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Die «Gassenhörerin» im Bahnhof Freiburg

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Die «Gassenhörerin» im Bahnhof Freiburg

Annette Wicht sucht in kirchlichem Auftrag den Kontakt zu Heranwachsenden

Das ist ihr Beruf: Sie hört jungen Menschen zu, denen sie zufällig am Bahnhof Freiburg begegnet. Annette Wicht arbeitet seit gut einem Jahr im Auftrag der katholischen Kirche des Kantons Freiburg als «Gassenhörerin», als so genannte «écouteuse de rue».

Von VALERIE BORY/Kipa

«Du scheinst deinen Schulnachmittag schon hinter dir zu haben, schön», ruft Annette Wicht einer Halbwüchsigen zu, die eher zufällig am Bahnhof zu sein scheint. Einer anderen ruft sie aufmunternd zu: «Ganz schön kalt heute, nicht wahr?» Annette Wicht ist zu jeder Jahreszeit da, bei jedem Wetter, nachmittags von halb drei bis sechs Uhr, vier Tage pro Woche.

Die «Gassenhörerin» spricht mit den jungen Leuten unter Wahrung der Anonymität und der Vertraulichkeit. Erzählt sie von ihrer aussergewöhnlichen Tätigkeit, so ist aus jedem ihrer Worte zu spüren, wie sehr sie für die jungen Menschen Sympathie hegt, denen sie auf die einfachste Art der Welt begegnet.

Wie packt die junge Frau, die sich in nichts von anderen Passantinnen unterscheidet, ihre Aufgabe an? «Zuerst beobachte ich, und dann gehe ich auf einen jungen Menschen nach zwei Kriterien zu: Ich suche mir eher jemanden aus, der allein ist. Und vor allem jemanden, der nicht wohl in seiner Haut zu sein scheint.» Meistens unterhält sich Annette Wicht mit 13- bis 18-Jährigen, und aus Gründen der Affinität gehe sie auch leichter auf Mädchen zu, gesteht sie.

Kein Beharren

Wie reagieren sie auf diese «Gassenhörerin» mit dem feinen Lächeln und dem direkten Blick? Ohne das geringste Misstrauen, versichert Annette Wicht. «Ich werde gut aufgenommen. Sie räumen aber ein, dass es doch aussergewöhnlich sei, von einer erwachsenen Person angesprochen zu werden. Ich spreche sie an, plaudere ein bisschen mit ihnen, stelle mich vor und sage ihnen dann, dass ich ihnen gerne zuhöre. Antworten sie dann, dass meine Arbeit ja ganz lässig sei, sage ich ihnen, dass ich von der katholischen Kirche beauftragt bin. Spüre ich Verlegenheit, beharre ich nicht und frage, ob ich störe.»

Die Jugendlichen sprechen oft von ihrer Ausbildung, aber auch von fehlendem Selbstwertgefühl, von Eltern, die sich streiten, von Problemen rund um Alkohol oder Cannabis, von den Beziehungen zum anderen Geschlecht und sogar von Spiritualität.

«Das Äussere zählt viel»

«Die Schüler bekunden oft grosse Mühe, sich in ihrer Arbeit für die Schule zu organisieren. Viele unter ihnen arbeiten zu wenig. Vielfach müssen sie erst eins auf den Kopf kriegen, um die Ärmel hochzukrempeln, oder die Eltern greifen durch. Sie fühlen sich in der Schule unverstanden, und einige leiden unter den Spötteleien ihrer Mitschüler», erzählt Annette Wicht.

«Das Äussere zählt viel für sie. Ihre Freizeit verbringen sie oft in den Einkaufszentren. Es fehlt ihnen an selbstständigem Denken und persönlichem Verantwortungsbewusstsein, sie sind auf der Suche nach sich selber. Sie kleiden sich nach bestimmter Art, nach Massgabe der Musik, die sie hören, oder der Gruppe, der sie angehören. Sie machen sich Sorgen um ihre Zukunft: Einen Beruf zu wählen, den sie ausüben möchten, ist für sie nicht leicht.»

Folgen einer Trennung der Eltern

Das Thema Eltern ist nicht sofort Gegenstand des Gesprächs, unterstreicht Annette Wicht. «Ich werde mit sämtlichen Schwierigkeiten von Kindern aus neu zusammengesetzten Familien und von Geschiedenen konfrontiert. Geht es den Eltern nicht gut, so machen sich die Heranwachsenden Sorgen und fragen sich, was wohl mit ihnen geschehen wird.»

