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Er wollte nie ein Kommunist sein

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Der 72-jährige Oswald Bregy ist Anwalt und Notar in Genf. Niemand würde dem gepflegten, grauhaarigen Herrn ansehen, dass er 1968 der vorderste Freiburger Studentenführer war. Bei einem Glas Bier in einer Brasserie der Calvin­stadt wirft Bregy einen Blick auf die bewegten Tage vor genau fünf Jahrzehnten zurück.

Wie kam es, dass Sie sich als Student in Freiburg aktiv engagierten?

Der ehemalige Rektor der Universität Freiburg hielt einen Vortrag in Brig und sagte uns: Wenn ihr an die Uni kommt, dann versteckt euch nicht in euren Zimmern, sondern geht hinaus und macht mit. Das habe ich mir zu Herzen genommen.

Und wie wurden Sie dann Studentenvertreter?

Damals dominierten noch die «Studenten in Farben» der Studentenverbindungen das soziale Leben an der Universität. Natürlich gab es auch die «wilden Studenten», die keiner Verbindung angehörten, aber die spielten eine untergeordnete Rolle. In der Studentenverbindung der Staufer gab es übrigens eine Rivalität zwischen den «Angelo Montana» aus Engel­berg und den «Brigensis» aus Brig. Die Staufer nahmen mich auf alle Fälle nicht auf, und so trat ich der Sarinia bei. Wäre ich also nicht Mitglied der Studentenverbindung geworden, so hätte mein Leben sicher einen anderen Verlauf genommen.

Was war der Vorteil, wenn man in einer Verbindung war?

Es gab einen Stammtisch, an dem man zusammen Bier trank. Auch die Professoren besuchten diese Stammtische, und so bekam man persönlichen Kontakt zu ihnen. Es war damals aber auch noch einfacher als heute, die Professoren auf dem Gang anzusprechen, um einen Termin mit ihnen zu bekommen.

Wie aber kam es dazu, dass Sie zum «Studentenführer» wurden?

Es hiess, man solle sich in der Verbindung engagieren. Da meldete ich mein Interesse an, im Komitee mitzumachen. Ich konnte maschinenschreiben und bot mich an, Briefe aufzusetzen. Einen Brief musste ich allerdings nie schreiben – dafür kam eines Tages François Lachat zu mir und sagte, es werde ein Komiteemitglied für die Academia – die heutige Agef – gesucht. Zunächst wollte ich diese Aufgabe nicht übernehmen, denn ich hatte erst 1966 die Matura gemacht und danach ein Semester lang bis Ostern 1967 in Lausanne studiert. Und ein Jahr später sollte ich schon im Academia-Komitee sein, obwohl ich noch nicht einmal ein Examen in Freiburg absolviert hatte. Das wurde mir dann auch vorgeworfen. Lachat aber meinte, das würde schon gehen – und so wurde ich Mitglied im Academia-­Komitee.

Und wenig später sogar Academia-Präsident …

Das kam so: Der vorherige Präsident, der Walliser ­Pierre Rossier, wurde Präsident der ersten gesamtschweizerischen Studentenschaft und musste deshalb demissionieren. Zusammen mit ihm traten noch zwei, drei weitere Mitglieder aus dem Komitee aus. Da blieben nur noch drei Komitee-Mitglieder übrig: ich, dann Giorgio Rezzonico, der zukünftige Schwiegersohn von Erziehungsdirektor Max Aebischer, sowie ein Dritter mit Namen Jansen oder Janser. Er war als «der ewige Student» bekannt. Aus diesen dreien musste der neue Academia-Präsident erkoren werden. Den Janser wollte niemand. Der war immer da, hat aber nicht studiert. Rezzonico konnte gut sprechen, aber alle wussten, dass er nicht so viel arbeitet. Da blieb nur ich übrig. Und so wurde ich bereits im vierten Semester meines Studiums Academia-Präsident. Das war Anfang 1968. Ich hatte das nie gesucht.

Wie kam es dann zu den «Unruhen» in Freiburg?

Es ging um die Erhöhung der Einschreibegebühren. Aus heutiger Sicht war das nur ein Vorwand, um zu protestieren. Dahinter steckte ein allgemeiner Unmut über das, was in der ganzen Welt passierte. Oft kamen die Studenten zudem aus reichen Familien. Ich nicht – ich war ein Bauernsohn. Aber viele der Reichen meinten, man könne das Geld einfach aus dem Fenster schmeissen. Man war gegen die Armee, die Millionen ausgab und dabei neue Flugzeuge kaufte. Dann kamen der Prager Frühling, der Vietnamkrieg und vor allem die Antibabypille. Die spielte bei den 68ern eine grosse Rolle.

Wie sahen Sie sich selber in diesem Kontext?

Ich war ein Konservativer. Darin lag ja die Ironie. Ich war kein 68er und schon gar kein Hippie! Zusammen mit einigen Kollegen haben wir dann aber die Studentenorganisation «La Troisième Force» gegründet.

Dann kam es zu jener denkwürdigen Versammlung, an der ein Boykott der Studiengebühren beschlossen wurde …

Ja, ich konnte aber alle beruhigen, weil ich eine geheime Abmachung mit dem damaligen Verwalter der Uni, Herrn Vonarburg, hatte. Wir einigten uns darauf, dass die Frist für die Einschreibung verlängert wird, wenn der Boykott bis zu einem gewissen Datum aufgehoben wird. Das wusste aber niemand, nicht einmal das Komitee. Und die haben mir blind vertraut. Jene denkwürdige Versammlung fand dann am 24. April 1968 statt. In den «Freiburger Nachrichten» wurde ich am nachfolgenden Tag als der «Fels in der Brandung» bezeichnet.

