Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

Flüchtiger Moment zeitlos auf Leinwand

Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Flüchtiger Moment zeitlos auf Leinwand

Grosse Retrospektive in Burgdorf und Bern zu einem der bedeutendsten Schweizer Künstler der Gegenwart

Zwei Museen widmen dem Maler Franz Gertsch zum 75. Geburtstag gemeinsam eine Retrospektive. Versammelt sind erstmals nahezu alle zentralen Arbeiten seines reichen malerischen und grafischen Schaffens seit 1951.

Von ANGELICA TSCHACHTLI

Zwei junge Frauen sind gerade dabei, sich für eine Party zu schminken. Ihre Gesichter sind abgewandt, der Spiegel gibt nur den blumigen Duschvorhang wieder. Die Ablage über dem Lavabo ist voll gestellt mit Cremetuben und
-dosen. Eine scheinbar beiläufige Situation und eine Perspektive, die kaum als bildwürdig gilt, wird in Grossformat gezeigt. Nicht das fertig geschminkte Frauengesicht von vorne, sondern der Prozess des Schminkens, das nasse Haar von hinten ist dargestellt. Das Bild (siehe unten), das von weitem aussieht wie ein grosses Schnappschuss-Foto, entpuppt sich beim Nähertreten als minutiös gemalte Szene. Jedes einzelne Haar lässt sich von den anderen unterscheiden.

Das Lenken des Blicks auf Details ist auch für die amerikanischen Maler des Fotorealismus typisch, mit denen Franz Gertsch oft in einem Atemzug genannt wird und die gleichzeitig mit ihm diese Stilrichtung Ende der Sechzigerjahre entwickelten.

Malerei, die aussieht wie Fotografie – und doch anders ist. Nach einigem Betrachten fällt auf, dass manche Farben im Gegensatz zu einer normalen Farbfotografie leuchtender sind, andere haben einen milchigen Ton, der eine gewisse Distanz schafft.

Malen im Licht der Projektoren

Anfang der Siebzigerjahre malt Franz Gertsch direkt auf die Leinwand, auf die er ein kleines Foto in extremer Vergrösserung projiziert. Dadurch werden die Umrisse jedoch unscharf und die Projektion ist nur eine vage Vorlage für seine Malerei. Er arbeitet zudem in einem dunklen Raum, so dass er im blendenden Licht des Projektors kaum sehen kann, was er malt. Um die Leuchtkraft der projizierten Farbe zu erreichen, greift er manchmal sogar zu Leuchtfarben.

Das Malen nach einer fotografischen Vorlage erklärt Franz Gertsch – scheinbar paradox – im Rückblick damit, dass er «an der Leichtigkeit des Malens interessiert war» und es ihm «nur darum gegangen ist, seine malerische Begabung auszuleben», steht im Katalog zur Ausstellung. Er nennt dieses Malen «blind malen, seismografisch». In der Vorlage müsse er jedoch bereits eine Vision für das zu schaffende Gemälde haben, erklärte Gertsch in einer Sendung auf Radio DRS 2. Den Gesichtsausdruck einer Frau auf dem Foto übernimmt er nicht einfach, dieser muss durch die Malerei erst ausgedeutet werden. Und diese «Ausdeutung passiert durch Einsatz der Zeit. Da geschieht es wie von selbst, dass da etwas von mir dazukommt.»

Wie ein Freskomaler

Gertsch vergleicht in dieser Sendung seine Arbeitsweise mit der eines Freskomalers, der jeden Tag ein Stück malt. Da er das projizierte Bild während des Malens immer vor sich hat, spielt es keine Rolle, wo er beginnt: Er fängt irgendwo an und arbeitet am nächsten Tag vielleicht am anderen Ende des Bildes weiter, ohne einen Überblick über das Gesamtbild zu haben. Dies ist mit ein Grund, weshalb einzelne Details eigene Bild(be)deutungen erhalten. So bezeichnet der Künstler die Haare im Frauenporträt «Johanna» als «ein Birkenwäldchen» oder sieht in den Augen einer Frau einen See.

War seine Malweise in den Siebzigerjahren noch recht grossflächig, malt Gertsch heute mit einem feinen Pinsel und tupft monatelang kleine Punkte auf die Leinwand, bis ein monumentales Bild wie zum Beispiel das Frauenporträt «Silvia III» entsteht. Über ein Jahr lang malte er in seinem Atelier in Rüschegg daran.

