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«Die Lebensrealitäten von Frauen werden immer noch vernachlässigt»

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Geneviève Beaud Spang verabschiedet sich Ende August nach mehr als 20 Jahren von der Leitung des Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann und für Familienfragen (GBF). Im Interview lässt sie zwei bewegte Jahrzehnte Revue passieren.

22 Jahre – eine lange Zeit – hat Geneviève Beaud Spang die Gleichstellungspolitik des Kantons Freiburg geprägt. Sie blickt auf eine bewegte, ereignisreiche und fordernde Zeit an der Spitze des – mit heutigem Namen – Büros für die Gleichstellung von Mann und Frau und für Familienfragen (GBF) und auf viele gewichtige politische Entwicklungen zurück. Sie lässt die FN kurz vor ihrer Pensionierung Ende August im Gespräch an ihrem Rückblick teilhaben.

Geneviève Beaud Spang, nach 22 Jahren als Leiterin des GBF werden Sie Ende August aus dem Amt scheiden. Fiel es Ihnen schwer, diese Entscheidung zu treffen?

Ja. Der einzige Grund dafür ist, dass ich das gesetzliche Rentenalter erreiche. Ich habe das grosse Privileg, mein berufliches Umfeld sehr zu mögen. Wir verstehen uns gut und die Zusammenarbeit ist interessant und bereichernd. Deshalb fällt mir der Gedanke an den Abschied schwer. Ich mag diese Arbeit, und es gibt weiterhin viel zu tun. Auf der anderen Seite hatte ich immer ein sehr erfülltes Leben mit verschiedenen Rollen – als Berufstätige, Aktivistin, Mutter und pflegende Angehörige. Ich denke, dass man an einem bestimmten Punkt eine Wahl treffen muss. Aber ich habe jetzt einfach das gesetzliche Rentenalter erreicht.

Wenn Sie an Ihre Zeit beim GBF zurückdenken, mit welchen Gefühlen nehmen Sie Abschied?

Für mich fühlt es sich noch nicht wie ein Abschied an, denn ich bin immer noch sehr in meine Arbeit vertieft. Sogar dieses Interview lässt mich wieder in meine Arbeit eintauchen. Auch wenn ich das GBF verlasse, bleibe ich jemand, die sich für die Gleichberechtigung der Geschlechter und für soziale Gerechtigkeit einsetzt. Nur die Form meines Engagements wird sich ändern. Meine Gefühle sind etwas gemischt – aber es ist kein Abschied, sondern lediglich eine Veränderung.

Welche Momente oder Entwicklungen waren für Sie in Ihrer Zeit beim GBF besonders prägend?

Jeder einzelne Schritt in Richtung Gleichstellung ist wichtig, aber nicht endgültig. Selbst wenn es neue Gesetze gibt, reicht das nicht aus. Es braucht nicht nur strukturelle Veränderungen, sondern auch die kulturelle Entwicklung, die diese Veränderungen mit sich bringen. Ein Höhepunkt war beispielsweise, als Freiburg drei Staatsrätinnen hatte – ein Zeichen des Fortschritts. Damals sprach man davon, dass Freiburg zu den offenen, fortschrittlichen Kantonen gehört. Aber ein paar Monate später war das schon wieder Vergangenheit. Dann kommt man wieder in eine Situation, in der man jahrelang nur eine Frau in der Regierung hat. Ich erkenne die Fortschritte, aber kein Schritt ist je endgültig. Wir müssen ständig aktiv bleiben, um die Veränderungen zu festigen. Dafür benötigen wir Unterstützung und eine politische Kraft.

Die Frauenbewegung des 14. Juni war ein Meilenstein, weil sie uns gezeigt hat, dass wir nicht allein sind.

Geneviève Beaud Spang
Leiterin Büro für die Gleichstellung von Mann und Frau und für Familienfragen

Der Frauenstreik vom 14. Juni 2019 war jene Veranstaltung in der Geschichte von Freiburg, die die meisten Menschen zusammengebracht hat. Solche Ereignisse zeigen, dass Veränderungen möglich sind. Sie zeigen aber auch, dass politische Institutionen in einem anderen Rhythmus agieren als soziale Bewegungen. Dennoch geben solche Momente neuen Schwung und Hoffnung.

