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Der Pinocchio-Faktor

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Wer erinnert sich nicht an Pinocchio, die Kinderbuchfigur von Carlo Collodi? Die Nase der Holzpuppe, die am Ende zu einem menschlichen Jungen wird, wird bei jeder Lüge länger. Die Botschaft ist klar: Lügen ist schlecht und bleibt nicht unbestraft. Unübersehbar hängt derzeit ein riesiger Pinocchio vor dem neuen Stapferhaus in Lenzburg und verweist auf die Eröffnungsausstellung zum Thema «Fake – Die ganze Wahrheit». Wer sich auf den Besuch des «Amtes für die ganze Wahrheit» einlässt, wird allerdings schnell entdecken, dass es mit der Lüge und der Wahrheit nicht ganz so einfach ist wie bei Pinocchio. Sind Lügen wirklich immer schlecht? Wäre ein Leben ohne Lügen überhaupt denkbar – und wäre es wünschenswert? Wollen wir tatsächlich immer die ganze Wahrheit wissen? Und was hat es denn nun mit den Fake News auf sich, die mit der zunehmenden Bedeutung der sozialen Medien auch im deutschen Sprachgebrauch einen festen Platz gefunden haben?

Mit diesen und vielen anderen Fragen rund um Wahrheit und Lüge befasst sich die aufwendige Ausstellung des Stapferhauses. «Lügen ist nicht bloss das Fehlen von Wahrheit», schreibt Kurator und Philosoph ­Daniel Tyradellis dazu. «Die Dinge liegen komplizierter, und das ist das eigentliche Thema der Ausstellung. Die Lüge ist eine Macht eigener Art. Damit ist nicht gemeint, dass man lügen sollte. Aber es ist manchmal gut zu wissen, dass man könnte.» Oder, um es mit den Worten der Publizistin Hannah Arendt (1906–1975) zu sagen: «Alleine die Fähigkeit zu lügen bestätigt, dass es so etwas wie Freiheit wirklich gibt.»

Lüge ist nicht gleich Lüge

So komplex das Thema der Ausstellung ist, so spielerisch gestaltet sich der Rundgang. Die Besucherinnen und Besucher werden vom Chef des «Amtes für die ganze Wahrheit» mit dem klingenden Namen Hans Wahr (gespielt vom deutschen Schauspieler Hans Wuttge, der in verschiedenen Rollen durch die ganze Ausstellung führt) in Empfang genommen. Unter dem Motto «Die Wahrheit braucht dich» öffnet er die Türen zu seiner Behörde, wo das Publikum nach und nach acht verschiedene Abteilungen entdeckt.

Gleich zu Beginn lernen die Besucher, dass Lüge nicht gleich Lüge ist. Es gibt notwendige Lügen (etwa die falschen Pässe für jüdische Flüchtlinge unter dem Nationalsozialismus), lustige Lügen (wie die Erfindungen fantasievoller Kinder), inakzeptable Lügen (zum Beispiel das Doppel­leben eines Ehemannes) oder gar tödliche Lügen (wenn etwa ein Apotheker falsche Krebsmedikamente verkauft). In der «zentralen Lügenanlaufstelle» des Amtes stapeln sich Pakete mit Lügen und Behauptungen, die auf eine Einschätzung durch die Besucher warten. Darf ein Papierloser die Polizei belügen, um sich nicht selbst zu verraten? Soll eine Jugendliche ihrem religiösen Umfeld vorspielen, gläubig zu sein? Ist es in Ordnung, dass es Dienstleister gibt, die Alibis fürs Fremd­gehen verkaufen? Die Besucherinnen und Besucher können so viele Lügen beurteilen, wie sie wollen. Die Einschätzungen werden registriert und tragen zu einem Gesamtresultat bei, das laufend aktualisiert wird.

Doch wie erkennt man überhaupt, wenn einem eine Lüge aufgetischt wird? Seit Jahrhunderten versuchen die Menschen, das herauszufinden, sei es mit Folter oder Magie, mit wissenschaftlichen Verfahren oder psychologischen Kniffen. Im «Labor für ­Lügenerkennung» lernt man solche Methoden kennen und kann sie gleich selber zur Anwendung bringen. In einem Partnerspiel geht es darum, Lügen zu erkennen, und der Lügen­detektortest zeigt, ob die Maschine Lüge und Wahrheit unterscheiden kann.

Fake News früher und heute

Doch nicht nur einzelne Menschen lügen, sondern manchmal auch die Massenmedien. Die «Medienstelle für alte und neue Fake News» zeigt, dass Fake News alles andere als neu sind. Immer, wenn in der Geschichte ein neues Medium auftauchte, weckte es die Hoffnung auf wahrheitsgetreue Information – und immer folgte die Enttäuschung, wenn das Medium zum Verbreiten von Falschmeldungen missbraucht wurde. Die Redewendung «Lügen wie gedruckt» stammt aus dem frühen 17. Jahrhundert und bezieht sich auf das Misstrauen gegenüber Druck-Erzeugnissen. In der Ausstellung gibt es lügende Bücher, Zeitungen, Fotografien, Radios und Fernsehbilder. Legendär ist etwa die BBC-Sendung über Spaghetti-Bäume im Tessin, die am 1. April 1957 ausgestrahlt wurde und den Beginn des 1.-April-Scherzes am Fernsehen markierte.