Anders als in den farbig-schrillen Situationsporträts der Siebzigerjahre, den Hippie- und Familienbildern, zeigt «Silvia III» die Figur vor einem neutralen Hintergrund, ohne Schminke, ohne modische Kleidung, ohne Accessoires, beschränkt auf ihr Gesicht. Nicht ein Schnappschuss diente hier als Vorlage, sondern eine Porträtfotografie, aufgenommen im ausgeleuchteten Studio.

Während das Museum Gertsch in Burgdorf sich dem Frühwerk widmet, zeigt das Kunstmuseum Bern das Schaffen seit 1977 und die seit 1986 entstandenen monumentalen Holzschnitte. Auch hier benützte Gertsch Diabilder als Vorlagen, die er in unkonventioneller Holzschnitttechnik umsetzt. Mit dem Hohleisen schneidet er einzelne Lichtpunkte der Projektion in das Holz. Für die Ästhetik seiner Farbholzschnitte ist auch die Qualität der Materialien wichtig: Sie werden mit hochwertigen Pigmenten auf handgeschöpftes Papier gedruckt, das in Japan speziell für ihn hergestellt wird. Jeder Abzug wird in einer anderen Farbe gedruckt und ist deshalb ebenso ein Unikat wie die Gemälde.

Abstraktion durch Figuration

Als Motive wählt Gertsch bewusst unscheinbare, alltägliche Naturausschnitte, die das ganze Bild ausfüllen: die Oberfläche des Flusses Schwarzwasser oder einzelne Pflanzen wie die Pestwurz. Durch die Aneinanderreihung von zwei oder drei Holzschnitten steigert sich die Monumentalität der Bilder nochmals und der Betrachtende ist völlig von der Naturszene umfangen. Obwohl die Holzschnitte ebenfalls auf fotografischen Vorlagen beruhen, erscheinen sie teils wie abstrakte Bilder, da das Gegenständliche sich bei solcher Vergrösserung aufzulösen scheint.

Während zehn Jahren hat Franz Gertsch ausschliesslich als Holzschneider gearbeitet und kehrte erst Mitte der 90er-Jahre zur Malerei zurück. Er verwendet heute anstelle von Acrylfarben reine Pigmente und mischt sie selber mit einem natürlichen Bindemittel. In den letzten Jahren entstanden auch wieder gemalte Bildnisse, die drei Silvia-Porträts, die alle auf Fotos beruhen, die an einem einzigen Tag aufgenommen worden waren. Trotzdem sieht die zuletzt gemalte Silvia um einige Jahre älter aus – der Reifeprozess des Malers scheint sich im Gemälde zu materialisieren. Diese Bilder sind mehr als nur ein Abbild einer Fotografie, sie sind «gemalte Zeit», und sein Interesse gilt der malerischen Interpretation der Vorlage.

Katalog zur Ausstellung: Franz Gertsch. Die Retrospektive. Hrsg. vom Museum Franz Gertsch und dem Kunstmuseum Bern, 2005.
Gertschs Werdegang

Franz Gertsch wird am 8. März 1930 in Mörigen am Bielersee geboren. Mit seinem Vater besucht er schon als Primarschüler das Kunstmuseum Bern, wo ihn die Maler Ferdinand Hodler und Paul Klee faszinieren. Gertsch zeichnet und malt während seiner Schulzeit intensiv und bereits 1946 entstehen erste Holzschnitte. 1947 reist er mit Sergius Golowin nach Paris, wo ihn die Pariser Boheme stark beeindruckt. Gegen den Willen seiner Eltern will er Maler werden und besucht bei Max von Mühlenen in Bern die Freie Malschule, belegt auch Kurse an der Kunstgewerbeschule.

Nach seiner Entlassung aus der Rekrutenschule wegen eines Herzfehlers reist er wieder nach Paris, mit 1400 Franken eines Stipendiums. Zurück in Bern sucht er nach einer neuen Form von figurativer Malerei. 1955-60 durchlebt er eine Zeit von Orientierungslosigkeit und Krisen.

1969 hat Gertsch ein Schlüsselerlebnis und malt fortan grossformatige realistische Gemälde. 1972 stellt er an der Documenta V in Kassel aus und erhält auf einen Schlag internationale Anerkennung. 1976 zieht er mit seiner Frau Maria und den fünf Kindern in ein altes Bauernhaus in Rüschegg im Schwarzenburgerland, wo er noch heute lebt und arbeitet. S

Meistgelesen

Mehr zum Thema