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Die uralte Legende

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Die uralte Legende

Meinen Urgrossvater habe ich nie gekannt. Dafür die uralte Geschichte, die er seinem Sohn erzählte und welche mein Grossvater an meinen Vater weitergab. Der erzählte sie schon früh an mich weiter. Neulich habe ich sie von einem alten Mann zum ich weiss nicht wievielten Mal gehört. Es ist die Geschichte, nein, die Legende, von der guten, alten und besseren Zeit.

Der Inhalt ist mir längst bekannt: keine Heizung, drei in einem Bett, vor und nach der Schule in den Stall, jeden Abend Milchbrocheli. Wenn Fleisch, dann nur sonntags und immer selbst gemetzgete Kaninchen oder alte Suppenhühner, sechs Tage lang zehn und mehr Stunden Arbeit und trotzdem kein Geld. Es ist die Legende vom besseren Leben in erbärmlicher Armut. Ich glaube ihm jedes Wort und habe grössten Respekt gegenüber dieser Generation. Dass er aber so furchtbar stolz auf diese Zeit ist, will mir nicht in den Kopf und ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass es besser war, nichts zu haben. Anders war es ganz bestimmt. Aber besser?

Letzte Woche erzählte mir ein 25- Jähriger, dass es in seiner Kindheit viel besser war und dass sie wesentlich weniger hatten. Das Sackgeld habe er immer mit dem Vorwurf erhalten, dass es früher keines gab. Das sei wirklich besser gewesen, als heute, wo Schüler ihr Sackgeld Ende Monat gleich nötchenweise am Kiosk verjubeln. Dabei vergisst er, dass der Fünfliber, den er einst selbst verprasste – inflationsbereinigt – nicht weniger war.
Neulich sprachen sie in einer zufälligen Runde über Missstände und Desinteresse in unserer Gesellschaft. Sofort hatten gleich mehrere eine Erklärung dafür: «Uns geht es halt zu gut.» Da ist sie schon wieder die Uraltlegende, in einer anderen Form. Wenn die Recht haben, müssen wir nur das Rad zurückdrehen und dafür sorgen, dass es schlechter wird, damit es uns besser geht. Ich weiss nicht, wie die reagieren würden, wenn es ihnen morgen tatsächlich schlechter ginge. Besser würden sie sich bestimmt nicht fühlen.

Ich zerbreche mir schon lange den Kopf darüber, warum die Leute glauben, dass es früher besser war und dass es uns besser ginge, wenn es uns schlechter gehen würde. Wahrscheinlich hat es mit Vertrautheit zu tun. Das, was passiert ist, die Vergangenheit, kennen wir, selbst wenn sie objektiv nicht so gut war, ist sie uns vertraut. Die Zukunft hingegen ist noch nicht einmal geboren und niemand weiss, wohin genau sich die Gegenwart entwickeln wird. Also wendet man sich dem zu, was man kennt und erhebt es zum Besseren. Wer aber im Gestern das Bessere sieht, für den hat das Heute immer einen Mangel. Ob das dauernde Empfinden von Mangel zu einem guten, zufriedenen Leben führt?

Vielleicht gibt es noch einen andern Aspekt. Mein ganzes Leben lang habe ich «Mehr» erlebt. Mehr Bruttosozialprodukt, mehr Informationen, mehr Verkehr, mehr Medien, mehr Unterhaltung, mehr Ferien, mehr Bildung, mehr Lohn und mehr Kosten. Immer mehr, immer mehr Menge. Da habe ich öfters schon das Gefühl, dass wir mehr an Qualität ganz gut gebrauchen könnten. Das ist nichts Tragisches, es bedeutet nur, dass wir noch einiges zu tun haben. Wie dem auch sei, ich bin überzeugt, dass wir in einer phantastischen Zeit leben, in einer Zeit auch der Herausforderungen, der Chancen und Möglichkeiten. Ich denke, wir sollten endlich erkennen, dass der Weg nach vorne nicht der Weg zurück ist. Wir sollten die Vergangenheit respektieren . . . und sie endlich friedlich ruhen lassen. Und uns endlich dorthin wenden, wo der Rest des Lebens stattfinden wird: in der Zukunft nämlich. Mit Zuversicht, Mut, neuen, kreativen und unkonventionellen Ideen, mit Anstand und Respekt, mit Eigenverantwortung und mit einer grossen Portion Lebensfreude. Würde es uns so nicht sofort noch viel besser gehen?

Der Autor, Beat Brülhart, wohnt in Düdingen. Er ist Unternehmensberater und Trainer/Coach für Führungskräfte sowie Referent am Schweizerischen Institut für Unternehmensschulung. Als Mitglied des Gewerbeverbandes Sense ist er in einem FN-Kolumnistenkollektiv tätig, das in regelmässigem Rhythmus frei gewählte Themen bearbeitet. Der Inhalt braucht sich nicht zwingend mit der Meinung der Redaktion zu decken.

Von BEAT BRÜLHART

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