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«Die Brisanz liegt in der Fragestellung»

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 Aufgrund der Reaktionen auf die Berichterstattung über eine pädagogische Studie (siehe Kasten) haben sich die FN mit dem Amtsvorsteher für den deutschsprachigen Unterricht zum Interview getroffen.

 

 Reto Furter, trifft die Studie einen wunden Punkt?

Ja, denn schon die Fragestellung «Wie beeinflussen die Klassenkameraden die Verhaltensentwicklung?» enthält eine gewisse Brisanz. Deshalb erstaunt es mich nicht, dass die Studie nun Staub aufwirbelt.

 

Sind die Resultate so überraschend?

Nein. Sie müssen jedoch in einen grösseren Rahmen gestellt werden, und dann kann man sagen: Die festgestellten Verhaltensauffälligkeiten sind im grünen Bereich. Sie sind überhaupt nicht dramatisch.

 

 Wie aber kann man beurteilen, ob das Niveau an Verhaltensproblemen bei Schülern hoch oder niedrig ist?

Vor nicht allzu langer Zeit haben wir eine Studie zum Gesundheitsverhalten durchgeführt mit der Frage: Fühlen sich unsere Schülerinnen und Schüler wohl an der OS? Die Ergebnisse zeigten: Ja, sie fühlen sich sehr wohl. Setzen wir beide Studien miteinander in Verbindung, kommen wir zum Schluss: Obwohl es Verhaltensauffälligkeiten gibt, die ganz normal sind für das OS-Alter, fühlen sich die Kinder trotzdem wohl. Der Vergleich mit anderen Kantonen ist schwierig. Für mich sind aber die Lehrkräfte, die schon lange unterrichten, eine wichtige Informationsquelle. Sie verfügen über eine langjährige Erfahrung mit Realklassen und sagen: Die Schüler heute sind überhaupt nicht schwieriger als früher. Im Gegenteil, sie sind offener und kommunikativer. Selbstverständlich zeigen sie auffälliges wie auch positives Verhalten. Doch das haben sie immer schon gezeigt.

 

 Wollen die Lehrpersonen überhaupt Realklassen unterrichten?

Ja, die Schuldirektoren bestätigen, dass sie keine Mühe haben, Lehrkräfte für Realklassen zu finden. Die Lehrer sagen, Realschüler seien sehr dankbar. Beispielsweise wenn es um die Berufsfindung geht: Da sind die Realschüler sehr auf die Unterstützung von Lehrpersonen angewiesen, und sie werden von diesen aktiv unterstützt.

 Schulvertreter sagen, die Erkenntnisse hätten nichts mit der Realität in den Schulen Deutschfreiburgs zu tun. Woher kommt die Diskrepanz?

Ich kenne die Studie sehr gut. Sie beschreibt und hält fest. Sie wertet nicht und sagt uns Schulverantwortlichen auch nicht, was wir zu tun haben. Die Studie hat überhaupt nichts Anmassendes. Was sie beschreibt, ist keine Erfindung. Die Frage ist jetzt, wie wir mit den Resultaten dieser Studie umgehen. Wie gesagt, die Untersuchung bildet ein Stück Realität ab. Sie ist wie eine Art Foto, und ich entdecke darauf nichts Schlimmes. Im Gegenteil, ich sehe sehr interessante Dinge.

 Ein Vorwurf der Deutschfreiburger Schuldirektoren lautet, die Studie sei auf negativ formulierte Fragen ausgerichtet.

Da sehe ich kein Problem. Es ist absolut legitim, dass man als Forscher mit solchen Fragen an die Schulen gelangt.

 Muss man sich als Eltern Gedanken machen, wenn ein Kind in eine Realklasse eingeteilt wird?

Die Studie zeigt, dass die Verhaltensproblematik in der Realklasse im Vergleich zu den anderen Abteilungen grösser ist. Auch wenn dem so ist, sind die Verhaltensauffälligkeiten noch im normalen Bereich.

