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«Es ist nicht ganz glaubwürdig»

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«Es ist bekannt: In einem natürlichen Umfeld lernen Kinder eine Sprache besser, wenn sie noch klein sind. Dies gilt aber nicht unbedingt für die Schule», sagt Amelia Lambelet, Projektleiterin am Institut für Mehrsprachigkeit der Universität Freiburg, auf Anfrage. In verschiedenen Deutschschweizer Kantonen gab es Vorstösse zur Abschaffung des Frühfranzösisch auf Primarstufe. Dies löste eine gesamtschweizerische Debatte zum Sprachunterricht und dem Zusammenhalt der Landesteile aus (siehe Kasten rechts).

Alter spielt geringe Rolle

Für die Sprachkompetenz nach Abschluss der obligatorischen Schulzeit mache esvom wissenschaftlichen Standpunkt aus keinen grossen Unterschied, ob Kinder bereits in der Primarschule eine Fremdsprache lernen oder damit in der Sekundarschule–dafür mit mehr Lektionen pro Woche–beginnen. «Am Ende erreichen beide etwa dasselbe Niveau», sagt Lambelet. Da die Kinder in der Primarschule nur wenige Lektionen der Fremdsprache hätten, lernten sie diese zwar, jedoch längst nicht so schnell, wie dies bei einem zweisprachigen Umfeld der Fall sei. Auf der anderen Seite habe auch das Argu- ment, zwei Fremdsprachen auf Primarschulstufe überforderten die Kinder, keine wissenschaftliche Basis: «Kinder können in der Primarschule zwei Fremdsprachen lernen, es gibt keine Studie, die das Gegenteil beweist. Es ist zwar nicht effizienter, wenn sie früh damit beginnen, es wirkt sich aber auch nicht negativ aus.»

Damit das Lernen einer Fremdsprache gelingt, braucht es laut Amelia Lambelet insbesondere zwei Voraussetzungen: «Die Kinder sollten möglichst viel mit der anderen Sprache in Kontakt kommen, zudem sollten sie motiviert sein, diese zu lernen.»

«System funktioniert nicht»

Beim Kontakt mit und dem Interesse für die andere Sprache sieht auch Walter Seiler die grössten Probleme und den grössten Handlungsbedarf. «In Freiburg ist die Situation ideal: Da sieht ein Kind schnell ein, warum es Französisch lernen soll», so der Leiter des Language Competence Centre der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Anders sehe es in gewissen Deutschschweizer Kantonen aus. «Das Französisch existiert da im Alltag nicht.» Dies im Gegensatz zum Englisch, das durch Computer und Internet überall sei. Auch sei es dem Deutschen näher und–zumindest am Anfang–einfacher zu lernen als das Französische. Viele Lehrpersonen und Schüler seien deshalb frustriert. «Zwei Lektionen pro Woche mit einer Lehrperson, die die Partnersprache nur mässig beherrscht, motivieren nicht wirklich. Es herrscht eine grosse Unzufriedenheit, denn das jetzige System funktioniert nicht», sagt Seiler. Trotzdem sei es falsch, jetzt alles über den Haufen zu werfen. «Bevor irgendwelche Schnellschüsse gemacht werden und ein Flickwerk entsteht, braucht es dringend Studien und ein wissenschaftliches Vorgehen. Sonst argumentieren wir im luftleeren Raum.»

Das politische Ziel sei unbestritten und werde auch von niemandem infrage gestellt, so Seiler: «In der Schweiz müssen wir uns gegenseitig verstehen können. Reden wir nur noch mit einer Hilfssprache, gehen alle Zwischentöne verloren.» Nun gelte es aber, einen Weg zu finden, wie auch in den Kantonen, die nicht an der Sprachgrenze liegen, das Interesse für die anderen Landesteile und -sprachen geweckt werden könne. Die beste Möglichkeit dazu ist für Walter Seiler der Austausch. «In der Schweiz haben wir so viele Möglichkeiten, und es wäre so einfach. Wir könnten und müssten mehr machen.»

«Nicht ganz glaubwürdig»

Kaum Verständnis für die Vorstösse mancher Deutschschweizer Kantone zeigt Andreas Maag, Vorsteher des Freiburgischen Amtes für den deutschsprachigen obligatorischen Unterricht. Im Harmos-Konkordat von 2004 hätten sich die Kantone geeinigt, bis zur fünften Klasse zwei Fremdsprachen, darunter eine zweite Landessprache, einzuführen. Die Wirkung dieses Fremdsprachenunterrichts werde wissenschaftlich begleitet, 2018gebe es erste Resultate.

Wer jetzt schon etwas an der Unterrichtsform ändere, handle «nicht ganz glaubwürdig», so Andreas Maag. «Wir haben gewusst, dass es Überraschungen und Schwierigkeiten geben wird. Aber hier im Kanton Freiburg haben wir viel in die Weiterbildung investiert und nun kompetente und motivierte Lehrpersonen», so Maag, der die aktuelle Sprachendebatte beinahe als Glaubensfrage sieht: «Manche Kantone werten halt die wirtschaftlichen Interessen höher als die sozial-kulturellen.»

