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«Der Anfang wird praktisch nie erkannt»

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«Der Anfang wird praktisch nie erkannt»

Ein Facharzt spricht über Ursachen, Verbreitung und Heilungsmöglichkeiten der Skoliose

Acht bis zwölf Prozent der Schweizer Bevölkerung leiden unter Skoliose, erklärt Theddy Slongo, Facharzt für Kindertraumatologie und Kinderorthopädie am Inselspital Bern.

Mit THEDDY SLONGO sprach
ANGELICA SCHORRE

Ist man in der Ursachenforschung zur idiopathischen Skoliose einen Schritt weitergekommen? Hat man eine Vermutung, warum Mädchen vier Mal mehr betroffen sind als Jungen?

In der Tat ist man auch heute be-
züglich der Ursachenforschung bei der idiopathischen Skoliose noch nicht wirklich weiter. Es ist auch sehr schwierig hier zu forschen, da der Anfang
einer Skoliose praktisch nie erkannt wird und die Kinder immer erst in
einem relativ späten Stadium kommen. Leider sind die schulärztlichen Untersuchungen massiv zurückgefahren
worden. Somit entfällt eine weitere Erfassungsmöglichkeit. Wie so viele Erkrankungen und Fehlbildungen gibt es eine geschlechtsspezifische Häufung, die nicht einfach erklärbar ist. Bei der frühkindlichen Skoliose überwiegen noch die Knaben, das Verhältnis ändert sich erst in der Pubertät.

Gibt es Zahlen, wie viele Menschen in der Schweiz an Skoliose erkrankt sind?

Die Zahlen für die Schweiz schwanken zwischen acht und zwölf Prozent für Menschen mit echten idiopathischen Skoliosen, wobei die Mehrzahl jedoch unter 20 Grad bleibt und kaum therapiert oder erkannt wird. Unter zehn Grad spricht man von skoliotischer Fehlhaltung, die, wie das Wort besagt, sehr gut auf Krankengymnastik anspricht und weder einer chirurgischen Therapie noch eines Korsetts bedürfen.

Jede Skoliose sei individuell. Wie muss man das verstehen? Im unterschiedlichen Schmerzempfinden?

Ich denke, die Skoliosen zeigen ein sehr einheitliches Bild. Objektiv gesehen hat die Wirbelsäule auch nicht so viele Reaktions- oder Ausdrucksmöglichkeiten. Deshalb lassen sie sich sehr gut schematisch einteilen. Dass die Krankheit für die betroffene Person etwas sehr Einmaliges und sehr Individuelles ist, kann man gut verstehen. Da liegen auch Verständigungsprobleme und Konfliktmöglichkeiten, wenn der Arzt die Skoliose schematisiert und der Patient oder das Kind – hier meistens die Eltern – sich dann nicht verstanden fühlt. Somit ist sie für den Patienten sehr schwer zu begreifen. Dass eine Skoliose Schmerzen verursacht, vor allem in der Altersgruppe unter 20 Jahren, ist schwer zu verstehen. Einerseits ist eine Skoliose etwas sehr langsam Gewachsenes. Somit verhält es sich wie mit Missbildungen, die nach Erfahrung und Aussagen der Patienten nie schmerzen. Andererseits kenne ich kaum Kinder und Jugendliche – auch mit Skoliosen von über 60 Grad – die wegen Schmerzen gekommen sind. Ich denke, hier spielt die Psyche eine sehr wichtige Rolle. Die Schmerzen werden häufig dann geäussert, wenn die Diagnose bekannt ist und die Patienten das Röntgenbild gesehen haben: «So ein krummer Rücken muss doch schmerzen!»

Ist die idiopathische Skoliose eine Zivilisationskrankheit?

Skoliose, im Gegensatz zur schlechten Haltung, ist keine Zivilisationskrankheit. Wir wissen aus dem Altertum, dass man schon früh versucht hat, mit allerlei Apparaten die Menschen gerade zu richten. Von da kommt auch das Wort Orthopädie: orthos = gera-
de, Peidos = Kind.

Operation versus konservative Methoden wie Korsett und/oder Physiotherapie – wann ist die eine, wann die andere Methode angebracht?

Objektiv gesehen kann eine Skoliose ab einem bestimmten Grad oder Cobb-Winkel nurmehr chirurgisch wieder verbessert werden. Man darf nicht sagen korrigiert werden, da mindestens ab 40 Grad keine gerade Wirbelsäule mehr erreicht werden kann. Man muss sich bewusst sein, dass die Kräfte, die – wie auch immer – zur Skoliose führen, während 24 Stunden wirken. Daraus erklärt sich auch die Tragezeit eines Korsetts. Weder Physiotherapie noch andere physikalische Massnahmen können diesen Kräften entgegenwirken. Sie können vor allem mithelfen, die körpereigene Muskulatur, die den Rumpf aufrecht hält, zu stärken und ein besseres Körperbewusstsein zu vermitteln. Skoliosen bis 40 Grad können dadurch etwas verkleinert werden oder in der Progression – vorübergehend – gestoppt werden. Es gibt unzählige Arbeiten, die dies belegen. Vier bis sechs Stunden Krankengymnastik täglich, wie es im oben stehenden Artikel beschrieben wird, kann dabei nur von Vorteil sein. Dabei ist der Winkel leicht zurückgegangen, die Skoliose jedoch bei weitem nicht beseitigt. In unserer Zivilisation ist es für 95 Prozent der Patienten bereits eine Überforderung, wenn wir sagen, dass man täglich zwei Mal 30 Minuten Gymnastik machen sollte.

Wann ist eine Operation angesagt?

Will man einem Patienten mit einer Skoliose von über 40 Grad reell helfen, so dass er auch wieder einen einigermassen geraden Rücken hat, kommt – so Leid es einem tut – nur die Operation in Frage. Es ist klar, dass man auch mit einer nicht
operierten Skoliose durchs Leben gehen kann. Wenn ein Patient mit einer Skoliose unter 30 Grad wirklich willens ist, selbst etwas zu tun, dann sollte man ihn in seinen Bemü-
hungen unterstützen. Es ist unethisch, den Patienten glauben zu machen, durch irgendeine manuelle Methode könne eine Skoliose von 50 Grad auf 20 Grad zurückgebracht werden!

Gibt es neue Operationsmethoden?

Es gibt seit gut zehn Jahren keine neuen Methoden mehr, die Implantate haben sich gewandelt.

Welche Schritte würden Sie unternehmen, wenn Sie ein Kind mit idiopathischer Skoliose hätten?

Ich habe die schwere Skoliose meines eigenen Sohnes operiert, als er 18 Jahre alt war. Dies mit einem sehr guten Resultat. Ich weiss also, von was ich spreche. Es ist zu bemerken, dass nach überwundener Angst die positiven Aspekte praktisch zu 100 Prozent – ich kann nur für unsere Patienten sprechen – überwiegen. Vielfach kommen bei den Eltern dann Schuldgefühle auf, dass sie so lange zugewartet haben. Man hätte sie eben zu Hause, beim Hausarzt oder anderswo schlecht beraten und ihnen Angst gemacht.

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