 

 Wissen die Lehrer das?

Die Studie zeigt, dass beim Übergang von der Primarschule in die OS für ein Kind Entscheidendes passiert. Für Realschüler ist der Übergang noch anspruchsvoller. Da muss man als Lehrperson sehr genau hinschauen und nahe bei den Kindern sein. Das wissen die Lehrer. Aber wir dürfen das eigentliche Thema der Studie nicht ausser Acht lassen: Wie beeinflussen sich die Mitglieder einer altersgleichen Gruppe oder Klasse gegenseitig? Eine zentrale Erkenntnis ist für mich: Eine Klassenzusammensetzung ist nicht eine rein organisatorische Angelegenheit; da gibt es wichtige pädagogische Aspekte, die man unbedingt mitbedenken muss.

 Das Freiburger Schulsystem ist ja stark gegliedert, mit drei Abteilungen und einer Werkklasse. Stellt die Studie dies infrage?

Bei den vielen Diskussionen im Rahmen der Erarbeitung des neuen Schulgesetzes haben wir festgestellt, dass unser gegliedertes System eine sehr hohe Akzeptanz geniesst. Eine Systemänderung ist weder gewünscht noch nötig. Das neue Schulgesetz soll aber den Schulen die Möglichkeit geben, dass sie in bestimmten Fächern die fixe Klasseneinteilung öffnen können. Zum Beispiel gibt es dann Lerngruppen, die sich aus Real- und Sekundarschülern zusammensetzen.

Wir wollen das letzte Schuljahr unter die Lupe nehmen. Wir fragen uns, ob wir im Hinblick auf die Zukunft der Schüler das Fachprinzip aufbrechen und Schwerpunktbereiche anbieten sollten.

 

 Was bedeutet das?

Zum Beispiel: Soll ein Schüler, der am Ende der achten Klasse weiss, dass er eine Lehre als Schreiner beginnt, im letzten Schuljahr die gleichen Lerninhalte erhalten wie eine Schülerin, die nachher eine Banklehre macht? Man könnte in Zukunft für Schüler je nach Lehre andere Schwerpunkte schaffen.

 

 Die Studie ist also für Sie sehr wertvoll?

Ja. Sie gibt Denkanstösse und beschreibt etwas Wichtiges. Jetzt liegt es an uns, die richtigen Schlüsse zu ziehen.

 Besteht nach dem Aufruhr um die ersten Ergebnisse die Gefahr, dass die Studie nicht weitergeführt werden kann?

Nein, ich gehe davon aus, dass sie weitergeführt wird. Wir werden mit dem Studienleiter und den Schuldirektoren zusammensitzen, um allfällige Missverständnisse zu klären. Gerade weil die Studie sehr seriös vorbereitet und kompetent durchgeführt wurde, gibt es keinen Grund, sie abzubrechen. Das Signal wäre falsch, wenn man bei einer interessanten Studie, die Wichtiges aufzeigt, nicht mehr mitmacht, weil man sich plötzlich vor den Resultaten fürchtet. Die Studie und ihre Ergebnisse sind in keiner Weise eine Bedrohung.

         Es ist legitim, dass man als Forscher mit solchen Fragen

                                      an Schulen gelangt.

                     Reto Furter, Amtsvorsteher

Reaktion: Schuldirektoren wehren sich für Schüler

D ie Konferenz der Deutschfreiburger Schuldirektoren stellt die in den FN widergegebenen Erkenntnisse der Nationalfondsstudie «Fri-Peers» (FN vom 5. September) in einer Stellungnahme in Abrede. Wie die Schuldirektorenkonferenz schreibt, vermittle der FN-Artikel den Eindruck, dass Verhaltensprobleme und Gewalt in den siebten Klassen der Orientierungsschulen Deutschfreiburgs gehäuft vorkämen. «Die Realität zeigt aber ein anderes, mehrheitlich positives Bild», schreiben die Schuldirektoren. Dies bestätige die Studie so auch, werde doch dort die Häufigkeit von dissozialem Verhalten im Vergleich zu anderen Schulen und Landesteilen als gering bezeichnet. Sie zitieren aus der Studie: «Das durchschnittliche Niveau an Verhaltensproblemen, welches im Rahmen des Screenings psychischer Störungen im Jugendalter erfragt wurde, liegt im Vergleich zur deutschen Testreferenzstichprobe sowohl zu Beginn als auch am Ende des siebten Schuljahres im unauffälligen Bereich.»