Bei so vielen Lügen braucht es dringend eine «Kommission für Glaubwürdigkeit». Auch die gibt es im «Amt für die ganze Wahrheit», zusammengesetzt aus einer Richterin, einem Lehrer, einem Pfarrer, einer Politikerin, einem Wissenschaftler, einer Managerin, einer Ärztin und einem Journalisten. «Was ist schlimmer», fragt die Richterin, «dass die Menschen jeden Quatsch glauben oder dass sie gar nichts mehr glauben?» Verunsicherung führe zu Vertrauensverlust. Eine Umfrage des Stapferhauses ergab, dass 54 Prozent es wichtig finden, dass Politiker die Wahrheit sagen, aber nur ein Prozent glaubt, dass sie es auch wirklich tun. «Die Menschen wollen vertrauen, aber sie können es nicht», sagt die Richterin. Die Politikerin wehrt sich: «Ich fühle mich der Wahrheit verpflichtet, aber in der Politik muss man Kompromisse eingehen.» Eben, es ist schwierig mit der Wahrheit. Oder, wie die Richterin es formuliert: «Wahrheit ist ein Ideal. Es gibt sie nicht im eigentlichen Sinn.»

Stapferhaus, Lenzburg. Bis zum 24. November. Di. bis So. 9 bis 17 Uhr, Do. 9 bis 20 Uhr.

Zahlen

Eine bessere Welt, wenn niemand lügen würde?

0,59 bis 200 Mal: So oft lügt ein Mensch pro Tag, je nach dem, welcher Studie man glauben will. Die Ausstellung im Stapferhaus listet Untersuchungen aus den USA, England und Deutschland auf, durchgeführt zwischen 1995 und 2010, die zu diesen höchst unterschiedlichen Resultaten kommen. «Glaube keiner Statistik, die du nicht selber gefälscht hast»: Dieses Bonmot zitiert der Schauspieler Martin Wuttge in seiner Rolle als Chef des «Amtes für die ganze Wahrheit», zum Auftakt des Rundgangs. Dennoch hat das Stapferhaus es gewagt, zusammen mit dem Forschungsinstitut Sotomo eine Bevölkerungsbefragung bei fast 10 000 Menschen in der ganzen Schweiz zum Thema «Wahrheit und Lüge in Zeiten von Fake News» durchzuführen. Einige der Ergebnisse seien hier aufgelistet – über ihren Wahrheitsgehalt mag jeder selber urteilen …

• 54 Prozent der Befragten glauben, wir würden in einer besseren Welt leben, wenn alle immer die Wahrheit sagen würden; für 17 Prozent wäre dies ein Albtraum.

• 13 Prozent aller Befragten geben an, dass sie «sehr gut» lügen können, ohne dass man es merkt, 12 Prozent der Frauen und 15 Prozent der Männer. 30 Prozent halten sich für «eher gute» Lügner, 40 Prozent für «eher schlechte» und 17 Prozent für «sehr schlechte».

• Am schwersten fällt es den meisten Befragten, den Partner oder die Partnerin (73 Prozent) und die eigenen Kinder (65 Prozent) anzulügen. 41 Prozent finden es schwer, die Mutter anzulügen, 9 Prozent sagen, das falle ihnen leicht. Beim Vater sind es 35 Prozent, denen es schwer, und 6  Prozent, denen es leicht fällt. Den Vorgesetzten zu belügen finden 25  Prozent schwer und 16 Prozent leicht.

• Über den eigenen Gesundheitszustand (78 Prozent) und die Treue des Partners (56 Prozent) möchte eine Mehrheit immer die ganze Wahrheit wissen, nicht aber über die Gemüts­lage von Kollegen (25 Prozent).

• «Grosses Vertrauen» haben viele Befragte in Ärzte (79 Prozent) und Wissenschaftler (69 Prozent), «geringes Vertrauen» hingegen in Manager (69  Prozent) und Politiker (84  Prozent).

• 83 Prozent halten Fake News für eine Gefahr für die Demokratie und den sozialen Zusammenhalt.

• 31 Prozent glauben, dass das Internet es einfacher macht, Unwahrheiten aufzudecken, 23 Prozent denken, es sei schwieriger geworden, die restlichen 46 Prozent sehen keinen Unterschied.

cs

Stapferhaus

Ausstellungen zu ­Gegenwartsfragen

Das Stapferhaus wurde 1960 als «Stätte der menschlichen Begegnung und der geistigen Auseinandersetzung» gegründet. Während 30 Jahren lud die Organisation zu Tagungen und Debatten auf Schloss Lenzburg. 1994 fand die erste Ausstellung mit dem Titel «Anne Frank und wir» statt. Seither machte das Stapferhaus immer wieder mit interaktiven Ausstellungen zu Gegenwartsfragen auf sich aufmerksam. Von 2002 bis 2017 wurden diese Erlebniswelten im Zeughaus Lenzburg aufgebaut, zu Themen wie «Strafen», «Glauben», «Entscheiden», «Geld» oder «Heimat». Mit der aktuellen Ausstellung wurde am 28. Oktober 2018 der Neubau direkt am Bahnhof eröffnet, der erstmals Ausstellungs- und Büroräume unter einem Dach vereint.

cs

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