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Fusion: Balanceakt zwischen Heimatgefühl und erweitertem Mitspracherecht

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Am 26. September steht die Konsultativabstimmung zu Grossfreiburg an. Die FN haben mit Reto Steiner, Fusionsexperte der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, über Chancen und Risiken einer Fusion gesprochen.

Während einer Debatte im Generalrat von Villars-sur-Glâne zur Fusion sagte ein Gemeinderat: «Es gibt keine wissenschaftlichen Studien, welche die Notwendigkeit einer Fusion belegen. Eine Fusion ist eine rein politische Entscheidung.» Ist das so?

Reto Steiner: Der Gemeinderat hat recht. Es handelt sich letztlich um eine politische Entscheidung. In der Politik zu entscheiden bedeutet zu analysieren, welches die aktuellen Stärken und Schwächen der Gemeinde sind, und dann unter Berücksichtigung von Annahmen festzulegen, in welche Richtung sich die Gemeinde entwickeln soll. Mögliche Handlungswege für eine den Bürgern dienende Aufgabenerfüllung sind die Fusion, eine stärkere interkommunale Zusammenarbeit oder die Eigenständigkeit. 

Welche Argumente sprechen für eine Fusion?

In einer grösseren Gemeinde können potenziell mehr Kandidatinnen und Kandidaten für die Besetzung der politischen Organe gefunden werden. Das neuste Gemeindemonitoring zeigt, dass jede zweite Gemeinde in der Schweiz bei der Rekrutierung von Politikerinnen und Politikern Mühe bekundet oder dass die Auswahl sehr klein ist. Dies ist bedenklich, weil Wahlen ein Wettstreit von Ideen und Werthaltungen sein sollten. Gleichzeitig sind politische Ämter in einer grösseren Gemeinde attraktiver, weil sie mehr Gestaltungsmöglichkeiten zulassen. Weiter kann in einer grösseren Gemeinde die Verwaltung professionalisiert werden, sodass sie auch in der Zukunft passende Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger anbieten kann und gleichzeitig die Pro-Kopf-Kosten konstant gehalten werden können. Die Verwaltung hat in der Regel gesamthaft zwar nicht geringere Ausgaben, aber es können für das gleiche Geld mehr und bessere Leistungen angeboten werden.

Gibt es noch andere Vorteile?

Ein weiterer Vorteil von Fusionen in städtischen Agglomerationen ist, dass für ein grösseres Gebiet gedacht und geplant werden kann. Die Lebenswelt der Menschen ist heute weniger an die Gemeindegrenzen gebunden: Sie wohnen an einem Ort, arbeiten an einem anderen und verbringen ihre Freizeit an einem dritten Ort. Die Gesellschaft und die vielen bestehenden stark fragmentierten Gemeinden sind dadurch viel stärker miteinander verwoben. Grenzüberschreitende Bereiche wie Verkehr, Kultur und Informatik können nur im Verbund organisiert werden, und da stellt sich die Frage, ob die Koordinationskosten nicht zu hoch werden und man sich in der Entscheidfindung blockiert. 

Wird durch eine Fusion die Gemeinde nicht anonymer?

Verbundenheit mit dem Wohnort hängt nicht von den Gemeindegrenzen ab. Wichtig ist, dass es in den einzelnen Stadtteilen Schulstrukturen gibt, einen Quartierladen, Restaurants, Begegnungsorte, wo man Freunde treffen kann. Denn in solchen Begegnungsorten entsteht das Heimatgefühl.

Eine fusionierende Gemeinde muss sich überlegen, wie sie unter Einbezug der Bevölkerung Nähe und lokale Identität schaffen kann.

Das können konkrete Anlässe oder raumplanerische Massnahmen sein. Einkaufsmöglichkeiten und ein Restaurant sind zwar primär eine Frage des Marktangebots, durch kluge Planung können aber stark frequentierte Räume für solche Angebote geschaffen werden.

Wann erreicht eine Gemeinde die kritische Masse, bei welcher die Stadtteile in der Peripherie nur noch als Satelliten wahrgenommen werden?

