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Die innere Mitte suchen sie nicht

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Autor: Kristina Soldati

Villars-sur-GlâneGongschläge rufen zur Sammlung auf. Einzeln betreten die Tänzerinnen der Compagnie Fabienne Berger die Bühne. Bei Gongschlägen sammeln wir uns auch innerlich. Zumal im Yoga. Doch die vereinzelten Figuren des neuen Stücks «Floating» biegen sich nur beflissen von ihrer inneren Mitte weg.

Sie werden diese auch nicht finden, ihr gesamtes Bühnenleben lang nicht. Vielleicht, weil sie sie nicht suchen. Dabei hatte die Tänzerin Fabienne Berger, gebürtig aus Lausanne, das ach so zentrale Körperzentrum des Modern Dance spätestens in San Francisco gefunden, wo sie studierte. Die obligatorischen «Contractions» (Konvulsion im Becken, eingeführt von der Pionierin Martha Graham) waren bis in die tiefsten Schichten ihrer Körpermitte eingedrungen.

Brüche und Widersprüche

Doch der heutige Mensch ist nicht von der Mitte her bestimmt. Die entsprechende kopernikanische Wende des Tanzes entstand mit der Postmoderne. Statt der Frage nach dem tieferen Beweggrund unseres Selbst nachzugehen, spielte ein Strang dieser Tanzentwicklung in den USA mit Collage. Sie setzte zusammen, was nicht zusammenpasst – und sich verbunden kaum tanzen lässt. Unser fragmentiertes Bewusstsein tut das Restliche, um anzukommen, wo der heutige Tanz ist: inmitten von Brüchen und Widersprüchen.

So eignen sich die Figuren von «Floating» nach und nach Posen an, um sie umgehend gegen neue einzutauschen. Ihr Konsum von Haltungen prêt-à-porter ist berauschend, eine Positur löst die andere ab, eine Ausdrucksgebärde jagt die andere. Keine der Figuren wird ihre eigene Identität entfalten, auch keine sich dauerhaft eine zulegen. Der Bewegungsspielraum ist so eng, wie der zwischen den Regalen eines Warenhauses. Kaum holt ein Arm oder Bein aus, schon streift sich ihm das nächste Modell aus dem Sortiment über.

Wir werden vielleicht nie wieder über Bühnen fegende und wirbelnde Männer und Frauen sehen, doch daran sind wir selber schuld. Wir sind unauthentisch und fremdbestimmt. Im Überschwang der Bilderflut gerinnt in uns stets ein anderes Idol zum Lebensziel.

Soziologie und Tanz

Und hier wird der zeitgenössische Tanz zur Gesellschaftskritik. Fabienne Berger widmete sich zehn Jahre lang der Soziologie und arbeitete unter anderem für die Flüchtlingshilfe. Als sie sich vor 20 Jahren wieder dem Tanz zuwandte und in der Wahlheimat Freiburg eine Compagnie gründete, war das nicht, um sich von der Realität freizutanzen. Sie band ihre Figuren in das Netz medialer Übermacht, das sie mal verstrickte, mal fast erstickte («Elle(s)», «Screen Sisters»).

Auch diesmal entflechten sich die Protagonisten erst kurz vor dem Ende aus dem ewigen Rollenspiel und aus den Fängen einer polyperspektivischen interaktiven Bildschirmprojektion. Sie gehen in Deckung. Und als sie sich vom Boden wieder emporrecken, erfasst sie ein innerer Schauer, ein fast spirituelles Erzittern. Ob sie das befreit?

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