Zu der Befürchtung, die aktuelle Entwicklung gefährde den nationalen Zusammenhalt der Willensnation Schweiz,meint Maag: «Der Röstigraben wird nicht auseinanderbrechen, und auch das Tessin wird nicht gleich wegfallen. Aber für eine Minderheit ist es schwierig, zu verstehen, warum sich gewisse Kantone nicht mehr an den festgeleg- ten Kompromiss halten wollen.» Mögliche Probleme bei einer Abschaffung des Frühfranzösisch in gewissen Kantonen sieht Maag auch bereits auf einer tieferen Stufe. Seien die Lehrpläne zu unterschiedlich, hätten die Kinder nicht dieselben Voraussetzungen, Kantonswechsel würden erschwert. Auch gebe es Stimmen, welche eine Dispensregelung für lernschwache Schüler forderten. «Dies schafft eine Chancenungleichheit: Wenn solche Kinder die Partnersprache nicht in der Schule ler- nen, wo dann?»

 Auch wenn der frühe Unterricht der Partnersprache im Kanton Freiburg nicht infrage gestellt werde–Entwicklungspotenzial gebe es auch hier: Gerade im Austausch von deutsch- und französischsprachigen Klassen lasse sich noch einiges verbessern, so Maag.

Der Freiburger Bildungsdirektor Jean-Pierre Siggen (CVP)war aus Zeitgründen für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Er liess ausrichten, er teile die Ansichten seines Amtsvorstehers.

«Wenn Kinder die Partnersprache nicht in der Schule lernen, wo dann?»

Andreas Maag

Vorsteher des Amts für deutschsprachigen Unterricht

Harmos: Ein Kompromiss der Kantone

D ie Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) hat 2004 eine nationale Strategie zur Weiterentwicklung des Sprachenunterrichts verabschiedet. Die wichtigsten Inhalte sind in die Interkantonale Vereinbarung über die Harmonisierung der obligatorischen Schule (Harmos) eingeflossen. Darin ist festgelegt, dass die Schweizer Schulkinder spätestens ab dem 3. Schuljahr die erste und spätestens ab dem 5. Schuljahr die zweite Fremdsprache erlernen müssen. Die Fremdsprachen sind eine zweite Landessprache und Englisch. Deren Reihenfolge wird regional koordiniert.

Nach der Verabschiedung der EDK-Strategie kamen in fünf Kantonen der Deutschschweiz Volksinitiativen mit dem Titel «Nur eine Fremdsprache an der Primarschule» zustande. Hauptargument der Initianten war, der Unter- richt von zwei Fremdsprachen überfordere viele Kinder. Die Initiativen wurden in vier Kantonen vom Stimmvolk abgelehnt und in einem Kanton zurückgezogen.

Diesen August entschied der Grosse Rat des Kantons Thurgau, das Frühfranzösisch zu streichen und Französisch erst ab der Sekundarstufe zu unterrichten. Auch in anderen Deutschschweizer Kantonen sind vergleichbare Volksinitiativen oder Vorstösse des Parlaments hängig. Anders sieht es bei den kantonalen Lehrerverbänden aus: Sie haben am Mittwoch an einer Konsultativabstimmung in Bern beschlossen, dass sie neu eine Landessprache als erste Fremdsprache festlegen wollen. rb

Resolution: Freiburg soll in Bundesbern Brücken bauen

D er Grosse Rat hiess eine Resolution gut, die den Staatsrat auffordert, sich beim Bund zugunsten der Mehrsprachigkeit einzusetzen. Damit reagiert das Parlament auf die geplante Streichung des Frühfranzösisch in einigen Deutschschweizer Kantonen. Andrea Burgener Woeffray (SP, Freiburg) sagte: «Diese Entscheide haben den politischen Herbst eingeläutet.» Die Zweisprachigkeit sei für die Schweiz und Freiburg ein Trumpf. Albert Lambelet (CVP, Corminboeuf) warb für die Vielfalt der Schweiz als identitätsstiftendes Merkmal. Olivier Suter (Grüne, Estavayer-les-Gibloux) betonte, die Zweisprachigkeit gehöre zum kulturellen Reichtum der Schweiz, sie dürfe diesen Vorteil nicht leichtsinnig wegwerfen. Laut Bernadette Hänni (SP, Murten) ist es wichtig, auch Lehrpersonen zum Sprachenlernen zu animieren. «Sie können sonst nicht motivieren und das Feuer nicht weitergeben.» Bruno Fasel (CSP, Schmitten) kritisierte: «Es kann nicht sein, dass jeder Kanton ein eigenes Züglein fährt.»

Es gab aber auch kritische Töne. Markus Ith (FDP, Murten) äusserte Zweifel, dass die Zweisprachigkeit in Freiburg so selbstverständlich gelebt wird, wie es oft heisst. «Besteht der Wille, beide Sprachen gleichberechtigt zu behandeln?», fragte er und gab zu bedenken: «Für uns Deutschschweizer ist Hochdeutsch die erste Fremdsprache.» Emanuel Waeber (SVP, St. Antoni) sagte «Ja, aber mit wenig Enthusiasmus». Er wies darauf hin, dass der Sprachunterricht Sache der Kantone sei, und: «Wir verteidigen das föderale System.» fca

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