Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

«Die Freiburger wollten die Schlacht wohl für sich pachten»  

Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Die Einweihung des Obelisken am Murtensee fand an der Solennität vor 200 Jahren statt. Das monumentale Murtenschlacht-Denkmal galt einst als schlicht. Hundert Jahre später wirkte es jedoch für viele armselig. Es war sogar von Abreissen die Rede.

Es war am 22. Juni 1823, als die Bevölkerung der Region Murten die Solennität feierte und den Obelisken zum Gedenken an die Murtenschlacht von 1476 einweihte. Die Solennität ist für die Region Murten der zentrale Anlass im Jahr, ein Volksfest. Die Feierlichkeiten mit ersten Kanonenschüssen um fünf Uhr morgens, Kadetten und weiss gekleideten Kindern und Jugendlichen sind in der Liste der lebendigen Traditionen in der Schweiz aufgeführt.

Die Vorbereitungen für die diesjährige Erinnerungsfeier an die Schlacht bei Murten am 22. Juni laufen derzeit auf Hochtouren. Im Laufe der Zeit hat sich die Schlachtfeier zum Jugendfest entwickelt und gilt für Murtnerinnen und Murtner «als schönster Tag im Jahr» – wie sie im traditionellen «Solilied» singen. Doch wie sieht es mit der Bedeutung des Obelisken aus? Welche Geschichte steckt hinter dem Denkmal und welches Motiv hatte der junge Kanton Freiburg wenige Jahre nach der Napoleonischen Ära, ein solches Monument aufzurichten? Um diesen Fragen nachzugehen, haben sich die Freiburger Nachrichten mit der Historikerin Fabienne Meyer beim Obelisken getroffen. 

Eine Abbildung der Einweihung 1823 aus dem Archiv der Burgerbibliothek Bern. Vor der Juragewässerkorrektion vor 150 Jahren war der Spiegel des Murtensees höher und das Ufer deshalb näher beim Obelisk.
Burgerbibliothek Bern, Gr.A.429

Das Erste

Fabienne Meyer ist Doktorandin an der Universität Freiburg, einer ihrer Schwerpunkte ist die Schweizer Denkmalkultur. «Ich bin zum ersten Mal hier», sagt die Historikerin und blickt zum Obelisken, sie habe das Monument bisher nur auf Abbildungen gesehen. «Es ist quasi das erste profane Kunstdenkmal der Schweiz, das an eine Schlacht auf dem Gebiet der alten Eidgenossenschaft erinnert.» Kurz vorher, 1821, sei das Löwendenkmal in Luzern eingeweiht worden, das im Gedenken an die 1792 beim Tuileriensturm in Paris gefallenen Schweizergardisten errichtet worden war. «Die meisten Denkmäler für alteidgenössische Schlachten sind erst später, nach der Bundesstaatsgründung und im Zuge des Nationalismus, entstanden», sagt Meyer und verweist als Beispiele auf das Winkelrieddenkmal in Stans 1865 oder das Morgartendenkmal von 1908.

Schlachtkapellen und Beinhäuser hingegen habe es schon früher gegeben. Dies sei dem damaligen religiösen Kontext geschuldet. An der Stelle, wo der Obelisk heute steht, befand sich früher eine Beinhauskapelle: Für die sterblichen Überreste der in der Schlacht gegen die Truppen Karls des Kühnen ums Leben gekommenen Soldaten wurde Anfang der 1480er Jahre das Beinhaus zu Murten errichtet. «Vermutlich hatte es schon früh überregionale Bedeutung. Es wurde von den Ständen Bern und Freiburg gemeinsam finanziert und tauchte später auch in Reiseliteratur auf.» Die Bekanntheit des Beinhauses sei wohl auch seinem Standort an der damals wichtigen Route Murten-Avenches geschuldet gewesen.

In Brand gesteckt

Auf dieser Strasse zogen auch die Franzosen 1798 Richtung Osten und zerstörten dabei das Beinhaus, das über 300 Jahre dort gestanden war: «In einem Bericht von 1828 ist die Rede davon, dass es einigen Burgunder Soldaten ‹einfiel›, das Denkmal in Brand zu stecken. Es wurde also suggeriert, dass es Burgunder waren, die mit der Zerstörung des Beinhauses auch die Erinnerung an die Niederlage der Burgunder bei der Schlacht von Murten auslöschen wollten.»