Das Argument des Identitätsverlusts ist ernst zu nehmen. In der Schweiz identifizieren sich die Menschen stark mit ihrer Gemeinde, und das ist eine grosse Stärke unseres Politsystems, zu der man Sorge tragen muss. Die Bevölkerung kennt ihre Gemeindepolitikerinnen und -politiker, und das führt zu einem hohen Vertrauen zwischen Politik, Verwaltung und Bevölkerung. Das ist nicht in allen Ländern so. Gerade in Grossbritannien, wo die Gemeindegrösse durchschnittlich 100’000 Einwohner beträgt, ist eine deutliche Entfremdung der Menschen zu den Behörden zu spüren. Man muss aber auch sagen: Freiburg würde auch nach einer Fusion kein grossstädtisches Gebilde. 

Im Generalrat von Villars-sur-Glâne wurde kritisiert, dass der Fusionsvertrag ausser dem Namen und Wappen der neuen Gemeinde kaum etwas regle und die künftigen Gemeindepolitikerinnen und -politiker machen könnten, was sie wollten. Mit einem Ja zur Fusion würde die Bevölkerung die Katze im Sack kaufen.

Ja, aber das ist, wie wenn zwei Personen zusammenziehen. Schlussendlich hat man keine Garantie, dass die Partnerin oder der Partner genau das macht, was man will. Das ist eine Frage des Vertrauens. Die Erfahrung in bereits fusionierten Gemeinden zeigt, dass diese eigentlich immer eine integrative Politik betreiben.

Ich habe selten gehört, dass nach einer Fusion ein Kampf zwischen den Ortsteilen ausgebrochen ist.

Eine Garantie aber gibt es nicht. Darum kann ich die Ängste durchaus verstehen, und es braucht ein ernsthaftes, auf Fakten basiertes Aufeinander-Zugehen und nicht nur Lippenbekenntnisse. 

Sie haben die Möglichkeit einer interkommunalen Zusammenarbeit angesprochen. Sind Gemeindeverbände tatsächlich eine valable Alternative?

In der interkommunalen Zusammenarbeit kann eine Gemeinde ihre Eigenständigkeit wahren. Allerdings handelt es sich dabei tendenziell um eine Schein-Eigenständigkeit. Oftmals braucht es in Gemeindeverbänden einstimmige Beschlüsse oder zumindest eine sehr intensive Absprache. Während dies für eine einzige Aufgabe machbar bleibt, sind Absprachen in städtischen Agglomerationen in vielen Bereichen nötig. Das heisst:

Die Gemeinderäte sind in Gemeindeverbänden aufgrund der Komplexität der zu regelnden überkommunalen Politikfelder nur noch auf dem Papier autonom.

Die Legislativen sowie die Bevölkerung haben zudem kaum etwas zu sagen. 

Fusionsgegner oder -skeptiker stören sich am Vorschlag einer repräsentativen Vertretung. Danach sind die ehemaligen Gemeinden aufgrund ihres jeweiligen Bevölkerungsanteils in den neuen Organen vertreten; kleinere Gemeinden erhalten im Gemeinde- und Generalrat also weniger Sitze. Ist das gerecht?

Grundsätzlich ist eine repräsentative Vertretung aufgrund des Bevölkerungsanteils richtig. In einer ehemals eigenständigen Gemeinde kann dies als Nachteil empfunden werden. Dazu muss aber gesagt werden, dass die Bevölkerung in ihrem Perimeter zwar ein wenig an Autonomie einbüsst, gleichzeitig kann sie neu für den gesamten Lebensraum mitbestimmen. Sie muss sich mit den vorhandenen Zentrumsleistungen nicht bloss zufriedengeben, sie kann mitreden, welche Angebote es geben soll. 

Zu hören ist auch die Kritik, dass die Stadt mit einer Fusion die umliegenden Gemeinden annektiere, dass es sich um keine wirklich neue Gemeinde handle. 

Man könnte auch sagen, die Stadt Freiburg ist bereit, ihre Macht mit neuen Einwohnerinnen und Einwohnern zu teilen. Das muss der Bevölkerung glaubhaft erklärt werden. Es ist ein Geben und Nehmen von beiden Seiten. 

