Autor: Von OLIVER SCHNEITTER
Ohne den zur marktdienenden Schublade verkommenen Medienbegriff «Hamburger Schule» wieder aufnehmen zu wollen: Anfang der 90er waren es Blumfeld, die als erste Gitarrenrock mit deutschen Texten versahen, deren sozialpolitische Inhalte übers Parolenhafte hinausgingen und sich als theoretischen Beitrag zur linken Diskussionskultur verstanden. «Tocotronic» und «Die Sterne», ja später sogar Bands aus anderen Orten, wurden bald im selben Atemzug mitgenannt; der neue deutsche Rock ist – ohne anderes zu diskreditieren – dadurch intelligenter geworden.
«Ehemalige Bundeshauptstadt»
Aber ob Reife oder Anpassung: Musik und Inhalte verlassen mit späteren Produktionen den sozialpolitischen Hintergrund und auf Blumfelds neuem und fünftem Album «Jenseits von Jedem» handeln Sänger Jochen Distelmeyers Texte von klassischeren Themen wie Liebe, Kunst, Geschichte und Vergänglichkeit. Entsprechend ist die Musik. Das Konzert im Bad Bonn war eine angenehm anregende Packung aus süffisantem, gitarrenorientiertem Pop mit interessanten Texten und einer Band, der Spass am Konzert offensichtlich wichtig ist. «Wir haben lange nach unserer alten Bundeshauptstadt gesucht, bis wir hier endlich angekommen sind», begrüsste Distelmeyer sichtlich erheitert das zahlreiche Publikum.
Die angenehme Atmosphäre schien sich auf Band und Publikum auszuwirken; praktisch vom Eröffnungslied «Sonntag» an hatten Blumfeld das Publikum erobert und servierten neben alten Hits viel Material des neuen Albums, natürlich die Singleauskoppelung «Wir sind frei», ein Plädoyer für die persönliche Freiheit, aber auch kritisch-demonstrative Songs wie «In der Wirklichkeit».
Insgesamt war das Konzert trotz verschiedener Songs eine gute Widerspiegelung von «Jenseits von Jedem»: Melancholische Liebeslieder wechseln sich mit lebenskritischen, aber doch bejahenden ab, allesamt tanzbar und textlich eben mit dem gewissen distelmeyerschen Etwas versehen.