Sie betonen den 14. Juni 2019. Wie hat sich die kurz darauf folgende Pandemie auf diese Bewegung ausgewirkt? 

Ich glaube, dass die Pandemie die Schwierigkeiten für Frauen verschärft hat. Ein gutes Beispiel ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Das Homeoffice, das wir schon seit Jahren fordern und was angeblich schwer umzusetzen war, war plötzlich innerhalb von zwei Wochen möglich. Gleichzeitig mussten viele Frauen ihre Kinder zu Hause betreuen. Von ihnen wurde erwartet, dass sie beides gleichzeitig bewältigen können, als wäre es selbstverständlich. Das zeigt mir, dass die Lebensrealitäten von Frauen immer noch vernachlässigt werden.

Wo stehen wir derzeit auf dem Weg zur Gleichstellung der Geschlechter?

Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist die Gleichstellung der Geschlechter eine klare Vorgabe. Es gibt ein Gleichstellungsgesetz, verschiedene Massnahmen und Gleichstellungsbüros. Aber es gibt Hindernisse in der tatsächlichen Umsetzung. Obwohl es ein Gleichstellungsgesetz gibt, müssen diejenigen, die sich diskriminiert fühlen, selbst aktiv werden und ihren Fall vorbringen. Es liegt also an den Betroffenen, den Rechtsweg zu beschreiten. Es gibt keine Kontrolle. Das Gleichstellungsgesetz existiert zwar, wurde aber politisch ohne Kontrollmechanismus beschlossen. Selbst die jüngste Anpassung, wonach Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten eine Lohngleichheitsprüfung durchführen und die Ergebnisse veröffentlichen müssen, endet dort. Es gibt keine verbindlichen Massnahmen bei Verstössen. Das reine Kommunizieren reicht nicht aus. Um die Lücke zwischen dem institutionellen Rahmen und den Erwartungen von Gleichstellungsbüros, Frauenbewegungen und allen, die soziale Gerechtigkeit fordern, zu schliessen, bedarf es entschlossener politischer Massnahmen.

Sonst wird es noch Jahrzehnte dauern, bis sich etwas ändert.

Geneviève Beaud Spang
Leiterin Büro für die Gleichstellung von Mann und Frau und für Familienfragen

Braucht es dafür also auch einen Wandel in der Denkweise der Menschen?

Nicht nur der Menschen, sondern auch der Strukturen. Unser System der beruflichen Vorsorge ist auf Vollzeitarbeitende ausgerichtet. Die zweite Säule ist ein überwiegend männliches Modell, da es keine Pausen oder Unterbrechungen, beispielsweise für die Kindererziehung, vorsieht. Eine unserer grössten Herausforderungen ist es, die Diskriminierung im Erwerbsleben zu beenden, da diese die finanzielle Unabhängigkeit von Frauen ihr Leben lang beeinflusst. Am Beispiel der «gläsernen Decke» zeigen sich nach wie vor deutliche Stereotype. Frauen gelangen weiterhin viel seltener in Führungspositionen als Männer. Ein weiterer Punkt ist die unbezahlte Arbeit. Sie hält die Gesellschaft am Leben und wird in der Schweiz auf einen Gesamtwert von 434 Milliarden Franken geschätzt. Das betrifft insbesondere die Hausarbeit sowie die Pflege von Angehörigen und wird mehrheitlich von Frauen geleistet. Diese zusätzliche Belastung kann Frauen davon abhalten, sich weiterzubilden oder mehr Arbeitsstunden zu leisten. Die fehlende Arbeitsteilung innerhalb einer Partnerschaft macht sich auch in diesen Situationen bemerkbar. Für uns ist es also wichtig, auch die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern im familiären Bereich zu bekämpfen, weil sie sich auf die Lebensqualität, die Gesundheit und die Stellung der Frauen in der Gesellschaft auswirken.

