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«Engagement ist keine Frage der Zeit»

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Hans Lichtsteiner befasst sich als Titularprofessor am Institut für Verbands-, Stiftungs- und Genossenschaftsmanagement der Universität Freiburg mit Freiwilligenarbeit. Den FN erzählt er, warum Menschen sich engagieren und wie sich ihr Engagement im Lauf der Zeit geändert hat.

 

Hans Lichtsteiner, wer sind die Menschen, die sich für Sport, Umwelt oder soziale Anliegen engagieren?

Meist kommen sie aus dem Mittelstand, haben eine gute Ausbildung, eine Familie, sind beruflich eingebunden und politisch interessiert.

Das klingt nicht danach, als ob diese Menschen noch Zeit für anderes hätten.

Engagement ist keine Frage der Zeit. Das habe ich in meiner Dissertation zum Thema Freiwilligenarbeit im Alter herausgefunden: Leute, die sich bereits vor der Pensionierung engagierten, taten das auch danach; jene, die das nicht taten, haben im Rentenalter nicht damit angefangen. Wer sich engagiert, dem ist die Gesellschaft wichtig; der bringt eine gewisse Grundneugier gegenüber neuen Welten mit. Das sind Macher, die Probleme anpacken, statt sich darüber zu beschweren.

Warum engagieren sich denn diese Menschen?

Engagement entsteht aus einem inneren Antrieb, man kann das nicht erzwingen. Man setzt sich ein, weil man sich mit einem Thema identifiziert; einen Bezug dazu hat; sich besonders dafür interessiert.

Und was bringt ihnen das?

Durch ihr Engagement können sich die Menschen weiterentwickeln, sie schöpfen daraus Sinn und haben Freude. Von aussen erhalten sie Anerkennung, Wertschätzung und Sozialprestige.

Wie wichtig ist freiwilliges Engagement für die Gesellschaft?

Unschätzbar wichtig. Im Sport werden acht von zehn Arbeitsstunden freiwillig geleistet. Ohne Freiwilligenarbeit gäbe es die Schweizer Sportlandschaft wohl nicht. Daneben profitieren zahlreiche soziale Einrichtungen und andere gesellschaftliche Bereiche.

Kann Engagement auch schädlich sein?

Wenn sich jemand zu dogmatisch, zu radikal für eine Sache einsetzt, dann kann das schädlich sein. Auch wenn sich jemand zu sehr aufopfert und die Distanz verliert; wenn mit dieser Person nur noch über ihr Engagement geredet werden kann. Es ist sehr schwierig, diese Leute wieder davon abzubringen.

Ist Engagement ein ­menschlicher Wesenszug?

Ja. Jeder begeistert sich für etwas und ist bereit, dafür eine Extrameile zu gehen. Wie stark ausgeprägt das ist, hängt ab vom Charakter und der Sozialisierung sowie kulturellen Faktoren.

Gibt es denn kulturelle Unterschiede?

Ja, sogar innerhalb der Schweiz. Deutschschweizer setzen sich mehr im sozialen Bereich ein, Westschweizer eher in der Kultur.

Warum ist das so?

Das Staatsverständnis, was dieser leisten soll, ist hier wichtig. Für Frankofone ist das Sozialwesen Aufgabe des Staates – darum engagieren sie sich in diesem Bereich weniger als Deutschschweizer.

Wie sieht es in den anderen Erdteilen aus?

In Asien und im arabischen Raum engagieren sich die Menschen eher innerhalb ihrer Familie und ihrer Sippe, nicht für die gesamte Gesellschaft – deshalb haben Hilfsorganisationen manchmal Probleme, dort lokale Helfer zu finden. In Nordamerika ist es wichtig, sein soziales Engagement nach aussen zu tragen und sich damit selbst darzustellen. Wohlhabende Familien zeigen damit: Wir haben so viel Geld, wir können es uns leisten, wohltätig zu sein.

Zeigt man das in der Schweiz lieber nicht?

Früher eher nicht, aber langsam wandelt sich das. In der Schweiz gibt es aktuell rund 13 000 private gemeinnützige Stiftungen, und doch kommen ständig neue dazu. Jeder glaubt, für sein spezifisches Anliegen brauche es eine neue Stiftung; sehr oft trägt diese auch den Namen des Gründers.

