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Ein unbequemer Mensch

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Autor: Giovanna Riolo

Nach Kriegsende ist in Ostdeutschland nichts mehr wie vorher. Gauck, Jahrgang 1940, der an der Mecklenburgischen Küste aufwächst, will sich nicht von der Ideologie der Besetzer vereinnahmen lassen und nach der unbegründeten Festnahme seines Vaters wird er zum überzeugten Gegner des Regimes.

Das hat einschneidende Konsequenzen für seine berufliche Laufbahn. Seine kritische Denkweise wird vom Gymnasialdirektor angekreidet, und der junge Gauck kann sein Wunschstudium «Germanistik» vergessen. Er wählt stattdessen die Theologie, denn das bietet ihm in der DDR einen gewissen Schutz- und Freiraum.

«Wenn wir gehen dürfen»

Früh gründet er mit seiner Jugendliebe eine Familie, hat zwei Töchter und zwei Söhne. Während 22 Jahren ist er als Pfarrer tätig, zuerst auf dem Land und später in Rostock. Dort beginnt für ihn eine aufreibende Zeit, die ihn privat wie auch politisch prägt.

Als Jugendpastor fühlt er sich seinen Schützlingen verpflichtet, jungen Leuten mit eigenen politischen Ansichten, die von der rigiden Regierung nicht akzeptiert werden. Er setzt sich für sie ein, damit ihnen die berufliche Zukunft offen steht oder dass sie unbehelligt in den Westen ausreisen können.

Seine Tätigkeit führt dazu, dass er verstärkt kontrolliert und vom berüchtigten Staatssicherheitsdienst bespitzelt wird. Doch dies hält ihn nicht davon ab, Kirchenanlässe gemeinsam mit westdeutschen Kirchenvertretern zu organisieren. Er wird 1988 an einem solchen Anlass über die Grenze bekannt mit einer Aussage gegen die DDR-Regierung, die keine Bürger mehr ausreisen lassen will: «Wir werden bleiben wollen, wenn wir gehen dürfen.»

Er selber muss schmerzlich erfahren, wie seine Familie zerrissen wird. Beide Söhne und eine Tochter entschliessen sich, nicht mehr nach dem DDR-Diktat zu spuren und somit an den Rand der Gesellschaft gedrückt zu werden. Sie lassen sich mit einem aufwendigen Verfahren «ausbürgern», um in Westdeutschland Fuss zu fassen. Der Kontakt zur zurückbleibenden Familie wird ihnen untersagt. Auch viele Freunde ziehen ein freies Leben im Ausland vor. Doch für Gauck ist es undenkbar, sein Land zu verlassen, er ist überzeugt: «Wenn alle guten Leute ausreisen, bleibt keine gute Substanz zurück.»

Die DDR im Aufbruch

Als sich in Leipzig Widerstand manifestiert und Tausende gegen die Regierung demonstrieren, bleibt es in Rostock noch ruhig. Doch auch das behäbige Mecklenburg wacht auf und schliesst sich 1989 den Demonstranten an. Aus den politisch manipulierten Objekten und angepassten Staatsbewohnern werden eigenständige Menschen, die ihre Rechte auf Freiheit fordern.

Auch Gauck äussert sich öffentlich an den Manifesten und kann als charismatischer Redner die mutig gewordene Gesellschaft mitreissen. Er vergleicht die Wende mit biblischen Wundern, wo Gelähmte plötzlich gehen können. Doch das Angst- und Anpassungssyndrom steckt tief in den Köpfen der Menschen, der «aufrechte Gang» musste erst erlernt werden.

Gauck bleibt im Osten und leistet Aufbauarbeit, als er von Bundeskanzler Helmut Kohl zum Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen ernennt wird. Auch nach der Wende bleibt er sich selber treu: als unbequemer Mensch, geprägt von einem unbequemen Leben. Dieses Buch ist detailliert und chronologisch geordnet aufgebaut. Die mühsamen Schritte über Jahrzehnte hin zur Demokratisierung der DDR können gut nachvollzogen werden und sind von zahlreichen Fotos begleitet. Ein Zeitdokument, das geschichtliche Entwicklung auf eindrückliche Weise vermittelt.

Joachim Gauck in Zusammenarbeit mit Helga Hirsch. «Winter im Sommer – Frühling im Herbst. Erinnerungen», 2009 Siedler Verlag.

Giovanna Rioloist Leiterin der Deutschen Bibliothek Freiburg.

Zur Person

Ein linker, liberaler Konservativer

Joachim Gauck, geboren 1940 in Rostock, studierte Theologie und war viele Jahre als evangelischer Pfarrer tätig. Schon in seiner Jugendzeit trat der spätere Mitbegründer des Neuen Forums in Opposition zum Sozialismus und der Diktatur der DDR. Von 1990 bis 2000 war er der erste Bundesbeauftragte für die Unterlagen der Staatssicherheit. Seit 2003 ist er Vorsitzender des Vereins «Gegen Vergessen – Für Demokratie». Er bezeichnet sich als linker, liberaler Konservativer. Im Februar 2012 wird er zum Nachfolger von Christian Wulff als Bundespräsident Deutschlands vorgeschlagen. Die Wahl findet am 18. März 2012 statt. gr

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