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Gastkolumne

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Gastkolumne

Autor: Martin Schick

Neben den Hund gekommen

An einem wetterfreien Sonntagmorgen sitze ich mit zwei Freunden in der Elisabethenkirche Basel in einem Gottesdienst für Mensch und Tier. Das wollten wir uns nun wirklich nicht entgehen lassen! Ich stellte mir vorabends so eine Art Arche Noah vor, mit buntem Gefieder, Lärm und Gestank oder gar Löwen mit langhalsigen, todessüchtigen Gänsen im Gebiss, etwa so wie im Film «Underground» von Emir Kosturica, die Szene nämlich, in welcher der Zoo zerbombt wird.

Filme schauen verdirbt die Realität. Tatsächlich gibt es nämlich um mich herum fast ausschliesslich Herrchen und Frauchen mit Hund, schön abgestimmt, man weiss nicht genau wer an wen, in Farbton, Frisur oder Körperhaltung; bloss der eine auf vier Beinen und der andere auf deren zwei. Weitere Vertreter der später so schön genannt «Tränenlosen»: zwei Ziegen, eine Katze in Panik und ein paar Meerschweinchen. Es ist andächtig still, wie man es sich gewöhnt ist in der Kirche, gerade so, als hättens die Tiere nicht anders gelernt. Die einzigen Kommentare, ich konstatiere, denn darin liegt selbstverständlich der besondere Reiz dieser Veranstaltung, ausgedrückt durch ein deutliches, einsilbiges «Wau» oder allenfalls «Wuff», sind ungelogen nach dem Satz «Es ist ein Grund zur Freude!» und beide Male während des Vorspiels der Orgel zu vernehmen. Ansonsten ist es bis zum «Vater Unser» still, und der Mensch vorne in dem Kleid, das mich in diesem Kontext an ein Pinguinkostüm erinnert, redet von der Nähe der Tiere als eine Nähe Gottes und davon, dass wir eine Ethik brauchen, die die Tiere mit einschliesst, auf dass die Schöpfung erhalten bleibe!

Richtig! Im bemalten Kirchenfenster finde ich nämlich kein einziges solches Wesen, dabei sind sie so manchem Menschen näher als der Artgenosse selbst – eine Frau beobachtet mich derweil unsicheren Blickes von der Seite und klammert sich an ihren Spitz, dem sie ganz OFFENSICHTLICH mehr Vertrauen schenkt als uns. Vorne am Mikrofon hat sich eine heisere Frau platziert, die das Leid der Tiere klagt mittels eines Gedichts im Kreuzreim. Den Genuss dieser hohen Kunst können wir mit den Vierbeinern leider nicht teilen. Was Tiere von Pflanzen unterscheidet: Empfindsamkeit. Was die Menschen von Tieren unterscheidet: die Fähigkeit des Denkens.

Auch richtig! Ich denke ununterbrochen!! Zum Beispiel, dass Herr und Hund hinter mir, dermassen eingespielt aufeinander, gar gleichzeitig eingeschlafen sind …nicht für lange, denn nun werden alle Denkenden nach vorne gebeten, um die Empfindsamen segnen zu lassen. DAS ist ein Fest – und kommt meiner eingangs formulierten filmverdorbenen Vorstellung zaghaft entgegen. Der Pfarrer murmelt einfühlsam auf die Geschöpfe (Mensch UND Tier in diesem Falle) ein, und derweil entledigt sich eine Ziege ungebremst ihres Darminhalts. Solche Manieren hat man dem Hund längst ausgetrieben, und mir wird mit einem Schlage klar, dass doch der Hund eigentlich eine Schöpfung des Menschen und sein bester Freund auch sein Besitzer ist, von diesem wiederum an der Leine geführt, aus purem Selbstzweck, menschlicherseits, nämlich dem, nicht allein zu sein; und dass WIR folglich die Tränenvollen, die Bedürftigen sind, nicht sie.

Item, wir reden noch ein paar Worte mit dem jungen Pfarrer, der sich des Pinguins entledigt und sich ganz menschlich über die Pisse und Scheisse äussert, auf der wir herumstehen. Respekt von wegen Offenheit und Einsatz, aber solche Worte möchte ich, selbst im Zusammenhang mit Tieren, von einem Pfarrer nicht hören, da bin ich überzeugter Idealist und denke dabei als Vergleich an jene verehrten grossartigen Künstler, die man hinter der Bühne auch nicht kennenlernen möchte, noch weniger die Topmodels und Plakatgesichter und wohl am wenigsten die gute Fee, die das Guetnachtgschichtli ankündigt. Das ist doch desillusionierend! In den meisten Fällen zumindest. Man möchte, dass gewisse Menschen erhaben sind, möchte einen Zauber wahren, schlussendlich wissen wir allzu genau um die ausnahmslose Produktion von Sch … Mir wurde geraten, dieses Wort nicht zu schreiben, in dem Bereich sind wir Zweibeiner einiges gehemmter als die Ziege.

Ich komme mir plötzlich neben all diesen Tieren lächerlich vor, so angezogen und aufrecht, so gehemmt, kritisch und unbefriedigt, schleiche zum Ausgang, am Apéro vorbei, wo ich beinah eine Packung Hundefutter in die Finger kriege, die wie Chips ausschaut. Draussen ist Rummelplatzstimmung in der ganzen Stadt, und die Menschen amüsieren sich tierisch. Ich auch.

Martin Schick ist Theater- und Filmschauspieler. Er wuchs in Tafers auf und lebt derzeit hauptsächlich in Berlin. Als Kulturschaffender ist er in einem FN-Kolumnistenkollektiv tätig, das in regelmässigem Rhythmus frei gewählte Themen bearbeitet. Der Inhalt braucht sich nicht zwingend mit der Meinung der Redaktion zu decken.

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