Im Besonderen kritisieren die Schuldirektoren in ihrer Mitteilung die Schlussfolgerungen bezüglich der Realklassen. Das Bild der Realklassen, welches im Titel, im Lead und in der Karikatur der FN gezeichnet werde, sei «überaus unfair, unangemessen, bedenklich» und stimme nicht mit der Realität in den Schulen Deutschfreiburgs überein. Die Schuldirektoren sind der Meinung, dass Schüler von Sekundarklassen genauso viel oder so wenig auffällige Verhaltensweisen zeigten wie jene der Realklassen.

Massgeblich für dissoziales Verhalten und Verhaltensprobleme bei Jugendlichen seien die individuellen Voraussetzungen beim Übertritt an die OS und die Klassenzusammensetzungen. Das in der Studie erfasste delinquente Verhalten geschehe zumeist ausserhalb des schulischen Rahmens, so die Schuldirektoren.

«Weg ist nicht geeignet»

In der Mitteilung kritisieren sie, dass die Studie «defizitorientiert» sei: «Fast alle Fragen beziehen sich auf ein Problem.» Die Studie versuche, die Verhaltensprobleme mit der Aufgliederung in leistungsabhängige Abteilungen in Verbindung zu bringen. Die Schuldirektoren sind einverstanden, dass die Form des Schulsystems diskutiert und hinterfragt werden kann. «Der Weg über eine Nationalfondsstudie zu Verhaltensproblemen von Jugendlichen scheint uns dazu allerdings nicht geeignet.»

Allgemein halten die acht Schuldirektoren Deutschfreiburgs fest: «Die grosse Mehrheit der Jugendlichen an unseren Orientierungsschulen legt ein Verhalten an den Tag, an dem nichts auszusetzen ist und das uns viel Freude bereitet. Dies trifft sowohl für die Sekundar- wie für die Real- und Förderklassen zu.» uh

Zur Studie

Das Verhalten von Siebtklässlern

«Eine Nationalfondsstudie der Universität zeigt: Jugendliche entwickeln im Verlauf der siebten Klasse zunehmend mehr Verhaltensprobleme. Dies gilt besonders für Schüler der Realschule. Unterschiede bestehen aber nicht nur zwischen den Schultypen–auch Mädchen und Jungen berichten von jeweils anderen Schwierigkeiten.» Mit diesen Worten fasst ein Communiqué der Universität Freiburg Ergebnisse der Untersuchung «Fri-Peers» zusammen. Unter der Leitung von Christoph Müller vom Heilpädagogischen Institut wurden 825 Jugendliche eines Schülerjahrgangs aus dem deutschsprachigen Teil des Kantons Freiburg anonym befragt. Im Verlauf des siebten Schuljahres gaben sie viermal Auskunft zu ihrem Verhalten. Dabei wurde ein Niveau zu Beginn des Schuljahres festgehalten und die Entwicklung während des Schuljahres festgestellt. Weitere Erhebungen in der achten und neunten Klasse sollen klären, inwiefern das Verhaltensmuster durch Klassenkameraden beeinflusst wird. Auf die Veröffentlichung der ersten Studienresultate gingen bei den FN, der Studienleitung und der Erziehungsdirektion heftige Reaktionen ein. Beanstandet wurde, dass die Studie in Realklassen ein höheres Anfangsniveau und eine stärkere Entwicklung von Problemverhalten festgestellt hat.uh

 

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