Als nun Murten mit der Mediationsakte 1803 dem Kanton Freiburg zugesprochen wurde, kam auch der ehemalige Schlachtort nach Freiburg. «Und die Freiburger wollten die Zerstörung des Beinhauses wohl nicht auf sich sitzen lassen, sondern mit dem Obelisken die Erinnerung an die siegreiche Schlacht wiederherstellen», so Fabienne Meyers Interpretation. Ob die Geschichte mit den feuerlegenden Burgundern stimmt oder nicht, spiele heute schlussendlich keine Rolle mehr: «Es war aber das Narrativ, das wohl mit ein Grund für den Aufbau eines Monuments war, mit dem sich der Kanton profilieren konnte.»

Vor 1798 war die Region Murten eine Gemeine Herrschaft zwischen Bern und Freiburg: Alle vier Jahre wechselten sich ein bernischer und freiburgischer Landvogt ab. 1803 wurde Murten dem Kanton Freiburg zugewiesen, obwohl das Städtchen protestantisch, deutschsprachig und nach Bern orientiert war.

Die Historikerin Fabienne Meyer vor dem Obelisken.
Charles Ellena

6000 Franken

Es war 1817, als der Freiburger Staatsrat beschloss, als Ersatz für das Beinhaus ein Denkmal zu errichten. «Zu der Zeit wurde auch schon im Kanton Schwyz diskutiert, ein Denkmal für die Morgartenschlacht zu errichten, was den Kanton Freiburg vermutlich auch zu seiner Initiative anstiftete», sagt Meyer. «Die Freiburger wollten die Schlacht wohl für sich pachten.» Das erkläre auch den finanziellen Aufwand für das Projekt, das Freiburg alleine stemmte: Kleinere Vorhaben in der Höhe von zunächst budgetierten 2000 Franken scheiterten, Grossrat und Staatsrat wünschten sich ein «monument national» und stellten schliesslich 6000 Franken zur Verfügung, wie in der Buchreihe «Kunstdenkmäler des Kantons Freiburg» von Herman Schöpfer nachzulesen ist. David Blanck vom Staatsarchiv Freiburg verweist auf das Protokoll einer Sitzung des Staatsrats im Oktober 1820: «Der Staatsrat war einverstanden mit dem Projekt eines ‹obélisque égyptien› des Finanzrats, vorausgesetzt man überschreitet den Betrag der 6000 Franken nicht, zuzüglich Holz für die Gerüste.»

Im ebenfalls auf Französisch verfassten Protokoll vom 1. Dezember 1820 des Finanzrates, den der Staatsrat mit der Planung des Denkmals in Murten beauftragt hatte, lässt sich mehr über den Grund für die gewählte Kunstform erfahren: «Von allen vorgeschlagenen Themen ist dasjenige, das die allgemeine Zustimmung der Kenner findet, dasjenige, das den helvetischen Sitten am angemessensten und am besten angepasst erscheint, der ägyptische Obelisk. Seine Urnenform und seine edle Einfachheit entsprechen den Umständen, die es nachzuzeichnen gilt, besser, als wenn man ein prunkvolles, mit Ornamenten überladenes Denkmal errichten würde», zitiert Meyer aus dem Protokoll von vor über 200 Jahren. «Die Kunstform entsprach der Zeit. Es sollte etwas – nach damaligem Empfinden – Schlichtes sein und an den Freiheitskampf erinnern.»

Geschmäcker ändern sich

Rund hundert Jahre später änderte sich der Geschmack jedoch, wie Fabienne Meyer weiter ausführt: «In einem Artikel von 1907 in der ‹Revue historique vaudoise› ist von einem armseligen Denkmal, schlechtem Geschmack der Zeit und sogar von Abreissen die Rede.» Damals seien prunkvolle Monumente beliebt gewesen. Interessanterweise werfe der Artikel auch die Frage auf, ob das Denkmal, das bald in Morgarten errichtet werden soll, dasjenige in Murten für immer in den Schatten stellen werde. «Die Zeit stand noch immer im Dunstkreis der Gründung des Bundesstaats, als viele Denkmäler entstanden und der Rückgriff auf die Schlachten der alten Eidgenossenschaft als gemeinsame und einende Geschichte gängig war.»

