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«Er schoss aus Angst um sein Leben»

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«Vier Jahre später müssen wir Licht in ein Ereignis bringen, das sich innert weniger Sekunden abgespielt hat», sagte Jean-Benoît Meuwly gestern. Der Präsident des Gerichts des Broyebezirks–das ausnahmsweise in Freiburg tagte–betonte, dass das Gericht «in aller Unabhängigkeit» gearbeitet habe. Damit nahm er Bezug darauf, dass das Bundesgericht den Staatsanwalt zurückgepfiffen hatte, als er bereits in der Voruntersuchung auf Notwehr entschied (blauer Kasten). «Seither gab es zusätzliche Untersuchungen und Expertisen», sagte Meuwly. Und diese zeigten dem Gericht: Der Waadtländer Polizist, der im Autobahntunnel Sévaz auf ein Auto geschossen und den Beifahrer getötet hat, «hat in Notwehr gehandelt». Das Gericht sprach ihn sowohl der fahrlässigen als auch der eventualvorsätzlichen Tötung frei.

«Eine grosse Gefahr»

Der 38-Jährige habe subjektiv und objektiv in unmittelbarer Gefahr geschwebt, als der gestohlene Audi RS6 mit einer Geschwindigkeit von 138 Stundenkilometern auf ihn zugefahren sei. Das zehnzylindrige Auto mit 450 Pferdestärken habe im Tunnel gedröhnt wie ein Jagdflugzeug. «Es ist offensichtlich, dass der Polizist sich in grosser Gefahr glaubte.» Bei Notwehr stelle sich die Frage, ob das Verteidigungsmittel verhältnismässig sei, sagte Meuwly. «Der Polizist hatte kein anderes Mittel als seine Schusswaffe.» Er habe auf den Kühler gezielt. «Er schoss nicht, um Diebe anzuhalten, sondern aus Angst um sein Leben.» Er habe zudem nicht wegrennen können–zum einen habe die Zeit gefehlt, zum anderen habe er den Polizisten hinter sich schützen müssen.

Hingegen sprach das Gericht den Fahrer des Autos der Gefährdung des Lebens schuldig: Er erhält eine unbedingte Haftstrafe von 15 Monaten. «Er und sein Beifahrer wollten um jeden Preis der Polizei entkommen», sagte Meuwly. «Mit ihrer schnellen Fahrt haben sie andere und sich selber in Gefahr gebracht.» Die beiden hätten jederzeit abbremsen und sich ergeben können. «Sie hatten den Schlüssel in der Hand, um die Situation zu entschärfen.» Das Gericht glaubte den Erklärungen des Fahrers, er habe sich gewandelt, nur bedingt. «Seit den tragischen Ereignissen wurde er zwei Mal verurteilt, einmal wegen Gewalt gegen Beamte.»

Jacques Michod, der Anwalt des Polizisten, sagte, sein Mandant sei «sehr erleichtert». Auch Staatsanwalt Jean-Luc Mooser zeigte sich zufrieden.

Chronologie

Familie war vor dem Bundesgericht

In der Nacht auf den 18. April2010stahlen Diebe drei Luxusautos aus einer Garage im bernischen Lyss. Die Insassen zweier Fahrzeuge verliessen kurz vor der Autobahnausfahrt Payerne ihre Autos, als sie merkten, dass sie von der Polizei verfolgt wurden. Sie sprangen aus den noch fahrenden Autos und flüchteten zu Fuss übers Feld. Das dritte Auto–ein Audi–liess einen weiteren Dieb einsteigen und raste weiter. Die Polizei baute imAutobahntunnel Sévazeine Sperre mit einem Nagelgurt auf. Das Auto fuhr jedoch mit hoher Geschwindigkeit weiter, worauf einer der beiden Waadtländer Polizisten sieben Mal auf den Wagenschoss. Er traf den 18-jährigen Beifahrer, der noch auf der Unfallstelle verstarb. Die beiden Autodiebe waren unbewaffnet. Der Freiburger Generalstaatsanwalt Fabien Gasser stellte das Verfahren gegen den Polizisten 2011 ein: Er habe in Notwehr gehandelt. Dagegen erhob der Zwillingsbruder des Erschossenen Beschwerde – und das Bundesgericht wies Gasser an, gegen den Polizisten Anklage zu erheben. Gasser könne noch nicht definitiv wissen, was im Tunnel passiert sei. Für einen Entscheid nach dem Motto «Im Zweifel für den Angeklagten» sei es in einer Voruntersuchung zu früh. Gasser musste wegen Befangenheit inAusstandtreten. Die Autodiebe wurdenbereits verurteilt: Im August 2013 sprach das Gericht des Seebezirks unbedingte Haftstrafen von zwei und von drei Jahren gegen den Fahrer und den Zwillingsbruder des Erschossenen aus. Zwei weitere Diebe wurden in Frankreich verurteilt.njb

Reaktionen: «Die Familie ist schockiert über das Urteil»

D as Urteil erstaune ihn nicht, sagte Richard Calame gestern. Der Anwalt der Familie des getöteten Autodiebs sagte, das Urteil «liegt ganz auf der Linie dieses Prozesses». Er spielt damit darauf an, dass der Freiburger Generalstaatsanwalt Fabien Gasser den Waadtländer Polizisten, der den tödlichen Schuss abgegeben hatte, nicht vor Gericht hatte bringen wollen (blauer Kasten). Calame zeigte sich hingegen erstaunt über die Urteilsbegründung: «Ich sehe im Dossier keinen Hinweis darauf, dass der Polizist angegriffen worden ist – und das wäre eine Bedingung für Notwehr.» Die Familie des Opfers «ist schockiert über das Urteil», sagte er: «Sie kann das nicht nachvollziehen.» Auch Aurélie Planas, Anwältin des Fahrers, nahm vom Urteil «ohne Überraschung» Kenntnis. «Während der ganzen Untersuchung ging es eher darum, meinen Mandanten zu belasten denn ihn zu entlasten.» Es sei immer heikel, die Institution Polizei anzugreifen.

Die beiden Anwälte warten nun die schriftliche Urteilsbegründung ab, bevor sie mit ihren Mandanten über einen Rekurs diskutieren. njb

Polizei: Genugtuung und Erleichterung

D ie Waadtländer Polizei nahm «mit Genugtuung und Erleichterung» Kenntnis vom Urteil des Gerichts des Broyebezirks, wie Sprecher Philippe Jaton den FN sagte. Noch sei das Urteil nicht rechtskräftig, «daher ist es zu früh, um zu entscheiden, ob der Polizist seine alten Funktionen wieder aufnimmt». Er arbeitet heute bei der Seepolizei. Max Hofmann vom Verband Schweizerischer Polizeibeamter ist «erfreut, dass der Kollege laut Gericht korrekt gehandelt hat». njb

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