Geht das auf Kosten der Vereine? Man liest immer wieder, diese hätten Mühe, Mitglieder zu finden.

Nicht unbedingt. Es gibt auch immer mehr Vereine, aber die Verweildauer der Mitglieder wird kürzer. Früher ist man beispielsweise als Jugendlicher in die Musikgesellschaft eingetreten und dort für den Rest des Lebens geblieben. Heute engagiert man sich vielleicht drei bis vier Jahre lang für einen Verein, hat eine gute Zeit, will dann aber wieder etwas anderes machen.

Wie erklären Sie sich das?

Die heutigen Lebenskonzepte sind komplex, man will sich nicht durch starre Vereinsstrukturen einschränken lassen. Dafür ist das Engagement eher punktuell und lockerer geworden: Jemand hilft etwa beim Feldschiessen, will aber nicht gleich Mitglied beim Schützenverein werden. Ich glaube, die Vereine könnten gewinnen, wenn sie von ihren traditionellen Strukturen wegkommen und diese flexibler gestalten würden.

Sehen Sie Alternativen zu Vereinen?

Es gibt tatsächlich Parallelstrukturen, dabei spielen das Internet und soziale Medien eine immer grössere Rolle. Auf sozialen Medien können sich Gleichgesinnte austauschen, ohne physisch anwesend zu sein. Zudem lassen sich über das Internet spontan Events organisieren. Das hat einen Einfluss auf Vereine, aber auch auf das politische Leben.

Wie verändert das denn die Politik?

Politische Anliegen können heute ganz einfach über soziale Medien und im Internet verbreitet werden. Politisch Interessierte sind nicht mehr unbedingt angewiesen auf die Strukturen und Kommunikationskanäle der Parteien. Dadurch gibt es vor allem auf Gemeindeebene immer mehr parteilose Politiker.

Bringt das auch die Jugend vermehrt zur Politik?

Tatsächlich beobachte ich, dass sich Jüngere vermehrt im politischen und vor allem sozialpolitischen Bereich engagieren. Allerdings auch hier: weniger formell wie beispielsweise in einem Gemeinderat, sondern eher punktuell.

«Wer sich engagiert, der bringt eine gewisse Grund­neugier gegenüber neuen Welten mit.»

Zur Person

Selbst in Verbänden aktiv

Hans Lichtsteiner hat in Freiburg Betriebswirtschaftslehre studiert und zum Thema Freiwilligenarbeit im Alter doktoriert. Heute ist er Titularprofessor und Direktor Weiterbildung und Beratung am Institut für Verbands-, Stiftungs- und Genossenschaftsmanagement der Universität Freiburg. Er ist selbst im Stiftungsrat der Stiftung Cerebral, hat den Verein Stiftungsforum mitgegründet und ist Vorstandsmitglied von Plussport und des Vereins der Ehemaligen der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg.

nas

 

Freiwilliges Engagement

Wille zum Engagement ist historisch gewachsen

In der Schweiz gibt es laut Hans Lichtsteiner vom Institut für Verbands-, Stiftungs- und Genossenschaftsmanagement der Universität Freiburg 76 000 Vereine. Rund ein Viertel der Schweizer Wohnbevölkerung über 15 Jahre hat sich 2014 innerhalb von Vereins- und Organisationsstrukturen freiwillig engagiert, wie aus dem Schweizer Freiwilligen-Monitor hervorgeht. 38 Prozent engagierten sich ausserhalb von Vereinen. Aktuellere Zahlen sind nicht verfügbar.

Das freiwillige Engagement sei in der Schweiz historisch verankert, sagt Lichtsteiner. Das komme von einer liberalen Grundhaltung sowie einer kritischen Einstellung gegenüber dem Staat und zu grosser Machtkonzentration. Die Schweiz sei sehr kleinräumig, man habe sich früh selbst organisiert. Nach der Staatsgründung wollten die Gemeinden und Stände nicht zu viele Kompetenzen an den Bundesstaat abgeben. «Das gibt Freiheit und Gestaltungsspielraum, dafür müssen die Bürger mehr leisten.» Dadurch sei Engagement gefördert worden. Das gelte noch heute: «Wenn Staat oder Markt etwas nicht anbieten, dann gründen die Bürger einen Verein.»

nas

 

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