Was in diesen neuen familiären Konstellationen vielfach ignoriert werde, sei die Tatsache, dass Heranwachsende bei einer Trennung der Eltern oft zu Hause helfen müssen. Das treffe jedenfalls auf das weibliche Geschlecht zu. Annette Wicht erinnert sich an ein junges Mädchen, das den ganzen Haushalt besorgen musste. «Nach unseren Gesprächen konnte sie mit ihrer Mutter sprechen und einen Teil der Haushaltarbeit an ihren Bruder abgeben, der zuvor keinen Finger gerührt hatte.» Die «Gassenhörerin» begnügt sich nämlich nicht damit, Kontakt herzustellen, sondern sorgt nötigenfalls dafür, dass eine Beziehung aufgebaut wird.

Problem: Alkoholkonsum

Häufig seien die jungen Leute nicht in der Lage, ihre eigenen Probleme zu erfassen. «Sie türmen die Probleme aufeinander. Und dann wird alles schwarz, unlösbar. Ich zeige ihnen, wie man die Probleme nebeneinander ausbreitet, damit sie klarer werden, und wie man die Dinge auseinander nimmt. Sie sind froh, wenn ihnen jemand zuhört, einfach so, ohne ihnen eine Moralpredigt zu halten.»

Die meisten Heranwachsenden, mit denen Annette Wicht zu tun hat, sagen gleich eingangs, dass sie viel Alkohol trinken. «Oft acht bis zehn Bier pro Abend, auch die Mädchen. Das macht ihnen allerdings erst dann Sorgen, wenn sie Mist gebaut haben. , gestand mir voller Angst ein Halbwüchsiger nach einem schweren Unfall.»

Mit 18 obdachlos

Die Gassenhörerin gerät auch an jene, die keine Zukunft vor sich sehen, die arbeitslos sind und deshalb herumhängen. Manche haben gar kein Dach mehr über dem Kopf. So wie dieses knapp 18-jährige Mädchen, das von seiner Adoptivfamilie vor die Türe gesetzt worden war und dann in einer Pflegefamilie platziert wurde. «In dieser Familie sind die Dinge schlecht
gelaufen und sie ist schliesslich ausgerissen. Sie landete in einer Aufnahmestelle für Obdachlose in Freiburg, wo sie erst tags und dann auch nachts Unterschlupf fand. Unter all den Gebeutelten des Lebens war sie dort allerdings die einzige junge Person. Jetzt hat man für sie einen Platz in einem Heim gefunden. Ihr Leben muss sie aber dennoch in Angriff nehmen, ohne jemanden in ihrer Nähe zu haben», bedauert Annette Wicht.

SMS-Generation

Sie hat mit einer jungen Generation zu tun, die gelernt hat, mit Zeichen zu kommunizieren. «Amouröse Initiativen werden per SMS ergriffen, Beziehungen aber auch per SMS abrupt wieder aufgelöst. Eine Beziehung, die vielleicht zwei Jahre gedauert hat, beenden manche einfach auf diese Weise.» Annette Wicht staunt über diese Generation, die behände auf den Tasten des Mobiltelefons herumfingert, statt sich der Mühe einer Kommunikation von Angesicht zu Angesicht zu unterziehen.

Jugendliche geben
Gesprächsthema vor

Nicht selten kommt es zu Gesprächen, die sich um den Sinn des Lebens drehen. «Spüren sie, dass ich eine christliche Ethik vertrete, bringen sie manchmal das Thema Glauben aufs Tapet. Das kann dann weit führen. Ich weiss um die Zweifel, erlaube mir aber aus christlicher Sicht eine des Lebens eines jungen Menschen. Man muss, denke ich, dem anderen aufzeigen, dass man ihn von etwas Tieferem angezogen fühlt, wenn dies der Fall ist. Es ist wichtig, das Spirituelle wie überhaupt alle transzendenten Fragen in den Alltag einzubringen. Aber es ist immer der junge Mensch, der entscheidet, worüber er sprechen will.»

Die «Gassenhörerin»

An vier Nachmittagen pro Woche

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