalb der viersprachigen Schweiz wiederholt Zerreissproben ausgesetzt. Aussenpolitisch war man sich kurz nach der Gründung des Bundesstaates nicht einig über die Haltung gegenüber den revolutionären Kräften in Norditalien, innenpolitisch prallten z.B. bei der Währungsreform widersprüchliche Vorstellungen aufeinander. Die Auseinandersetzungen zwischen den eher zentralistisch orientierten Deutschschweizern und den eher föderalistisch gesinnten Romands wurden zu einer latenten Belastung für den jungen Staat, die durch den Deutsch-Französischen Krieg (1870

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