Es sei auch die Zeit gewesen, als man sich in Schwyz Gedanken über ein monumentales «Nationaldenkmal» machte. Überlegungen zu einem Abriss des Obelisken und einem «würdigeren» Ersatz habe sie auch in einem späteren Artikel von 1928 im Band 16 der «Annales fribourgeoises» gefunden: «Da steht, dass nun ganz leise der Wunsch geäussert werde, dieses Denkmal durch ein anderes zu ersetzen.» Es war ein Wunsch, der jedoch nie umgesetzt wurde: «Wir wollen hoffen, dass zum fünfhundertsten Jahrestag der Schlacht im Jahr 1976 für unsere Nachkommen ein Denkmal errichtet wird, das dem grossen Ereignis, an das es erinnern soll, wirklich würdig ist», ist in dem Text zu lesen.

Fabienne Meyer lacht: «Es ist spannend, wie sich der Blick auf den Obelisken verändert hat und dass sogar davon die Rede war, ihn mit etwas Monumentalerem zu ersetzen.» Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts habe ein Denkmal kaum zu monumental sein können. 1820 hatte man sich dagegen für ein schlichteres Denkmal entschieden. «Heute wiederum würden wir ein solches Denkmal in dieser Form nicht mehr errichten, es wäre zu monumental, massiv und massig und insbesondere zu heroisch.»

Der Obelisk ist leicht krumm geworden in all den Jahren. 
Charles Ellena

Eine Verortung

Wenn auch nicht die gleiche Kunstform, so gibt es dennoch einige Parallelen zum Denkmal in Morgarten. «Beide Schlachten wurden, auch durch die Denkmäler, zu alteidgenössischen Freiheitskämpfen stilisiert und die Monumente als Symbole der Opferbereitschaft für Freiheit und Unabhängigkeit interpretiert.» Mit dem Morgartenschiessen und dem Murtenschiessen sind beide Ereignisse in eine gelebte Tradition aufgegangen, die in den Denkmälern eine Verortung findet.

«Heute wird die Einigkeit der Schweiz nicht mehr infrage gestellt. Ein Denkmal wie der Obelisk in Murten müsste und würde heute nicht mehr erbaut werden.» Aber wir könnten anhand von solchen Denkmälern deren eigene Geschichte zurückverfolgen, uns fragen, weshalb sie geschaffen wurden und welche Geschichten zur Zeit ihrer Entstehung von Bedeutung waren, so Fabienne Meyer. Hinter dem Obelisken stecke keine störende Geschichte, «und er hat bestimmt noch für viele Menschen Bedeutung». Auch wenn der Standort des Denkmals heute ein Parkplatz ist und ziemlich ausgestorben wirke. «Denkmäler sind seit jeher dazu da, Erinnerung zu generieren und an einem Ort für die nächsten Generationen festzuhalten.»

Zur Person

Doktorarbeit an der Uni Freiburg

Fabienne Meyer ist Doktorandin im Projekt des Schweizerischen Nationalfonds «Zwischen Opferdiplomatie und Entschädigungsforderungen. Das Verhalten der Schweizer Behörden gegenüber den Schweizer Opfern der NS-Gewaltherrschaft und ihr Umgang mit den deutschen Behörden, 1933-1965». Die Leitung hat die Freiburger Geschichtsprofessorin Christina Späti. Zu Meyers Forschungsschwerpunkten gehören neben Schweizer Denkmalkultur auch Holocaust und Nationalsozialismus, die Schweiz zur Zeit des zweiten Weltkriegs sowie Gedächtnisgeschichte. Auf die Denkmäler stiess sie eher zufällig: «Ich habe in meiner Masterarbeit Holocaust-Denkmäler dokumentiert und nach dem Studium beim Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport die Armee- und Kriegsdenkmäler in der Schweiz inventarisiert.» Worauf sie anfänglich eher zufällig stiess, lasse sie nun nicht mehr los. emu

Die Inschrift auf dem Obelisken. 
Charles Ellena

Kommentar (0)

Schreiben Sie einen Kommentar. Stornieren.

Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. Die Pflichtfelder sind mit * markiert.

Meistgelesen

Mehr zum Thema