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass nicht zuletzt linke Politikerinnen und Politiker in der Stadt Freiburg eine Fusion begrüssen würden. Dies, obwohl sie bei einer Fusion mit den bürgerlich dominierten peripheren Gemeinden ihre Mehrheit verlieren würden. Wäre das für die Linke nicht ein Grund, gegen die Fusion zu sein?

Ich finde es für den politischen Diskurs grundsätzlich nicht gut, wenn eine politische Richtung klar dominiert und eine Seite ihre Politik kompromisslos durchsetzen kann. Das widerspricht der Schweizer Konsensdemokratie. Durch die Fusionen muss man für Mehrheitsbeschlüsse wieder kämpfen, und das ist eine Stärke des Systems, was oft zu ausgewogeneren Lösungen führt. 

Zu heftigen Debatten führt auch immer wieder der prognostizierte Steuerfuss der neuen Gemeinde. Welche Rolle darf das Geld spielen für ein Ja oder ein Nein zur Fusion?

Es gibt verschiedene Untersuchungen, die zeigen, dass den Menschen das Gesamtpaket wichtig ist.

Geld ist nicht alles, aber es ist auch nicht unwichtig.

Die Bevölkerung schaut zuerst, welche Leistungen ihr angeboten werden, und danach, zu welchem Steuersatz. Deutliche Steuererhöhungen führen in der Regel zu einer Ablehnung von Fusionsprojekten. Denn die peripheren Gemeinden sagen sich, ich kann die Leistungen der Zentrumsgemeinde weiterhin nutzen, warum soll ich plötzlich mehr Steuern zahlen. Leichte Erhöhungen werden dagegen in der Regel akzeptiert, vorausgesetzt, dass Dienstschalter beispielsweise länger geöffnet sind oder dass das Angebot in den Quartieren bestehen bleibt oder sogar leicht ausgebaut wird. 

Aber nochmals, wie kann die Bevölkerung wissen, was sie bekommt?

Es liegt an der Politik, die Perspektiven im Abstimmungskampf aufzuzeigen. Wenn ihr das nicht gelingt, kann ich verstehen, wenn die Bürgerinnen und Bürger Nein zur Fusion sagen. Bloss eine technokratische Änderung der Gemeindegrenzen zu präsentieren, reicht nicht.  

Muss die neue Gemeinde also mit einem Schwimmbad oder einem Theater locken?

Das ist zu materialistisch gedacht. Es geht darum, aufzuzeigen, in welchen Politikbereichen welche Entwicklungen dank der Fusion möglich sind. Sei dies raum-, bildungs- oder kulturpolitisch. Ich muss wissen, wo ich in der neuen Stadt mitreden kann, wo ich Akzente setzen kann.

Die Verfechter einer Fusion müssen ein Narrativ entwickeln, sodass sich die Menschen darunter konkret etwas vorstellen können.

Eine Fusion ist einerseits rational und andererseits emotional. Man muss Kopf und Herz der Menschen erreichen. Das ist bei jeder Abstimmung so. Einfach zu sagen, Fusionieren ist grundsätzlich gut, das reicht nicht. Man muss aufzeigen, welche künftigen Herausforderungen es zu meistern gilt und warum es ein Gewinn ist, in einem grösseren Gebilde gleichberechtigt mitreden zu können. 

Im Kanton Freiburg ist Raumplanung immer noch eine Kompetenz der Exekutiven, die Parlamente haben nichts zu sagen. Wäre es nicht wichtig, dass der Kanton in diesem Bereich rechtzeitig Zugeständnisse machen würde, um der Fusion Grossfreiburgs eine bessere Chance zu geben?

Kantone, in denen Gemeinden fusionieren wollen, sollten grundsätzlich Vertrauen in die Gemeinden haben, dass sie ihre Aufgaben selber erfüllen können.

Eine Voraussetzung für Fusionen ist die Dezentralisierung, den Gemeinden muss die nötige Autonomie gewährt werden. 

Wenn nun eine oder mehrere Gemeinden Grossfreiburgs eine Fusion ablehnen sollten, wäre das ein Drama?

Nein. Meine Haltung ist: Ein zusammenhängender Perimeter kann grosse Vorteile haben, ein Nein muss aber respektiert werden. Dann wird eben in einem zweiten Anlauf in einem vielleicht kleineren Perimeter fusioniert. 

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