Ihr persönliches Verhältnis zu den lokalen Medien blieb aber im Verlaufe der Zeit nicht immer so gut.

Nein. 14 Tage später haben wir eine Pressekonferenz einberufen. Da hat der Journalist der FN ganz böse gegen mich geschrieben: Ich könne es nicht unterlassen, im Licht der Öffentlichkeit zu stehen. Als ich diesen Journalisten später auf dem Pérolles-Boulevard antraf, habe ich ihm alle Schande gesagt.

Sie sagen, Sie waren kein 68er. Von aussen wurden Sie aber so wahrgenommen.

Ja – und nicht nur. Es hiess, ich sei «Kommunist». Etwas später nannten mich Kommilitonen bei der Hochzeit eines Staufer-Mitglieds nur zum Scherz immer noch so – was aber reichte, dass meine Mutter in Tränen ausbrach.

Wenn Sie aber nie ein Kommunist waren – was war denn ihre politische Einstellung im Jahr 1968?

Das kann man nicht so leicht sagen. Auf der einen Seite gab es die «Modérés». Das waren die Mitläufer, die sich gerne bei den Professoren blicken liessen und nie aufgemuckst haben. Auf der linken Seite standen die Trotzkisten, Nihilisten und sonstigen Blödiane. Ich fühlte mich keinen von beiden Gruppen zugehörig. Ich fand es beispielsweise deplatziert, als gegen die Mensa demonstriert wurde. Die war nämlich wirklich gut, und ich kam aus einem Haushalt, in dem es nicht jeden Tag Fleisch zu essen gab. Allerdings war es mir in der Mensa schon bald zu blöd, weil immer alle auf mich als Studentenvertreter einreden wollten. Bald blieb ich über Mittag in meinem Zimmerchen und ass lediglich ein Mütschli und eine Büchse Sardinen. Hie und da denke ich, ich hätte ein Trauma seit dem Jahr 1968. Das war sicher auch ein Grund dafür, wieso ich mich in späteren Jahren nie für eine Karriere als Politiker interessiert habe.

Inwiefern hat sich Ihr Engagement negativ auf Ihre akademische Karriere ausgewirkt?

Der Kanton Wallis hat mir die Stipendien gestrichen –und zwar nicht nur mir, sondern auch meinem Bruder und zwei Schwestern. Das kann man aus heutiger Sicht ja nur als Sippenhaftung bezeichnen. Ich hatte das nicht geglaubt, bis ich es selbst gesehen habe. Später fand ich heraus, dass es damals zu einer geheimen, nicht protokollierten Sitzung des Walliser Staatsrats kam. An dieser gab es nur zwei Traktanden: den Politiker Bregy aus Freiburg sowie einen Studenten einer Maturklasse im Kollegium Spiritus Sanctus in Brig, der ein Mädchen geschwängert hatte. Dieser junge Mann hat seine Liebste übrigens später geheiratet und wurde Berufsoffizier in der Schweizer Armee. Damals aber wurde beschlossen, dass er zwar die Maturaprüfungen ablegen, aber die Kurse nicht mehr besuchen dürfe.

Wie konnten Sie selber dann ohne Stipendium weiter- und fertigstudieren?

Mit einem zinslosen Darlehen sowie der Unterstützung durch meinen Vater und meinen Paten. Auch meine Geschwister konnten trotz diesem Zwischenfall fertig studieren.

Was sagte Ihr Vater dazu?

Ich habe nie mit ihm darüber gesprochen. Ich schloss ja mein Studium dann nach sieben Semestern im Jahr 1970 ab. Das war eigentlich ziemlich schnell, wenn man bedenkt, dass sechs Semester das Minimum waren. Ich habe lediglich je ein Semester in Lausanne und wegen der Politik verloren.

Welche Erinnerungen haben Sie generell an 1968?

Eigentlich doch nur gute. Es war etwas Neues, und wir traten grundsätzlich für eine wichtige Sache ein. So wurden beispielsweise in dieser Zeit die Seminare an der Universität eingeführt. Zuvor verkündeten die Professoren alles ausschliesslich in Vorlesungen ex cathedra.

1968

50 Jahre danach

Ein halbes Jahrhundert ist seit dem Schicksalsjahr 1968 vergangen. Die FN zeigen in einer Serie auf, wie Freiburg dieses Jahr erlebte, was es für Auswirkungen hatte und was heute von den 68ern übrig geblieben ist.

jcg

«Wäre ich nicht ­Mitglied der Studentenver­bindung ­geworden, so hätte mein Leben sicher einen anderen Verlauf ­genommen.»

«Dann kamen der Prager Frühling, der Vietnamkrieg und vor allem die Antibabypille. Die spielte bei den 68ern eine grosse Rolle.»

Zur Person

Er begann ein Studium der Kunstgeschichte

Oswald Bregy ist 72-jährig und stammt aus Gampel im Oberwallis. Er studierte Recht in Lausanne und Freiburg und arbeitet heute noch als Anwalt und Notar in Genf. Ausserdem hat er im gehobeneren Alter ein Studium der Kunstgeschichte begonnen. Bregy ist verheiratet und Vater einer Tochter.

jcg

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