Was sind die nächsten Aufgaben für das GBF?

Wir haben die Anliegen unseres Teams klar formuliert. Gemeinsam mit der neuen Leiterin wird das Team die nächsten Schritte einleiten. Ein zentrales Anliegen ist es, die oft unsichtbar gemachten Herausforderungen in der beruflichen Laufbahn von Frauen wieder sichtbar zu machen. In der Bildungswelt muss mehr Ausgewogenheit bei der Berufswahl erreicht werden. Es gibt immer noch stark stereotypisierte «Männer-» und «Frauenberufe», was auf die gesellschaftliche Sozialisierung zurückzuführen ist. Diese geschlechtsspezifische Aufteilung beeinflusst die Karrieren und Gehälter von Frauen. Einkommensunterschiede während des Erwerbslebens führen später auch zu Unterschieden in der Rente.

Frauen erhalten im Durchschnitt rund 34 Prozent niedrigere Renten als Männer.

Geneviève Beaud Spang
Leiterin Büro für die Gleichstellung von Mann und Frau und für Familienfragen

Wir sind besorgt, dass das Risiko finanzieller Unsicherheit für Frauen, insbesondere für geschiedene oder teilzeitbeschäftigte Frauen, oft übersehen wird. Es besteht die Gefahr, dass prekäre Lebenssituationen für Frauen zunehmen. In der Arbeitswelt sind wir zudem mit dem gravierenden Problem der sexuellen Belästigung konfrontiert – ein oft verborgenes Leid, das Menschen innerlich zerstört. Im familiären Bereich legen wir unseren Schwerpunkt auch auf die häusliche Gewalt. Während meiner Amtszeit haben wir dieses Thema intensiviert. Als Präsidentin der Kommission gegen Gewalt in der Partnerschaft haben wir Netzwerke zwischen den verschiedenen Berufsgruppen gestärkt und auf die negativen Auswirkungen von Gewalt in Beziehungen auf die Kinder aufmerksam gemacht. Gemeinsam mit dem Kanton Bern haben wir die interaktive zweisprachige Ausstellung «Stärker als Gewalt» entwickelt, die vor allem bei Jugendlichen gut ankommt. Solche Initiativen sind wichtig. Das GBF führt sie auch in Zukunft weiter.

Wie wird das GBF ohne Sie weiter laufen?

Ich glaube, dass der aktuelle gesellschaftliche Trend das Team weiter motivieren wird. Es werden sicherlich einige Dinge anders sein, wenn ich weg bin. Aber es werden auch neue und vielleicht sogar bessere Ansätze entstehen. Ich mache mir keine Sorgen.

Was sind Ihre persönlichen Pläne für die Zukunft?

Das ist ein bisschen mein Geheimnis. Ich möchte in meinem Kopf und in meinem Herzen Platz haben, um all die Dinge zu tun, für die ich nie wirklich Zeit hatte. Aber ich werde nichts über meine Projekte verraten.

Geneviève Beaud Spang

Geneviève Beaud Spang wuchs in einem Umfeld auf, das von humanistischen und feministischen Werten geprägt war – vor allem beeinflusst durch ihren Vater, den sie als einen Pionier des Feminismus betrachtet. Nach ihrem Studium an der Universität Freiburg, wo sie ein Lizenziat und ein Fachdiplom in Sozialer Arbeit erlangte und zudem als Assistentin in Soziologie tätig war, zog es sie nach Paris. Dort arbeitete sie als Sozialarbeiterin mit drogenabhängigen Jugendlichen und Langzeitarbeitslosen.

Zurück im Kanton Freiburg engagierte sie sich politisch: «Ich war die Jüngste und eine der wenigen Frauen aus einer kleinen Partei und somit viele Jahre in einer Minderheitensituation im Generalrat», sagt sie über diese Zeit. Anschliessend verantwortete sie als Gemeinderätin in Freiburg das Amt für Schule, Kinder und gesellschaftlichen Zusammenhalt, bis sie 2001 die Führung des Büros für die Gleichstellung von Mann und Frau und für Familienfragen (GBF) übernahm. sf

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